Wo das Einfache richtig gut ist

Sächsisch-Regionales im Burghotel Stolpen

Burghotel Stolpen

Nach Stolpen fährt man ja gerne immer wieder mal wegen der Burg. Auch wenn Ferien sind, kann man da eine Menge lernen – vom Basalt (25 Millionen Jahre alt und vulkanischen Ursprungs, tolle Form mit den Säulen!) bis zum Schicksal der Gräfin Cosel, die hier nach ihrer kurzen und intensiven Liebschaft mit August dem Starken gefangen gehalten wurde (sie war, wenn man das so flapsig sagen darf, zu schlau und emanzipiert, das sahen die Männer um sie herum nicht gerne. Außerdem wollte August König von Polen werden und brauchte dafür unter anderem eine neue Religion und eine neue Frau). Im Winter 1716, die Cosel war damals 36, kam sie nach Stolpen und sollte sie 49 Jahre bis zu ihrem Tod nicht mehr verlassen. Im Johannisturm der Burg kann man ihre Wohnstatt erleben. Natürlich gibt’s auf der Burg noch viel mehr zu sehen, unter anderem den Burggeist Basaltus – wenn man Glück hat (ja, Glück, denn er ist ein lieber Geist). Nun haben es gute Geister ja so an sich, dass sie ein wenig herumschwurbeln und nicht immer da sichtbar sind, wo man sie erwartet. Einen fanden wir beispielsweise vor der Burg, im Burghotel Stolpen. Wir hatten es nicht unbedingt erwartet, denn das Haus liegt touristisch optimal, denn wer hat noch nicht erlebt, dass so etwas schon mal den Charakter der Höflichkeit verdirbt. Aber manche Vor-Urteile wirft man ja gerne über den Haufen.

Im Innenbereich gibt es mehrere Restaurants – hier können bei Bedarf ganze Busgesellschaften verköstigt werden. Bei unserem Besuch war der Wintergarten verhalten leer, so dass man sich leicht verloren hätte vorkommen können. Aber es war einer dieser lauen Sommerabende, also zog es uns auf den Balkon. Dort war zwar nicht so fein eingedeckt wie drinnen, aber trotz plasteblauer Rutschstopperdecke letztlich jeder Tisch besetzt. Kein Wunder, der Ausblick ins Land ist traumhaft!

Die Karte des Hauses ist nahezu durchgängig zweisprachig: Sächsisch und hochdeutsch. Das liest sich lustig und setzt auch gleich den Rahmen für das, was da kommen sollte: Nichts Überkandideltes, sondern eher deftig-ehrliche Hausmannskost. Konsequenterweise haben die meisten Angebote auch regionale Wurzeln, was leider viel zu selten vorkommt. Kleine Ausreißer gab es, aber warum denn auch nicht, denn die Produkte für eine Bruschedda sind bis aufs Olivenöl ja auch in Sachsen heimisch. Geschmacklich war der Appetitmacher übrigens auch mehr eine Bruschedda als eine Bruschetta!

Aus der saisonalen Sonderkarte bestellten wir ein Matjestatar auf Kartoffelpuffer – auch nicht “von hier”, aber durchaus passend. Nein, mehr noch: richtig gut war das, mit sehr krossem Kartoffelpuffer und fein gekräutertem und mit saurer Sahne verfeinertem Tatar. Einfaches kann, richtig gemacht, richtig gut sein!

Die beiden Vorspeisen geben übrigens Anlass einmal aufzuschreiben, warum uns die Bedienung als so überaus guter Geist erschien. Denn peinlicherweise summte nach der Bestellung das lautlos eingestellte Mobiltelefon – und es entwickelte sich ein etwas längeres Gespräch, das – um keinen zu stören – außerhalb des Gastbereichs vor dem Haus geführt wurde. Sowas lieben Küche und Kellner nicht wirklich – aber in diesem Fall sorgte die dezente Beobachtung auf Distanz dafür, dass mit Beendigung des Gesprächs das Essen gebracht wurde. Eine Kleinigkeit, gewiss. Aber genau die machen in der Summe den Unterschied (und das “Puh, noch etwas länger und es wäre zu braun geworden!” kam herzerfrischend fröhlich und nicht vorwurfsvoll).

“Defdsches zum sadd wern” verspricht die Karte, und sie verspricht nicht zuviel. Das “Schnidzel wie’s Wiener essen dun” musste, weil sonst den Tellerrand zu doll überlappend, zweigeteilt werden, es wurde übereinander serviert (und war optisch immer noch groß!). Die Fleischqualität des Kalbs war bestens, die Panade prima und die statt Pommes bestellten Bratkartoffeln vorzüglich (kross und nicht vor Fett triefend, und von einer geschmackvollen Kartoffel obendrein). Gebratene Perlhuhnbrust mit schwarzen Pestonudeln und Marktgemüse (auf der Karte als “Bundes Federvieh” annonciert) gefiel wegen erfreulich saftigen Fleisches und missfiel ein wenig, weil die schwarzen Nudeln kaum Pesto gesehen hatten und obendrein schnell kalt wurden (wie das so die Art von Nudeln ist, die draußen serviert werden). Da könnten wir uns ein schönes Kartoffelstampf viel passender vorstellen!

Burghotel Stolpen
Schlossstraße 12
01833 Stolpen
Telefon: 035973 29900
http://www.burghotel-stolpen.de

[Besucht am 08.07.2011 | Veröffentlicht am 21.07.2011 in PluSZ, Beilage der Sächsischen Zeitung  | Zur Karte der hier besprochenen Restaurants in Dresden und Umgebung]

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