Sieben Köstlichkeiten

Auch de Stuff is zu!

Eins muss man dem Maritim Königswinter ja lassen: Man kann sich toll überraschen lassen. Wir waren an zwei Abenden in Familje im „exquisiten Restaurant Rheinterrassen“ (Zitat aus dem Prospekt Gusto, der im Zimmer lag) und in heiterster Stimmung: Lange nicht gesehen in dieser Zusammensetzung, viel zu erzählen, zu feiern gab’s am einen Abend auch was. Beste Voraussetzungen also. Und eigentlich sollte das ja auch alles privat sein und bleiben, aber dann gab es in der Summe doch reichlich Erlebnisse, die nicht zu vergessen und weiterzugeben sich lohnen. Die sowohl im Prospekt wie auch auf der Internetseite heute noch beworbene „Rhein’sche Stuff“ wäre ein Kandidat für den ersten Abend gewesen, ist aber geschlossen und reiht sich in unsere frühen atmosphärischen Königswinter-Erfahrungen ein. [Man könnte ja mal im Netz die Speisekarte rausnehmen und einen Hinweis auf die Nichtverfügbarkeit der „regionalen Köstlichkeiten in rustikalem Ambiente“ (Web-Werbetext) einfügen.]

TomateDie erste Überraschung erlebten wir mit dem Amuse Geule am ersten Abend. In einer Schüssel, die im Haus eine Mehrzweckwaffe zu sein scheint (wir erhielten später einen Krabbencocktail und noch später eine Crème brûlée aus dem gleichen Modell), lag etwas verloren eine quasi-naturelle geköpfte Cocktailtomate mit wänzigen Stöckchen von Mozarella, die von einem Petersilienzweiglein bekrönt waren. Das hat mir ein Lächeln aufs Gesicht gezaubert, und ich freute mich auf einen schönen Abend!

FischÜberraschung zwei präsentierte sich bei der Frau Freundin beim Hauptgang. Statt dreierlei Fisch mit Muscheln von der saisonalen Karte Vive la Provence! erhielt sie ein Zwischengericht der Standardkarte. Rotbarbe und Jacobsmuschel auf Safranrisotto und gebackenem Spargel an Champagnerschaum war naturgemäß klein portioniert und sah gar nicht nach dem Bestellten aus. Leicht errötend frug die Liebste mich, ob sie wirklich so dick sei, dass sie nichts Ordentliches mehr bekäme?, und als ich vehement abstritt, wandte sie sich an die Bedienung. Ja, sie habe sich auch schon gewundert, da habe die Küche wohl was falsch verstanden! Na, von wegen Küche, jede Wette: Das war falsch gebongt und richtig an den Pass gestellt! Da wir schon einige Zeit gewartet hatten, fiel eine Umbestellung (wieso um? richtig!) aus, also gab’s die Bitte nach Nachlieferung vom einen oder anderen der hier fehlenden Fische. Was kam? Nochmal Rotbarbe und Jacobsmuschel. Na nichtgut (es hat aber geschmeckt, und wurde auch fair berechnet).

Drei SherryÜberraschung drei ereilte uns am Feier-Abend. Wir waren acht Leute, mithin von der Zahl überschaubar. Wir bestellten acht Sherry (darunter zwei halbtrockene). Es kamen sieben Sherry in drei verschiedenen Glassorten. Ich erhielt den fehlenden achten in einem Schladerer-Glas. Tres chic! „Sind wohl nicht genug Gläser da, weswegen nur sieben Sherry kamen!“ scherzte ich zur Nachbarin. Genau so sei es, mischte sich die Bedienung ein und fand das wohl lustig.

ClochenÜberraschung vier war eigentlich keine, weil wir das vom Vorabend schon kannten: Clochen-Service. Wann war das nochmal beieindruckend-modern? Im 19. Jahrhundert oder in den wirtschaftswunderbundesrepublikanischen 60ern? Egal, die Clochen verfehlten ihre Wirkung nicht: Großes Hallo und große Freude bei allen Beteiligten, lediglich die Scheiben vom im Ganzen gebratenen Rinderfilet hatten unter dem Mikroklima unter der Glocke gelitten und den Charme des ursprünglich trefflich medium Gegarten verloren. Ein leichtes Grauen überzog die Scheiben wie die Genießer am Tisch. Vergeblich suchten wir auch die auf der Menükarte annoncierten gebratenen Pilze und machten dafür einen fünften Strich auf der Überraschungsliste. Im äußerst minimalistischen Gemüseallerlei hatten sie sich allerdings nicht versteckt. (Die deutsche Wikipedia nennt das Abdeckhäubchen übrigens nicht Cloche, sondern Glosche).

DessertÜberraschung sechs ereilte uns beim Dessert. Der Bestandteil Bailey’s Crème Brûlée in der Dessertvariation war eine sehr lustige Variante des Klassikers. Die gebrannte Crème (so die deutsche Übersetzung des Begriffs) hatte nämlich garantiert keine Hitze gesehen. Wir fanden’s zum Brüllen und fragten uns obendrein, wo der Bailey’s geblieben sein mag? Herausgeschmeckt haben wir ihn jedenfalls nicht. Aber immerhin schloss sich mit der Schälchenform der Kreis zum Amuse Geule am ersten Abend…

MetaxaAch, es war ein schöner Abend! Die Weinkarte des Hauses ist ganz ordentlich, die hier nicht erwähnten Gänge bereiteten uns teils große Freude. Also nahmen wir die beschriebenen Überraschungen als Gelegenheit für gute Gespräche hin, die wir nach Beendigung des Abends bei einem Absacker (auch so ein Wort, über das man mal nachdenken und schreiben sollte!) in der Piano-Bar fortführten. Wir entdeckten einen Metaxa, den wir zu Ehren des stellvertretenden Bürgermeisters von Königswinter (ein geborener Grieche, der seit über 30 Jahren in Königswinter-Eudenbach lebt und dort mein Nachbar war) tranken. Die erste Runde erhielten wir noch in Cognac-Schwenkern (was hätten wir uns gefreut, wenn die vorgewärmt gewesen wären!). Bei der zweiten Runde lernten wir, dass es noch stilvoller gehen kann: Es gab Metaxa aus Ramazzotti-Gläsern.

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