Wandern im Wald

Apulische Augenblicke (22)

Foresta Umbra

Als Wanderer hat man ganz andere Probleme denn als Schreiber. Ich fang mal mit dem Schreib-Problem an: Das riesige Naturschutzgebiet im Kern des Gargano heißt Foresta Umbra. Das ist, nicht verwunderlich in der Gegend, italienisch und, grammatikalisch gesehen, weiblich: Foresta heißt Wald, aber aus italienischer Sicht eben nicht der Wald, sondern die Wald. Umbra, entnehme ich der Vieste-Webseite, kann naheliegend Schatten bedeuten – oder auch den umbrischen Menschen meinen. Und wo ist das Problem? Mein Problem ist, dass nahezu alle deutschsprachigen Quellen „die Foresta Umbra“ schreiben, ich aber, weil es doch um den Wald geht, von nun an „der Foresta Umbra“ tippen werde.

Viel MoosSo, das wäre also geklärt. Gut, dass wir drüber gesprochen haben. Und was sind die Probleme des Wanderers? Die sind viel diffizilerer Natur. Die Gegend da ist nämlich eigentlich gar keine Wandergegend. Also, sie ist es schon ein bisschen, aber nicht wirklich dolle. Weswegen es zwar 52 offizielle Wanderführer durch den Park gibt, aber keinen vernünftigen Wanderführer in Buchform. Und die Karte, die sie im Informationszentrum des Nationalparks verkaufen, ist eine schöne bunte Lachnummer im Maßstab 1:25.000. Fünfzehn Touren sind da (italienisch und englisch, immerhin) andeutungsweise beschrieben, wobei hauptsächlich die Parkplätze von Start und Ziel und die mutmaßliche Dauer angegeben sind, was ja nicht sehr viel ist.

Regenwald-ErinnerungSo richtig doof ist allerdings, dass die eingezeichneten Wege nur eine kleine Auswahl der tatsächlichen Wege zeigt. Die Karte hat pädagogischen Dünkel und ist so etwas wie eine „für die Jugend bearbeitete“ Ausgabe von Büchern – in denen dann die wirklich spannenden Teile fehlen: Foresta Umbra, für doofe Touris bearbeitete Ausgabe. Diese verrückte Idee war bei der ersten unserer beiden Wanderungen nicht weiter hinderlich – bei der zweiten hingegen führte die falsche Karte dazu, dass wir in weiten Teilen komplett anders liefen als vorgesehen. Aber: Wir befanden uns auf Wanderwegen – auf alten, ausgedienten. Sie waren noch leidlich beschildert, ein wenig Orientierungssinn und einige Fixpunkte auf der hübsch geschönten Nationalparkkarte lieferten den Rest: Das war dann völlig unerwartet eine richtig schöne Tour!

Für die erste Begegnung mit einem kleinen Teil des etwas über 10.000 Hektar großen Nationalparks wählten wir den Einstieg unweit vom Besucherzentrum. „Falascone“ heißt der Punkt, eine nette Grillstation für Sonntagsbesucher ohne große Lauflust (Entfernung zum Parkplatz: etwa 50 Meter). Sonntags ist es im Sommer hier rappelvoll: Die Italiener bevorzugen die deutlich kühlere Luft im meist über 700 Meter hohen Buchenwald und machen es sich dann am Grillfeuer gemütlich.

RastplatzDie gut ausgeschilderte Tour 7 Richtung Laghetto d’Umbra stellte sich als extrem schlendrig heraus, so dass wir an der nächstbesten Kreuzung nach rechts in die Tour 9 zur Caserma Murgia abbogen. Auch keine Herausforderung, sondern eher ein gemütlicher Spaziergang. Das Gebäude sah aus wie ein altes Forsthaus. Wie es so mitten im Buchen-Urwald plötzlich „da“ war: das war dann doch eine Überraschung. Die Caserma Murgia war nicht bewohnt, aber offensichtlich ab und an noch genutzt. Wir machten es uns draußen gemütlich: Tisch und Bänke luden zur Brotzeit ein!

SteintreppeDie gekaufte Karte war an dieser Stelle dann doch nicht so unnütz, da wir munter weitere Teilstrecken zu unserem ad-hoc-Wanderweg machten: Von der Caserma Murgia folgten wir der Tour elf und ließen uns, als „die elf“ uns nicht mehr weiter brachte im Rundweggedanken, nahtlos in Tour zehn gleiten. Ein gefährlicher Weg, ein höchst gefährlicher sogar: Der Weg war nämlich immer wieder garniert mit riesigen Fladen mehr oder minder frisch verdauter Masse. Die frischen Fladen waren ungefährlich: Wer da rein tritt, hat nicht aufgepasst. Aber die schon ausgehärteten – waren es oft gar nicht. Außen kross und innen weich – das kann einen Wandersmann ganz schön stinkig machen! Anders als die reichlich sich hier labenden Mistkäfer genossen wir den Fladenkot der Wildschweine kein bisschen. Manchmal fragten wir uns, ob es vielleicht gar keine Wildschweine waren, die sich da ausgeschissen hatten, sondern Dinosaurier. Der Menge wegen…

Rundgang 10 führte uns (immer ausgeschildert, nett nett!) via Coppa Pasqualone (780 Meter) und Coppa Croci (803 Meter) zurück in die Nähe der Caserma Murgia. Via Tour 8 wanderten wir wieder Richtung Falascone (751 Meter), begleitet nur von vielfältigem Vogelgezwitscher. Touristen sahen wir nicht – Füchse und Wildscheine auch nicht, jedenfalls nicht direkt.

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