Verlust und doch Gewinn

Gespräch mit Ralf Schlüter, Geschäftsführer Kunstfest Weimar

Das Kunstfest Weimar 2001 findet vom 8. August bis zum 2. September statt. Unter dem Motto „Nach Weimar” beschreitet es weiter den unter Intendant Bernd Kauffmann eingeschlagenen Weg, in der Klassikerstadt modernes internationales Theater großer Autoren und Regisseure zu zeigen sowie neue Einblicke in die aktuelle Entwicklung des Tanztheaters zu geben.

Die Geschichte mit dem Tellerwäscher, der es zum Millionär gebracht hat, wird ja immer wieder gerne erzählt. Leider kennen die wenigsten von uns jemanden, der es auf diesem spektakulären Weg geschafft hat, weswegen man sich schon freut jemanden zu treffen, der es vom Hiwi (was eigentlich für wissenschaftliche Hilfskraft steht, aber auch für alle anderen „Mädchen für alles” beiderlei Geschlechts angewandt wird) zum Geschäftsführer gebracht hat – bei der gleichen Firma, versteht sich.

Der Mann, der da mit dem Direktor des Elephant Paul J. Kernatsch ein angeregtes Gespräch beim Abendessen im Restaurant „Anna Amalia” führt, heißt Ralf Schlüter und ist Geschäftsführer vom Kunstfest Weimar. Bekannter ist dessen Indendant, der umtriebige Bernd Kauffmann, der Weimar eigentlich verlassen hat und sich östlich von Berlin neuen Aufgaben widmet. Uneigentlich will er, wie es aussieht, aber das Kunstfest weiter als Intendant begleiten – ob und wie das gehen soll bei jemandem, der gerne und wohltuend Präsenz gezeigt hat, ist denn auch eines der Themen des Abends, wenn auch überhaupt kein dominantes.

Schlüter, der vor 41 Jahren in Weimar geboren wurde und in Jena Germanistik studiert hat, schildert die (bisherigen) neun Jahre mit Kauffmann als „spannend und prägend”. Und er plaudert von seinen eigenen Anfängen, als er das Organisationsbüro des Festivals vor zehn Jahren aufzubauen hatte. „Im Nachhinein,” sinniert er bei der vom Service gebrachten „Torte von Gänsestopfleber in Madeiragelee mit sautierten Pfifferlingen”, „im Nachhinein muss man sagen, dass wir das Festival am Anfang mit geradezu kindlich naiver Kreativität angegangen sind!” Der Ausgleich waren Engagement und Herzlichkeit, was ja zumindest für das Publikum keine schlechte Mischung ist. Die Künstler mögen es damals anders gesehen haben, aber in den Wendejahren hatten ja viele Veranstaltungen diesen Charme des Unvollkommenen, nach dem sich heute mancher zurück sehnt.

Mittlerweile hat Schlüter dazu gelernt, weiß, dass zu einem Klavierkonzert für den Künstler nicht nur ein Klavier und ein Hocker dazu gehören, sondern erstens ein zweiter Hocker für denjenigen, der die Noten umblättert, zweitens ein Glas Wasser und drittens eine Toilette. Aber er kann lachen über die Anfänge und erzählt so erfrischend unbeklommen, dass schon das Zuhören Spaß macht.

Nun ist das Leben als Geschäftsführer nicht immer nur lustig, und um ein Festival wie das Kunstfest Weimar über die Jahre zum Erfolg zu führen, bedarf es auch einiger ernsthafter Arbeit.

Um wirklich gute Leute zu bekommen, muss man sich das Jahr über viel ansehen, aber manchmal führen auch Zufallsentdeckungen oder Bekanntschaften zu passablen Ergebnissen.

Beim Hauptgang „Seezunge im Zucchinimantel auf Blattspinat mit Senfkörnersoße” kommt das Gespräch auf das unvermeidliche und leidige Thema Geld. Als hundertprozentige Tochter der Stadt ist „Kunstfest Weimar” eine GmbH, was ihr zwar die für so ein Festival ungünstigen kameralistische Abrechnungen erspart, aber doch eine finanzielle Abhängigkeit bedeutet. Von den 1,8 Millionen Mark Zuwendungen kommen 500.000 von der Stadt und 1,3 Millionen Mark vom Land Thüringen. Weitere etwa 150.000 tragen Inititiativen und Sponsoren bei, direkt durch Geld oder durch Sachleistungen. Ist das viel Geld? Schon, aber natürlich nicht genug. „Wir verdienen nichts, der Verlust ist sozusagen programmiert,” meint Schlüter und schiebt listig nach, dass das Festival dennoch ein Gewinn für die Stadt sei, wenn auch ein schwer messbarer. „Die Stadt ist durch das Kunstfest in einem anderen Zustand. Aber es ist ein anspruchsvolles Fest – und da braucht man einen langen Atem!

Ulrich van Stipriaan

Veröffentlicht in: Connection 3/01
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