Bosa (2)

Geschichten aus Sardinien (16)

Bosa

Passegiata heißt das Ritual des Extremherumschlenderns am frühen Abend, dem in Italien wahrscheinlich alles, was laufen kann, frönt. Den abendlichen Bummel erlebten wir in Bosa in halbherziger Ausführung, denn der Corso Vittorio Emanuele II wurde von der polizia nur sehr unentschlossen für den Autoverkehr gesperrt. Aber die Leute von Bosa haben ja neben der kopfsteingepflasterten Einkaufsstraße noch die eine oder andere Piazza, bei denen es eh keine Autos gibt, sondern ausreichend Platz für Kinder, Köter, Quasselclubs.

FassadeBeim abendlichen Bummel ist die ganze Stadt das Wohnzimmer für die Leute – oder vielleicht doch besser die Kneipe, in der man sich trifft. Das zwanglose Miteinander schafft immer wieder eine nette Atmosphäre, die untergehende Sonne steuert das Ihre bei, diese Stunden des Tages zu ganz besonderen zu machen. Der Corso Vittorio Emanuele II bekommt eigentlich immer wenig Sonne ab, was in heißen Regionen ja durchaus erwünscht ist. Während unseres Aufenthalts signalisierte die gerade in die Straße scheinende Sonne den Beginn der Passegiata – ein nettes Arrangement!

BankWir beginnen unseren Bummel am östlichen Ende des Corso – aus dem ergreifenden Grund, dass dort unsere Ferienwohnung liegt. Auch wenn sie das nicht täte, wäre das ein guter Start, weil es hier Parkplätze gibt und man sich die Stadt nett erläuft. Der untergehenden Sonne entgegen mühen wir uns über fettes Kopfsteinpflaster oder nutzen die für stoßdämpferarme Kutschen gedachten breiten Steinplatten, die heute noch Autofahrern mit richtiger Spurweite ihrer Kutschen Freude bereiten.

KathedraleErste Station links ist die Kathedrale. Läuft man von außen vorbei, ist sie unscheinbar, geht man rein, ist sie wunderbar. Also: Reingehen! 1809 wurde die Cattedrale dell’Immacolata Concezione geweiht – an einem Platz, auf dem seit dem 12. Jahrhundert Gotteshäuser standen. Das Kirchenschiff bietet viel Platz nach oben – und der Blick eben dahin wird belohnt mit einem sehr faszinierenden Anblick. Von außen – hätte man so ein großes Gewölbe mit feiner Struktur und Gemälden nicht erwartet. Tage später, bei einer Wanderung zur Burg hinauf, werden wir die Kathedrale erstmals aus der Vogelperspektive erfassen – mit zwei Kuppeln und einem gedrungen wirkenden roten Sandstein-Turm bietet sie aus dieser Perspektive ein eher ungeordnetes Durcheinander.

Hinter der TürZurück zum Corso, der wahrlich nicht breit ist. Die Häuser zur Linken wie zur Rechten sind imposant, viele haben kleine Balkons mit schmiedeeisernen Gittern. Das Bild trägt nicht unwesentlich zum mächtigen Eindruck bei, den Bosa hinterlässt. Herrschaftliche Häuser waren das offensichtlich alle einmal – einige sind es wieder, andere werden gerade renoviert, wieder andere warten offensichtlich noch darauf, von einem Investor wach geküsst zu werden. Wenn eine Tür offen steht, lohnt es sich, den Kopf einmal da rein zu stecken: Aufwendige Deckenbemalung! Prächtige Aufgänge im lichten Innenhof! Hier muss man mal sehr sehr reich gewesen sein, um so zu bauen.

Die Geschäfte in den Häusern sind von der kleinen netten Art, wie man sie bei uns kaum noch antrifft: Fisch, Gemüse, Fleisch und Wurst – ein Mann, seine Frau, das war’s. Das Einkaufen hier macht Spaß, weil man – auch ohne allzu große Sprachkenntnisse! – wunderbar kommunizieren kann. Und weil dort beim Bezahlen auch schon mal abgerundet wird zum Wohle des Kunden. Einmal, als wir mit einem 50-Euro-Schein den Fisch bezahlen wollten und die Verkäuferin das nicht wechseln konnte, fragte sie nach unserem Kleingeld. Wir kippten aus, was wir mit hatten – sie zählte nach und meinte: Zwar zu wenig, aber OK! So etwas ist mir in Dresden noch nie passiert!

Ristorante Borgo San IgnazioDie Restaurant-Situation in Bosa ist im Mai eher mager. Es gibt entlang des Corso das eine oder andere Lokal, aber manche Karte las sich arg touristisch (vornehm für: Schlechtes muss nicht preiswert sein!). Wir folgten eher intuitiv beharrlich einem Schild, das von vielen Punkten des Zentrums weg wies – und wurden nicht enttäuscht: Im Ristorante Borgo San Ignazio wird halbwegs authentische sardische Küche gepflegt. Billig ist es nicht, zu teuer auch nicht – es hat geschmeckt, die Bedienung war nett – und übers Ambiente im kuscheligen Gewölbe mit den hellen Lampen gibt es nichts zu sagen außer: so ist das in Italien – passt schon [Via S. Ignazio 33, 08013 Bosa, Tel. 0785374129]!

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