Massafra

Apulische Augenblicke (14)

Massafra

Apuliens Küste ist lang. Der italienische Stiefel ist aber kein Stöckelschuh, und so hat auch der apulische Hacken stattliche Ausmaße. Der größte Teil des Landes grenzt an die Adria, doch am Innenteil der Hacke ist es das Ionische Meer, das die Strände bespült. Io war übrigens eine Geliebte des Zeus, und Segler lieben das Meer wegen seiner steten ruhigen Winde – ob es da Zusammenhänge gibt, weiß ich nicht, weil ich Io zu wenig kenne.

Massafra liegt etwas oberhalb des Ionischen Meers, nicht weit von der Hafenstadt Tarent, an zwei Schluchten: Der größte Teil Massafras ist links und rechts der Gravina di San Marco erbaut, am Ortsausgang beginnt die vier Kilometer lange Gravina Principale, die 40 m tief und 30 bis 50 m breit ist.

MassafraNa und? Genau, nur Stadt an einer gravina, einer Schlucht zu sein, kann imposant sein, aber wo bleibt das Besondere? Hier kommt’s: Die Hochebene von Apulien, die Murgia, besteht aus Kalk – und der ist bekanntlich relativ leicht wasserlöslich. Ideale Voraussetzugen für eine Karstlandschaft mit Grotten und Schluchten! In Massafra haben wir beides: in den Wänden der Schluchten jede Menge Höhlen, davon rund 50 als Kirche genutzt. In diesen Höhlen lebten nicht nur die üblichen Verdächtigen (Hirten, Einsiedler), sondern auch Mönche auf der Flucht sowie Piraten und Invasoren (wahrscheinlich war auch ihr Beweggrund nicht der Reiz der Landschaft).

Die Mönche waren Flüchtlinge aus Kleinasien und dem Balkan, denen man dort die Ikonenmalerei verboten hatte. In den Höhlen von Massafra jedoch durften sie malen – und sie taten es! Sie malten die zu Grottenkirchen ausgebauten Höhlenkirchen aus – vergrößerte Ikonenmalerei sozusagen. Man kann die Höhlen besichtigen, allerdings nur bei Führungen. Die wiederum gibt es nur nach telefonischer Voranmeldung (die Initiative, die sich um die durch Witterung und Vandalismus zerstörten Höhlen kümmert, erreicht man im Touristenbüro) – nichts für Halbtagsspontanbesucher also.

LampendetailEs lohnt sich allerdings auch die Bummelei durch die Altstadt mit ihren Gassen und teils morbiden Häusern. Wie es sich für eine bedeutende Stadt in Apulien gehört, gibt es auch in Massafra ein Castello, und natürlich ist es ein normannisches. Es ist restauriert und wird genutzt: vom (als wir da waren geschlossenen) landwirtschaftlichen Museum Museo dell’olivio e del vino und von der Stadtbibliothek. Bevor wir dazu kamen, uns über besucherfeindliche Öffnungszeiten von Museen zu ärgern, erschien ein Mann am anderen Ende der Treppe und winkte uns heran. Er war offensichtlich der Bibliothekar, der uns alle Räume seines Bereichs aufschloss, damit wir von dort aus Fotos machen konnten! Das war mal wieder Balsam für unsere Seelen, denn derlei Freundlichkeit und (pardon für dieses banale Wortspiel) Aufgeschlossenheit hat man selten. Dabei kostet es nichts und bringt viel: Wir haben das Castello von Massafra in bester Erinnerung! La ringrazio, signor Bibliotecario!

Auf dem Rückweg zum Auto, das wir am Stadtrand geparkt hatten, stolperten wir auf der Suche nach einem Absacker zum Abschied von der Stadt in ein Viertel, das wir ohne diesen dringenden Wunsch verpasst hätten. Il Quartiere dei Santi Medici di Massafra, dem die heimische Kaufmannschaft noch das Attribut magico hinzufügt – irgendwie zu recht.

Quartiere dei Santi MediciWährend man im übrigen Massafra wunderbare Motive des Verfalls sehen kann, ist dieses Viertel komplett saniert: weiße Häuser, verwinkelte Treppen und Gassen – und eine Osteria! Die Türen zum „Il Basilico“ standen offen – wir also hinein. Da war aber keiner, aber man weiß sich ja bemerkbar zu machen. Es erschien: der Koch. Eigentlich sei ja geschlossen…

Il BasilicoUnd uneigentlich? Ob wir jeder ein Glas Wein bekommen könnten? Der Koch guckte, als ob er sich selbst fragen würde – und er entschied: Natürlich! Roten oder weißen? Noch bevor wir, angesichts der Temperatur, bianco sagen konnten, kam il patrone um die Ecke und sagte: Den Roten! Auf jeden Fall den Roten! Den nahmen wir dann auch. Zwei Euro wollte er haben, zusammen – so unverschämt wenig wie noch nie für einen wirklich sehr annehmbaren Nachmittagswein! Der Chef erklärte uns dann noch die Gewölbe im Felsen: Harter Felsen und Tuff bildeten das Gemäuer. Hier hätten wir gerne etwas gegessen (es gibt dort Antipasti, Pizza und die üblichen Primi und Secondi) – aber die offizielle Öffnungszeit ist 20.30 Uhr, und so lange wollten wir nicht warten (Via SS Medici, Tel. 328 0059116).

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