Besser als in den guten, alten Zeiten

DDR-Buffet im Radebeuler “Seventies” weckt Erinnerungen aufs Allerfeinste

Eine Zeitreise...

Er, hier geboren, zu Ihr: “Wollen wir heute Abend mal zu einem Abend mit DDR-Buffet?” Sie (in Westfalen geboren und aufgewachsen) zu Ihm: “Was gibt’s denn da?” Er, augenzwinkernd: “Von allem zu wenig!”

Ja wenn das so ist – dann mal hin: Wir waren zu Viert im Seventies, das in Radebeul gleich neben dem DDR-Museum mit Mobiliar im Stil längst überwunden geglaubter Jahre auf Gäste wartet, denen augenflickerlila und knallorange überall innen und außen (beim Werbe-Wartburg vor der Tür) nicht weh tun.

Wir wurden platziert! An einem runden Tisch mit Abenteuerstühlen, deren Lehnen wohl vor Jahrzehnten futuristisch genannt werden wollten. Lustig, und gar nicht mal unbequem! Wir lehnten uns also zurück und schlürften die Bowle, die zur Begrüßung dieses “All-inclusive-Abends” gereicht wird – wobei das natürlich ein Begriff aus der Jetztzeit ist. Die Bowle vermochte es nicht, uns zwanzig Jahre mindestens zurückzuversetzen, also nahmen wir Abstand vom Angebot, für vier Euro fuffzich (über 30 Ostmark!) pro Person einen Flatratetrinkerabend zu veranstalten.

Das Buffet enttäuschte den eingangs zitierten skeptischen Ossi: Es war von allem da! Zur großen Freude von allen gab es diese netten Mitropa-Teller mit der praktischen Facheinteilung. Wir nahmen nie reichlich, dafür aber oft. Eingangs natürlich gleich mal eine tote Oma, natürlich mit Sauerkraut. Schmeckte (sagten die, die sowas mögen). Danach eine Soljanka, natürlich mit Zitronenschnitz und saurer Sahne. Schmeckte (sagten alle).

Das Graubrot, das wir uns zur Vorspeise (gefülltes Schinkenröllchen, dazu Rohkost aus Rotkraut- und Möhrenstiften) nahmen, war an den Rändern gewellt. “Wie damals!” freuten sich die beiden Hiesigen. Die von drüben meinten: Ist doch normal, wenn das da so rumliegt – und hatten mal wieder nichts verstanden. Was natürlich erst recht fürs Jägerschnitzel galt. Denn was dem Kölner sein “Halve Hahn” ist dem Dresdner sein Jägerschnitzel: Touristenirreführung mit schelmischem Lachen. (Für die, die noch nie im Westen aßen: Dort ist ein Jägerschnitzel ein Schweineschnitzel mit Pilzen.) Das vom Buffet war außen kross und innen ein sehr ordentliches Stück Jagdwurst, gut paniert und schön kross gebraten. Im Mischgemüse freilich fanden wir dekadent viel Blumenkohl, aber keine Erbsen!

Geht noch was? Na klar: Der Goldbroiler, unbestrittener Höhepunkt – und auch der war zur großen Freude gut gelungen: Das Fleisch zart und nicht totgegart, die Haut kross. Wobei wir pünktlich um 18 Uhr begonnen hatten und das Buffet bis 22 Uhr steht. Ob die lange Bereitstellung aus dem Broiler einen Gummiadler machte, haben wir nicht getestet – die Gefahr besteht ja bei jedem Buffet, das nicht von den werktätigen Massen gestürmt wird, sondern verhalten besucht ist. Statt dessen ließen sich die beiden Einheimischen zu Schenkelklopfern und Quietschlauten hinreißen, denn zum Dessert tritt auf: Rote Grütze von Komet. Hauptsächlich Gries und Farbstoff, aber laut Packung kann sie sogar Spuren von Schalenfrüchten enthalten…

Seventies
Wasastr. 50
01445 Radebeul
Tel. 0351 / 835 1777
http://www.70-dresden.de

Geöffnet täglich ab 11 Uhr
DDR-Buffet: Donnerstags 18-22 Uhr

[Besucht am 21.07.2011 | Veröffentlicht am 04.08.2011 in PluSZ, Beilage der Sächsischen Zeitung |Lage | Zur Karte der hier besprochenen Restaurants in Dresden und Umgebung]

Hinterlasse jetzt einen Kommentar

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*