Funkelnde Augen im Restaurant „Wohnstube“

Restaurant

Wie stellt man sich das Mobiliar in einem Restaurant vor, das „Wohnstube“ heißt? Vielleicht „gemütlich“? Aber was ist das? Wir waren im Restaurant „Wohnstube“, das zum Swissôtel in Dresden gehört und fanden ungewohnt niedrige Tische mit dazu passenden Sesseln vor. Selten so bequem gesessen – zwischen den Gängen! Beim Essen, oder wenn man sich gar mit seinem Gegenüber unterhalten möchte, erlebte man die Grenzen des Settings. Da ist nämlich nix mehr mit bequem Lümmeln, sondern es ist fast wie bei der Kriminalpolizei – die rät ja auch immer „Vorbeugen!“. Oder man redet laut – zu laut, wie die Gäste am Nachbartisch, deren Probleme wir hier gut nacherzählen könnten.

Das Restaurant hat einen eigenen Eingang (endlich mal!), oder man kann durch die Lobby und das Frühstücksrestaurant „Esszimmer“ hinein kommen. Unsere Bedienung stellt sich mit Namen vor und ist den Abend über ein hervorragender Begleiter. Vor allem bei Fragen nach der Weinwahl funkeln seine Augen, er lächelt und sagt: „Da hab‘ ich was!“ Als die Frau mit dem vom Mann ausgesuchten Wein (was aus der Schweiz: 2011 Fendant, „Cuvée des Fondateurs“ AOC, Wallis) spontan nicht so zufrieden war, entschwand er und kam mit einem Probeschluck eines anderen Weins: Ein in der Tat käftiger vollmundiger 2011er Auxerrois Qualitätswein trocken vom Weinhaus zu Weimar – toll!

Wir wählten das Menü der Kochsternstunden, weil es uns wohl komponiert und preislich sehr attraktiv erschien. Nach dem Gruß aus der Küche, einem schmackhaften Saiblingssalat, folgte Nüsslisalat / gekochtes Freilandei / Brotcroûtons / Frenchdressing / Speckwürfel. So klar und nüchtern wie das auf der Karte steht, präsentiert sich das Gericht auch, mit einem feinen Dressing und einem buttrig-knackigem gerösteten Brotsegel. Hat geschmeckt! (Und auch der Wein entwickelte sich zum angenehmen Essensbegleiter, sogar für Zweiflerinnen!)

Als herzhafte Komposition mit reichlich Eigengeschmack entpuppte sich die Muscat-Kürbiscrème / Flusskrebse / Kürbiskernöl – wobei die Flusskrebse einen eher zähen Eindruck hinterließen. Ohne die hätte es vielleicht weniger aufgeregt geklungen, aber durchaus mehr hergemacht mit dem intensiven Geruch und Geschmack guten Kürbiskernöls – nicht nur für Vegetarier. Die Karte des Hauses zeichnet übrigens vegetarische bzw. vegane und glutenfreie Gerichte besonders aus, eine gute Orientierung, wenn man so essen möchte oder muss. Und dass die Lieferanten (der Hauptzutaten) einen eigene Spalte in der Karte haben, ist auch vorbildlich.

Zwei Hauptgänge stehen zur Wahl, wir hatten beide: Gefüllte Maispoulardenbrust / Paprikawurst / Weisswein Risotto / Marktgemüse für den fleischessenden Herrn und Sautierte Eglifilets / Schwarzwurzeln / Petersilienkartoffeln / Rote Bete Chutney für die fischliebende Dame. Eglifilets sind ja die Lieblingsfische der Schweizer, auch wenn von den 6.000 jährlich verzehrten Tonnen rund 90 % aus dem Baltikum, Polen und Russland kommen (trusted source). Eglis mögen’s heiß, diese hatten’s eher kühl und waren entsprechend schlank sowie wahrscheinlich deswegen zu durch. Abgesehen davon: Lecker! Die Poularde hingegen hatten wir vorab skeptisch eingestuft und waren überrascht: Erstens saftig und zweitens wegen der chorizoähnlichen Wurst mit jedem zweiten Biss sehr pikant. Das gefiel uns gut und hat Vorurteile abgebaut! Das Risotto war von sehr ordentlicher Qualität, wir hatten es auch zum Egli bestellt und notierten voll Freude, dass es dort mit Spinat durchwirkt war: farblich wie geschmacklich ein Plus.

Zum Dessert gab es erstens noch einen Sonderwunsch: Warmen Schweizer Schokoladenkuchen mit belgischer Schokolade (!), aber sehr sehr angenehm. Dazu ein Gläschen Tokayer, eine süße Sünde (die mit dem, was viele ältere Dresdner erinnern, nichts zu tun hat: viel besser!). Und, aus dem normalen Menü, Schokoladen Tiramisu / Himbeersorbet / Minze Bitterschokolade mit dem Wunsch, einen „schönen passenden Wein“ zu finden. Lächeln, Augenfunkeln, ein Glas: 2011er Sauvignon Blanc Qualitätswein trocken, beim Erzeuger bereits ausgetrunken. Ein passender Abschluss eines schönen Abends!

Restaurant „Wohnstube“
Swissôtel Dresden Am Schloss
Schlossstrasse 16
01067 Dresden

Tel.: 0351 | 501 200
http://www.swissotel.de/hotels/dresden/dining/

Geöffnet: täglich 11.00 Uhr bis 23.00 Uhr

[Besucht am 9. März 2013 | Lage | Karte der hier besprochenen Restaurants in Dresden und Umgebung]

2 Kommentare

  1. Nach meinem Besuch da erkenne ich interessante Parallelen: auch wir wählten den Cuvée des Fondateurs, wohl weil er im Programmheft der Kochsternstunden aufgeführt war. Und auch mich vermochte er nicht so zu überzeugen, irgendwie fand ich ihn – bei tollem Duft – „in der Mitte“ eher flach (besonders nach unseren Rieslingabenden!). Bei den Verhandlungen über den zweiten Wein wurde dann auch uns der Weimaraner Auxerrois vorgestellt, und er gefiel auch unseren Gaumen! Dennoch wurde es ein anderer, ich glaube ein Cabernet.
    Beim Fischgang dann die nächste Übereinstimmung: auch meine Stückchen waren overdone. Im Zusammenspiel mit Schwarzwurzeln, roter Bete und dem Sößchen war der Egli aber wirklich lecker! Und wenn ich lese, dass ihr die Beilage ausgetauscht habt, werde ich neidisch. Die Kartoffeln gaben sich vom Biss recht winterlich, und waren keine besondere Freude…
    Am Ende klang unser Abend mit einem wunderbaren Riocha Reserva aus (Bild kennst du ja), wobei es die vielfältige Möblierung der „Wohnstube“ ermöglichte, noch ein bequemes Lümmelplätzchen einzunehmen! 🙂

  2. Danke für das ausführliche „Co-Referat“ – zeigt es doch, dass einige Dinge dort in der Tat kein Zufall waren, sondern eher systemisch sind. Dass ihr im Laufe des Abends umgezogen seid, gefällt mir! Wir saßen von Anfang an lümmelig 😉

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