Küstenwanderung zum Torre di Chia

Küstenwanderung Costa del Sud

Wanderführerautoren sind auch nur Menschen, die – den Verdacht hege ich manchmal – intelligent voneinander abschreiben. Hier noch ein Schlenker in die Tour, manchmal geht aber auch der eine so und der andere andersherum. Den Weg entlang der Küste zwischen Sa Perda Longa und Chia beschreiben Walter Iversen und Elisabeth van de Wetering im Rother Wanderführer (5. Auflage 2010, Tour 60) in eben dieser und Sandra Lietze im Sardinien MM-Wandern (1. Auflage 2009, Tour 22) in entgegengesetzter Richtung. Wir gingen fast wie die Rothers und stellten fest: man braucht im Prinzip weder den einen noch den anderen Wanderführer für diese Strecke, da der Weg nahezu selbsterklärend ist: Immer am Meer entlang.

Isola RossaDie Nacht zuvor hatte es ordentlich gewittert, was die Luft sehr klar gemacht hatte. Restwölkchen kumulierten fotogen am Himmel – eine Tour, die sehr sehr fotointensiv ist. Aaahs und Ooohs fallen reichlich, da die Landschaft unbeschreiblich schön ist (also beschreibe ich sie nicht mal versuchsweise, sondern füge am Ende des Beitrags eine Galerie von Panoramaaufnahmen ein, die hoffentlich ein wenig von der Atmosphäre vermitteln).

EiertanzIn einer der Buchten ankert ein Boot, ein älterer Signore und zwei hübsche Signoras müssen sich nun die Blöße geben: Sie waren an Land und wollen zurück zum Boot. Doch das Meer beliebt hier steinig zu enden, also eiern die drei durchs Wasser. Moderner Ausdruckstanz ist nichts dagegen! Aber sie hatten natürlich, einmal wieder an Bord, die wunderbare Möglichkeiten, das Buchtenhopping von außen anzugehen. Da nimmt man einen kleinen Eiertanz schon mal in Kauf.

Faro SpartiventoSchön lange sieht man einen Leuchtturm – ist ja Sinn dieser Gebäude, dass man sie von weitem erblickt. Unsere beiden Wanderführer nennen den Leuchtturm am Capo Spartivento lediglich einen Leuchtturm – aber er macht deutlich den Eindruck eines ehemaligen Leuchtturms, der zu einem sehr noblen Domizil umgebaut wurde. Essensplätze unter dem Glasdach, Lounge-Möbel vor der Tür: Richtige Leuchtturmwärter leben spartanischer. Und man muss nicht lange recherchieren, um den Eindruck bestätigt zu bekommen: Das ist ein nobles luxuriöses Hotel (mit einer beeindruckenden Webseite).

StabilimentoDie Bucht unter diesem landmark ist die Cala Cibudda – wir wählten sie als die Bucht, die für einen Badestopp gut geeignet sei. Wir hatten die richtige Wahl getroffen, denn nirgendwo vorher und hinterher war es so kuschelig, wellenreich, sandig und familiär wie hier. Was kuschelig und familiär bedeutet, muss man all denen erklären, die noch nicht in das Missvergnügen eines echten italienischen stabilimento gekommen sind. Das sind die gepachteten Strandstücke, an denen man gegen Geld zwar gut beschirmt und auf Liegen das Strandleben genießen kann – allerdings auch in Reih’ und Glied aufgefädelt und eng an eng wie im sozialistischen Plattenbau des WBS 70, wenn auch zu Preisen, die es in sich haben (locker bis 30 EUR an einem Wochenend-Tag zum Beispiel). Wir aber hatten derlei nicht, sondern um uns italienische Familien pur mit selbst mitgebrachtem Mobiliar.

Rast unter PalmenIm weiteren Verlauf der Wanderung wurden die Strände länger und kommerzieller. Die Strandbuden bieten Wein und Bier und Limo zu Preisen wie in der Apotheke an, ein Kiosk warb mit dem schönen Slogan „Alles billiger als bei den Anderen!“. So sah es auch aus, und überteuert war es immer noch. Also blieben wir tapfer beim mittlerweile lauwarmen mitgeschleppten aqua naturale, jedenfalls bis kurz vorm Ziel. Am (auch sehr langen) Strand der Baia di Chia wurden wir dann schwach – wie es sich gehört, ohne Abstimmungsprozess: Unsere Füße schlugen einfach den Weg zum Kiosk ein, der mit netten Bedienungen Getränke zu akzeptablen Preisen verkaufte. Kalte Getränke! Während wir unter den Palmen des Kioskbetriebes am Tisch saßen, briste es gehörig auf. Die Wellen, die sich beim Auflaufen brachen und tapfer Schaumkrönchen produzierten, wurden dabei ungewollt zu Showstars, denn der Wind zerstieb das Wasser noch mehr zu feinen Tröpfchen, in die die tiefer stehende Sonne schöne kleine Regenbogen zauberte. Schon deswegen lohnte sich der Aufenthalt hier!

Blick vom Torre di ChiaDer Torre di Chia ist von Nahem auch nur ein Turm von vielen – zu besichtigen gegen Eintrittsgeld. Uns reichte das Äußere und der Blick von der Plattform auf die Buchten dies- und jenseits des Torre, da die paar Meter weiter oben auch nichts gegen den Abenddunst hätten tun können. Vom Turm zur Hauptstraße sind es gut 20 Minuten Fußweg: Dort gibt es eine Bar mit kleinem Supermarkt und eine Bushaltestelle. Was es nicht gibt, sind dort in unsere Richtung abfahrende Busse, auch wenn laut Plan noch einer hätte kommen sollen. Also versuchten wir es mit Trampen – jener alten Masche der Fortbewegung, die vor Erfindung zahlreicher Horror- und Ammenmärchen wohl auch geklappt hat. Wir standen auch relativ günstig, an der Kreuzung senkten alle Autofahrer die Geschwindigkeit, Platz zum Halten wäre auch gewesen. Aber die Autos waren entweder schon völlig überbucht, weil die PKW klein und die Familien groß sind in Italien und man ja auch jede Menge Gepäck dabei hat – oder es saß eine Schöne auf dem Beifahrersitz, die keine Fremden im Rücken haben wollte. Schon gar keine mit Wanderrucksack.

AutostopDer erste, der hielt, war ein Kellner. Er musste zur Arbeit, und das Restaurant lag leider nur zwei Kilometer entfernt. Aber immerhin: Das waren die ersten zwei von fünf bis zu unserem geparkten Auto. Von da an liefen wir, nun wieder motiviert, die Straße entlang, aber immer den Daumen im Wind. Irgendwann hielt einer, gerade zur rechten Zeit, da die Straße sich anschickte, bergauf zu gehen, Wir parlierten, so gut es ging, übers Wetter (zum Wandern gerade richtig, zum Baden schon ein wenig frisch) und waren auch gleich da. Grazie mille!

Strandwanderung von Sa Perda Longa nach Chia

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