Die lange Nacht der großen Flaschen

Brda

Die Tage sind kurz, die Nächte lang. In der Summe könnten 24 Stunden raus kommen, aber gefühlt sind es mehr. 36? 48? Egal. Der Besuch beim Winzer macht Spaß, keine Frage. Aber er ist auch anstrengend, wenn der Winzer Aleš Kristančič heißt. Der Mann ist ein Energiebündel. Während der drei Tage unseres Besuches dachten wir ja immer, er habe sich mal zurückgezogen auf ein Schläfchen – aber in Wirklichkeit war er dann nur manchmal im Bett und meistens im Weinkeller. Hier was nachsehen, da was kontrollieren. Der Perfektionist überlässt nichts dem Zufall. Seine Gäste merken es oft gar nicht, wenn er mal entschwindet. Wenn er mit einer Flasche in der Hand wiederkommt: Da hätte er ja auch nur wegen der im Keller sein können, oder?

Aleš Kristančič und Ronny Weber
Winzer Aleš Kristančič und Sommelier Ronny Weber

Der Probierraum des Weinguts ist: überall. Also starteten wir, gleich nach unserer Ankunft, auf der Terrasse. Zum 2011er Gredič (100% Friulano) gab es ein Stück vom Parmesanlaib – besser kann man, mit Blick auf die Weinberge unterhalb des Weinguts, doch nicht ankommen! Streng genommen wollten wir auch nichts anderes, aber es gibt ja Berufe, bei denen es „nicht im Dienst“ oder so nicht gibt. Der des Sommeliers gehört dazu – und wir hatten ja einen in der Gruppe: Ronny Weber, Sommelier im Sterne-Restaurant Wilder Ritter in Durbach, hat zu allen bei diesem Ausflug probierten Weinen Notizen gemacht. Wir dürfen sie in diesem Beitrag verwenden und tun das extrem gerne.

Gredič 2011er Gredič: Farbe: klar, helles strohgelb mit leicht grünlichen Reflexen, jugendliche Nase: sauber, dezente Intensität, mittlere Komplexität mit Aromen von Kamillenblüten, Pfefferminze, grüne Mandeln und Blumen, keine wahrnehmbare Fruchtkomponente, alles krautig
Gaumen: sehr trocken, mittelkräftiger Körper, milde Säure, moderater Alkohol , wieder krautig, dezente Frucht, wirkt etwas still und unnahbar, durchschnittliche Länge, gute Balance aber wenig Charakter und Potential
trinken: jetzt-2015

Wenn der Vater mit dem Sohne… Während wir also genüsslich ankommen, ist Aleš Kristančič noch im Weinberg unterwegs. Mit ihm auf dem Trecker: Sein Sohn. So wächst die nächste Winzergeneration heran. Wobei diese Treckerfahrt, der Wahrheit die Ehre, eher dem Vergnügen diente: Es ging darum, das Gelände auf Motocrosstauglichkeit abzufahren. Aber wenn der Vater mit dem Sohne…

Aleš Kristančič … dann bleibt immer was hängen. Und sei es nur der Showteil, den Aleš Kristančič auch extrem gut drauf hat. Er weiß sich in Szene zu setzen – als der Trecker am Weingut ankam, sah er die Kamera und posierte erst einmal. Klick klick! Beziehungsweise: zack zack! Denn das ist, freilich nie militärisch streng, sondern immer mit so einem spitzbübischen Lächeln vebunden, ein Lieblingsspruch des Winzers.

Unser erster gemeinsamer Wein war ein Schampus – darüber habe ich schon geschrieben, aber den Puro aus der Magnum-Flasche kann man ja gar nicht oft genug loben als erfrischenden Einstieg in eine ernsthafte Probe. Wer allerdings denkt, eine Magnum sei mit ihren 1,5 Litern schon groß, der musste am Abend umlernen: Es begann die lange Nacht der großen Flaschen, der Doppelmagnum mit drei Litern Inhalt. Wein aus großen Flaschen schmeckt einfach besser – und es ist wirklich nur ein Vorurteil zu glauben, dass man nur deswegen mehr trinkt, weil die Flaschen größer sind.

Movia Veliko Wir hatten eine Probe quer durch die Jahrgänge des Movia Veliko geplant. Der Veliko ist so was wie der Referenzwein des Weinguts, etwas (im mehrfachen Wortsinne) ganz Eigenes. Der Veliko belo ist eine Cuvée aus 10% Grauburgunder (der dem Wein Eleganz verleiht), 20% Sauvignon blanc (zur Verbesserung des Aromas) und 70% Ribolla (einer autochthonen Rebsorte der Gegend links und rechts der Grenze zwischen Italien und Slowenien und somit bestens geeignet, das Brda Terroir im Wein zu repräsentieren) sowie in einigen Jahrgängen auch Chardonnay.

Aleš Kristančič lässt den Wein nicht nur gemeinsam gären – die Reben stehen auch zusammen im Weinberg. Und zwar wie in einer Art Haufen, wo die früher reifenden Trauben außen stehen und zuerst geerntet werden können und die zuletzt reifenden innen – man arbeitet sich sozusagen langsam zu ihnen vor. Aber – der Mann arbeitet bio-dynamisch und macht sich so seine eigenen Gedanken – mit der Ernte anzufangen, ist ihm nichts: Die Blütezeit der verschiedenen Sorten ist auch unterschiedlich – und eine lange Blütezeit mag der Slowene, ganz im Gegensatz zu den meisten anderen Winzern egalwo.

Ronny Weber
Ronny Weber

Ronny Weber hat Notizen zu jedem Jahrgang gemacht (sie stehen übrigens alle als PDF auf der MOVIA-Webseite) – ich greife einmal Teile der Anmerkungen zum 2001er Jahrgang heraus: „Feiner Gerbstoff bildet das Korsett für den mittelschweren Körper, die frische gut eingebundene Säure drückt den Wein wiederum aus der Zungenmitte heraus. Alles ist sensibilisiert und arbeitet im Mund – welch Intensität. Geradezu elektrisierend am Gaumen. Dann fließt das Elixier wohl behütet in einen extrem langen, mineralischen Abgang. Eine salzige Note wie nach einem Glas Isaly Whiskey trocknet umgehend den Mund aus und fordert MEHR! Grandioser Wein mit immensem Potential. Bewertung: 96 Pkt. trinken: jetzt-2021.“

Pano Weinkeller Restaurant Gredic

Vorerst genug probiert, wir ziehen um. Unweit des Weinguts  gibt es ein kleines Schlösschen: Gredič heißt das Anwesen, Burgschlösschen. Es gibt sehr schöne moderne und großzügige Zimmer, aber die haben wir uns nur mal angeguckt, nicht ausprobiert. Den supermodernen Weinkeller aber konnten wir uns nicht entgehen lassen. Über 5.000 Flaschen lagern hier, darunter Raritäten und Champagner. Die Weinkarte liest sich nett, nicht nur was die Riesenauswahl anbelangt: Die Preise sind kundenfreundlich – und es gibt alle Weine auch offen. Respekt! Wir probierten hier einen Rebula 2008, zu dem der Herr Weber nichts notiert hat 😉 .

Restaurant GredičAvenanti Im Restaurant geht es italienisch zu, das ganze Team um Chefkoch Christian Avenanti kommt von jenseits der Grenze (wie gesagt: weit haben sie es nicht – die Hauptstraße gleich hinter dem Castelletto gehört schon zu Italien). Wir erhielten ein Degustationsmenü, das von frittierten Eiern als Gruß aus der Küche über einen grandios gegarten Tuna mit Tomaten und Sellerie und einer kleinen Fischsuppe bis zu ein Meter langen Spaghetti mit Scampi und Garnele sowie einem Oktopus, der in Bier gegart war. Alles perfekt – aber an diesem Abend ja nicht die Hauptsache…

It's Showtime!

Das Dessert gab’s nicht im Gredič, sondern nach dem kurzen Fußweg zurück im Weingut. Hier kam, zeitgleich mit uns, ein Überraschungsgast an: Tomaž Kavčič vom Restaurant Zemono, das zu den besten in Slowenien gehört – und in der Nähe des Ortes Vipava liegt, fast eine Stunde Autofahrt entfernt. Tomi, wie ihn alle nennen, ist nicht nur kreativ – auch er ist ein Showmensch, weswegen er denn auch gleich mal Stickstoff aus der Gießkanne durch den Raum wabern ließ. Na, das gefiel dem Winzer: it’s Showtime!

LunarEs ist schon lange nach Mitternacht, draußen auf der Terrasse steht’s sich im Halbmondschein auch ganz gemütlich. Während die Desserts quasi nach Fingerfood-Manier aus der kleinen Küche des Weinguts geschickt werden, ist es Zeit für eine neue Trink-Erfahrung: Lunar ist der stille Bruder des Puro. Der Wein hat die Hefe in sich, will also keineswegs vor Genuss gerüttelt oder gerührt werden: Die Flasche sollte aufrecht stehen, damit die Hefe sich setzen kann. Dann sollte der Wein sehr sehr vorsichtig dekantiert werden, damit alles Trübe in der Flasche verbleibt und man nicht etwa im Glas Trübsal blasen muss.

LunarSo gaaaanz klappt das natürlich nicht, weswegen Ronny Weber bei den beiden verkosteten Lunars (Jahrgang 2007 und Jahrgang 2008) „leicht getrübtes goldgelb“ notierte – dann aber diesen Chardonnays eine tolle Nase attestierte und (beim 2007er) „einen immensen Spannungsbogen am Gaumen, toll ausbalanciert und absolut eigenständig. Sehr langer vibrierender Abgang. Weltentrückter Chardonnay“ aufschrieb.

Quartett mit Halbmond
Tomaž Kavčič, Aleš Kristančič, Ronny Weber und Gerald Geiger.
Im Glas: Lunar, am Himmel: Luna.

Gredič
Ceglo 9
5212 Dobrovo
Tel. :+386 5 82 80 120
www.gredic.si
Geöffnet:
Mittwoch bis Sonntag 12.30 bis 15.00 und 19.00 bis 23.00 Uhr
Vinothek: täglich 11.00 bis 23.00 Uhr

Zemono
Pri Lojzetu
Dvorec Zemono
5271 Vipava
http://www.zemono.si/de/index.php
Geöffnet: Mittwoch bis Sonntag von 12 Uhr bis 22 Uhr

MOVIA
ALEŠ KRISTANČIČ
Ceglo 18
5212 Dobrovo v Brdih

Tel. +386 5 395 95 10
movia@siol.net
http://www.movia.si/en

[Besucht 3.-5. März 2013]

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