Die vierte Brücke

Venezianische Impressionen (13)

Die Bilder für diesen Beitrag waren auf der Plattform Ipernity gehostet und wurden dort gelöscht.
Wir sind dabei, die Fotos neu einzubinden, aber das kann etwas dauern – sorry.

Ponte della Costituzione

Über Brücken kann man gehen, aber auch trefflich streiten – wir in Dresden wissen das sehr wohl, sind aber keineswegs allein mit dem Brückenstreit. In Venedig, der an Brücken weiß Gott nicht armen Stadt, hatte man 1999 beschlossen, den Canal Grande mit einem vierten Bauwerk zu überspannen. Man gewann mit dem Spanier Santiago Calatrava einen der vorzüglichsten Brückenbauer unserer Zeit (die Wikipedia nennt ihn „Architekt, Bauingenieur und Künstler“). Calatravas Entwurf war, wie nicht anders zu erwarten, ein wenig unvenezianisch. Streng genommen hat er gar nichts vom alten Venedig – außer vielleicht ein paar Anklänge in den Materialien Kupfer und (istrischer) Stein. Aber die Gesamtwirkung kommt doch von anderen Dingen – beispielsweise dem verbauten Glas (Geländer und sogar die Stufen sind on top of the bridge aus Verbundglas – insgesamt stecken 56 Tonnen Glas in der Brücke!). Oder im Schwung, der in der Brücke steckt: Sie ist unterschiedlich breit – unten an den Ufern 5,58 Meter, in der Mitte 9,38 Meter.

Ponte della CostituzioneGerade weil die Brücke so leicht und schwungvoll wirkt, passt sie tatsächlich nicht zu den anderen. Aber an dieser Stelle ist Venedig sowieso nicht sehr traditionsreich: Der Piazzale Roma ist so ziemlich das Hässlichste, was die Stadt zu bieten hat, ein Busbahnhof, von dem man nur eins will: schnell weg. Und das geht – entweder mit den Bussen aufs Land (und zum Flughafen) oder mit den Booten der ACTV durch die Kanäle Venedigs. Drei kleinere Brücken ermöglichten auch Fußgängern die Flucht vom unansehnlichen Piazzale Roma hinüber in den netteren Teil von S. Croce und weiter zum Rialto oder nach San Marco. Und wer nach Cannaregio wollte, war auch schnell da: Gleich hinterm Bahnhof (dem für Züge) gibt’s die Ponte degli Scalzi über den Canal Grande. Statt bislang zwei braucht man nun also nur noch eine Brücke, um vom einen zum anderen Bahnhof zu kommen: Die Ponte della Costituzione. Aber wer will schon mit dem Bus ankommen und mit der Bahn gleich wieder abfahren? Die 94 Meter lange und an höchster Stelle 9,28 Meter hohe Brücke wurde nach fünfjähriger Bauzeit am Abend des 11. September 2008 quasi in aller Stille der Öffentlichkeit übergeben – auch ein Zeichen für die Unbeliebtheit des Bauwerks. Dabei ist es wirklich eine optische Bereicherung für die Stadt – und auch die heute alten Brücken waren zu ihrer Zeit modern und meist nicht unumstritten.

Ponte della CostituzioneWie schon erwähnt, sind die Stufen teils aus Glas. Dennoch kann man von oben nicht runter sehen – aber von unten sieht man die schemenhaft vorüber huschenden Brückengänger. Rutschig ist es auch nicht auf dem Glas – wir hatten ja eigens Regen bestellt, um den Glitschtest zu machen… Von der Brücke hat man – das ist ja ein bei umstrittenen Brücken gerne vernachlässigter Teil der Argumentation – einen schönen Blick auf den Canal Grande. Bei Dunkelheit beleuchten fluoreszierende Lampen den Handlauf und die Stufen. Das ergibt ein schönes Bild – Fotografen sollten also keineswegs ihr Stativ vergessen! Aus der Entfernung sieht das so elegant aus wie aus der Nähe. Wenn man weiter weg ist und Richtung Piazzale Roma sieht, wünschte man sich die Brücke des Herrn Calatrava allerdings gerne etwas weniger schlank – denn so verdeckt sie kaum das hell erleuchtete Grauen der Platzmoderne…

Hinterlasse jetzt einen Kommentar

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*