Ostuni

Apulische Augenblicke (5)

Die Bilder für diesen Beitrag waren auf der Plattform Ipernity gehostet und wurden dort gelöscht.
Wir sind dabei, die Fotos neu einzubinden, aber das kann etwas dauern – sorry.

Ostuni

Die Hauptattraktion von Ostuni ist – Ostuni. Die Stadt ist die Sehenswürdigkeit, nicht irgendein Haus, eine Kirche (obwohl es auch da was zu sehen gibt), ein Palazzo… Bevor wir uns der Stadt nähern (am besten von der Küste im Abendlicht, was für eine Erstbesichtigung zwar ein ungünstiger Zeitpunkt ist, aber den besten Lichteindruck bietet!), ein Wort zum Namen: Die Stadt ist keineswegs eine Hochschule im Osten – also nicht Ost-Uni, sondern Os-tuni sagen!

Ostuni nennt sich „Città Bianca„, also die weiße Stadt. Zwar könnten die meisten der apulischen Städte mit dieser Bezeichnung antreten, denn weiße Häuser sind in der Mehrzahl – aber erstens nirgends so propper wie im historischen Zentrum von Ostuni, und zweitens haben die anderen irgendwelche anderen Alleinstellungsmerkmale, die sie sich aufs Ortseingangsschild schreiben können.

Die Altstadt von Ostuni ist auf drei Hügeln erbaut (zur Erinnerung: Um Hauptstadt zu werden, braucht man sieben Hügel) – nur dieser Teil ist ansehenswert. Der Rest ist belanglose moderne Architektur, die den Charme realsozialistischen Wohnungsbaus hat (vielleicht doch: Ost-Uni?). Wer mit dem Auto kommt, wird auf der Durchfahrt kräftig durch die neueren Viertel gelotst. Anhalten würde man hier nicht, außer vielleicht um einen Caffé zu trinken. Die Altstadt aber, das Centro storico, ist bezaubernd.

Das wissen die Leute von Ostuni auch, Tourismus ist eine der Haupteinnahmequellen der Stadt. Es gibt im Zentrum viele Läden, die den touristenüblichen Kitsch anbieten, aber es gibt auch noch ganz normalen Alltag hier. Wir hatten das große Vergnügen, in eine Hochzeit zu geraten. Die beiden vom Brautpaar engagierten Fotografen äugten schon komisch zu uns herüber, weil wir kräftig in Hochzeitsbildern übten – die Braut sah weniger skeptisch, sondern lächelte professionell freundlich in die Kamera.

BrautpaarEs war eine fröhliche und ungezwungene Hochzeitsgesellschaft, die in der Kathedrale aus dem 14. Jahrhundert zum Feiern zusammen gekommen war. International ging es auch zu: Italienisch, englisch und französisch klang es auf dem Vorplatz – schön! Braut und Bräutigam fuhren im Fiat 500 vor und düsten damit auch ab – irgendwie kultig! Nervös wurde die Braut nur, als alle da waren – außer ihren Eltern. Aber es gibt ja cellulare, und kurz nach dem Telefonat kamen die beiden dann auch locker um die Ecke marschiert. Alles wird gut, die Trauung kann beginnen…

…und wir haben Zeit, uns die Kathedrale von außen etwas näher anzusehen. Sie steht, wie es sich gehört, auf dem höchsten der drei Hügel. So ist sie zwar dem Himmel am nächsten, aber auf majestätischen Platz muss sie verzichten: Die Piazza vor ihr ist gerade groß genug, die kleine Hochzeitsgesellschaft zu fassen. Natürlich müssen auf dem kleinen Platz auch noch Autos parken, außerdem stehen die Stühle einer Eisdiele einladend herum – insgesamt ist es sehr kuschelig.

FensterroseDie Kathedrale ist ein munteres Treffen verschiedener Stile – Spätromanik, Gotik und Renaisance sieht man da. Die Front schwingt sich konvex und konkav in die Höhe – die beiden Seitenflügel geben dabei die Schulterpartie und das Mittelstück den sich nach oben verjüngenden Hals. Das sieht lustig aus und ist ein echter Hingucker. Wenn man dann schon mal hinsieht, sollte der Blick an der großen Rosette über dem Eingangsportal ein wenig hängen bleiben. Eine Figur steht im Mittelpunkt (ich lese im vergnüglich-informativ geschriebenen „Apulien“ von Ekkehart Rotter und Christin Löchel, es sei „Christus im kniefreien Gewand“), drumherum ein Kreis, der von zwölf kleinen dicken – nein, nicht Jüngern, sondern von so einer Art Kapitellen getragen wird. Das nächste Rund bilden 24 ausgeformte Säulen, und ganz außen ein mit Pflanzenwerk verziertes Einfassungsband. Ich zitiere noch mal meine Schlaumacher: „In dieses sind ringsum die zwölf Apostel geradezu versponnen.“ Das ist doch nett formuliert – und es stimmt! Also, mit einem Glas kühlen Weißwein in der einen und dem schlauen Buch in der anderen Hand könnte ich mir diese Fensterrose elendig lange ansehen und immer wieder was entdecken!

StützeAber es gab keinen Wein, statt dessen Schlenderei. Die Gassen von Ostuni sind ein regelrechtes Wirrwarr, aber ein geordnetes (wie ungeordnetes Gassenwirrwarr aussieht, werden wir später sehen, wenn wir Vicolo del Gargano besuchen – aber das dauert noch ein wenig). Das Schlendern macht viehisch Spaß, denn man sieht im ewigen Auf und Ab (drei Hügel!) der verwinkelten Gassen schnuckelige weiß getünchte Häuser mit veritablen alten Sandsteinfassaden, man trifft schwatzende oder einfach nur auf kühlem Stein ausruhende Leute, man geht durch Torbögen und wird plötzlich geblendet, wenn sich die eher dunklen Gassen öffnen und den Blick zum Meer frei geben. Man könnte es ganz einfach formulieren: Es ist sehr, sehr schön in Ostuni!

SäulenheiligerAm Rande der Altstadt steht eine Säule. Obendrauf ein mir bis dahin unbekannter Heiliger, der es aber immerhin zum Schutzpatron von Ostuni gebracht hat: Der Heilige Sankt Orontius (Sant’Oronzo) errettete 1657 die Stadt vor der Pest – und was hat er nun davon? Er steht 21 hoch auf einer spätbarocken Säule und schaut sich das Treiben auf der Piazza Libertà an – ein stiller Teilhaber, sozusagen. Dabei geht unter ihm die Post ab: An den Ausgrabungsstellen treffen sich die alten Männer zum Reflektieren der tagespolitischen Ereignisse, nebenan in der Szenekneipe die jungen Mädels zum Gedankenaustausch über das Schöne, im Caffé sehen sich alle – ein Kommen und Gehen.

Taverna della GelosiaBei der Bummelei in der Altstadt von Ostuni kann man sich nicht wirklich verlaufen, denn „La Terra“ (wie dieser Teil der Stadt auch genannt wird) ist nahezu kreisförmig angelegt. Sehr angenehm. Auch angenehm ist die Vielfalt offensichtlich guter Restaurants. Wir konnten zwei testen – ein einfaches am Mittag und anderntags eins der besseren am Abend. Die „Taverna della Gelosia“ nennt sich schlicht eine Antipasteria – aber hinter diesem Wort steckt ein verführerisches Konzept. Die Chefin läuft ein wenig wie eine Diva herum und man denkt, sie sei der Impressario (die Impressaria?) eines Theaters. Aber: Es ist sehr geschmackvoll eingerichtet drinnen wie draußen im romantischen Hof zwischen zwei Höhenlinien des Ostuni-Gassensystems. Es schmeckte nicht exorbitant, aber gut: Vorspeisen (15 EU/Person, erst ab zwei Personen, also 30 EU Mindestumsatz). In Erinnerung bleibt das Soufflee mit Trüffel, frittierte Spinat-Käse-Kugeln, frittierte Zucchini. Später gab’s schwarze Orichietti (die Tinte!), grüne Spaghetti (Spinat und Kräuter!), beides sehr ordentlich. Der Service agierte etwas über-engagiert, wir fühlten uns beobachtet, und leere Teller wurden immer sofort unter der noch schwebenden Gabel weggeräumt.

Keine italienischen Gäste, sondern nur Urlauber – aber wir haben den Ex der Chefin kennen gelernt! Paolo kommt aus Norditalien und spricht (außer natürlich italienisch) deutsch, französisch, spanisch, englisch. Er hat im Norden ein wenig Geld gemacht und engagiert sich jetzt im Süden, indem er sein Geld in Immobilien anlegt. Wenn er sie alle so geschmackvoll restaurieren lässt wie die „Taverna“, dann soll er bitte weitermachen!

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