Immer mehr als einen Wein

Versuch, das Phänomen Wein | Kultur | Bar in Dresden Striesen zu beschreiben

WeinKulturBar

Manchmal lohnt es sich zu planen: Für Spontanbesuche ist die Wein | Kultur | Bar von Silvio Nitzsche zumindest am Wochenende nämlich nicht geeignet: Das Reservierungsbuch ist auf Monate hinaus gut gefüllt. Es gibt Ausnahmen: Wenn es Sommer ist und unverhofft gutes Wetter … dann findet sich manchmal auch spontan draußen noch ein Plätzchen. Oder wenn gar kein Wochenende ist und man auch nur zu zweit kommt – da geht’s manchmal schon. Allerdings kann keiner so schön „Tut mir leid!“ sagen wie Silvio Nitzsche, weswegen man zwar traurig geht, aber nicht missmutig.

Damit wäre aber auch gleich zu Beginn schon alles gesagt, was einem keine Freude bereiten kann an diesem Ort fröhlichen und kulturvollen Genießens! Nicht ohne Grund ist die kleine Weinbar (ich habe nie gezählt, aber ich schätze sie mal auf höchstens 20 Plätze) in einem Eckhaus im Dresdner Genuss-Stadtteil Striesen von der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung Anfang 2010 zur Weinbar des Jahres gekürt worden.

20 Plätze – das klingt nach verdammt wenig. Ist es auch – aber mehr dürften es gar nicht sein, denn Silvio Nizsche kümmert sich intensiv um seine Gäste. Und nur weil es ein Eckhaus ist, ist die WeinKulturBar noch längst keine Eckkneipe! Der Gast kann wählen aus einem über 200 Seiten dicken Buch, in dem rund tausend Weine verzeichnet sind. Im Grunde genommen etwas für Abstinenzler, denn vor lauter Lesen kommt man ja nicht zum Bestellen. Also gibt es eine täglich wechselnde kleine grüne Karte, in der Weinempfehlungen stehen: Das ist schon mal eine Auswahl, auf die man sich verlassen kann. Oder man bittet den Gastgeber, einfach zu bringen, was er für gut hält. Der erkundigt sich dann noch nach Vorlieben, Antipathien und sonstigen Gemütszuständen, die den Trinkgenuss beeinflussen können – und bringt immer mehr als einen Wein.

Bis der kommt, ist es allerdings nicht leer auf dem Tisch: Ein bis drei hervorragende Olivenöle, vier Gläser mit Salz, vier Schälchen mit Snacks (Oliven, Kapern und derlei Dinge), Balsamessig, dazu Brot. Alles von der Art, dass man sich am liebsten reinsetzen würde (was man natürlich nicht tut, weil es ja nicht schicklich ist und obendrein eine gewisse sportliche Akrobatik voraussetzen würde). Eine wunderbare Grundlage für die Weine, die da kommen werden…

…und dann auch präsentiert werden: Wie gesagt, bei unserer lockeren Bestellart kommt Silvio Nitzsche gerne mal mit zwei Flaschen in der Hand – zumal wir auf die Frage „einer, der Vergnügen bereitet oder einer, der außergewöhnlich ist?“ uns gerne mit dem Außergewöhnlichen anlegen. Das sind manchmal schon verwegene Gesellen – aber mit denen einen Teil des Abends verbringen zu dürfen, kann schon ein merkenswertes Vergnügen werden. Die Weine gibt’s offen im 0,1 l Glas, und natürlich darf man vorher probieren. Endlich mal ein Ort, wo diese Zeremonie nicht leer ist, sondern sinnvoll – weiß man doch oft gar nicht, was auf einen zukommt. Aber auf diese Weise geraten Abende in der WeinKulturBar zu einer vinophilen Lektion, die doppelt genussvoll ist: Einmal weiß der Herr Nitzsche, der in einem früheren Leben sicher einmal ein Wein-Lexikon war, immer sehr angenehm zu informieren – ach, was heißt hier angenehm: Er sprüht vor Begeisterung, er erzählt dies und das, stellt Zusammenhänge her, macht auf Details und Geschmacksnuancen aufmerksam. Man merkt: Hier gibt einer der begnadetsten Sommeliers der Republik (Nitzsche war fünf Jahre Sommelier beim 3-Sterne-Koch Dieter Müller) sein Wissen weiter. Und dann lässt er den Gast mit seinem Glas allein, auf dass der dann den zweiten Genuss erlebt: Den Wein zu trinken. Lebenslanges Lernen, wer mag es bestreiten, ist eine tolle Sache!

An dieser Stelle kommt das dicke Buch, das sich bescheiden Wein-Liste nennt, wieder ins Spiel. Wir haben zwar noch nie daraus bestellt, aber immer wieder gerne drin gelesen. Es lohnt sich, denn neben den Weinen (und Kaffees, Schokoladen, Tees, die es auch gibt hier) finden sich darin eine Menge bemerkenswerter und manchmal auch sehr lustiger Ideen. Zum Beispiel die Sache mit dem Taxi, das Nitzsche all denen empfiehlt, die intensiv studiert haben an so einem Abend. Zehn Prozent der WeinKulturBar-Rechnung übernimmt er für die Taxifahrt. (Wir nutzen den Service nie: Direkt vor seiner wie auch vor unserer Haustür gibt es eine Haltestelle der Dresdner Verkehrsbetriebe!) Oder die Seite, in der von ganz exklusiven Angeboten die Rede ist (uns gefällt besonders die Kategorie „Um jeden Preis“, wo es für 4,44 Euro eine Flasche gibt, zu der es heißt: „Schön, dass Sie den trinken, ich würde es nicht.“ Ich glaube, diesen „äußerst fragwürdigen Tropfen“ muss ich mal bestellen beim nächsten Besuch!

Die WeinKulturBar ist allerdings nicht nur the home of your Lieblingswein (steht so in der Karte!), sondern immer mehr auch home of your Lieblingskäse. Denn was Silvio Nitzsche dem Wein, ist Jana Weiske für den Käse. Aus bis zu hundert verschiedenen Sorten (Kuh, Schaf, Ziege) stellt die „Käsebeauftragte des Hauses“ nun schon seit drei Jahren mit Erfahrung und Leidenschaft individuelle Teller zusammen. Serviert werden sie mit aufregend komponierten Begleitern (wie beispielsweise Rote Beete in Pfefferminz, Kirschen in Eierlikör und andere unglaubliche Kombinationen), die – Probieren ist hier mal wieder Studieren – aber die Geschmacksnuancen der Rohmilchkäse aufs Bezauberndste unterstützen. Und wenn die Käseplatte (kleine Portion mit 4-6 Stück 7,50 Euro, mittlere Portion mit 8-10 Stück 13 Euro, große Platte mit 20 Stück 25 Euro) an den Tisch kommt, werden die einzelnen Sorten genau so kenntnisreich vorgestellt wie die Weine.

PS: Die Weine, die man dort trinken kann, kann man auch als Flasche kaufen und zu Hause trinken. Und den Käse portionsweise mitnehmen. Kann auch ganz schön sein…

WEIN | KULTUR | BAR
Wittenberger Str. 86
01277 Dresden Striesen

Tel.: 0351/3157917
www.weinkulturbar.de

Geöffnet
Dienstag bis Samstag 15.00 bis mindestens 23.00 Uhr
Reservierung, auch langfristig, dringend empfohlen

[Besucht am 30. März 2012 | Zur Karte der hier besprochenen Restaurants in Dresden und Umgebung]

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