Der Weinberg lebt!

Weinlunch mit dem Weingut Becker Landgraf im Gasthaus zur Post Ladbergen

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Zwei Weingüter, eine Liebe – was mag das geben? Ungefähr genausoviel wie ein Weingut und zwei Winzer: Das ergibt heftige Reibung. Aber (die Liebe!) solche, die fruchtbar ist. Und nein, es ist jetzt nicht von Familienplanung und den gemeinsamen Kindern die Rede, sondern vom Wein. Johannes Landgraf vom Weingut Becker Landgraf war aus Gau-Odernheim nach Ladbergen gekommen, um seine Weine im Gasthaus zur Post während eines Weinlunchs vorzustellen.

So ein Lunch ist ja was Schönes und Gefährliches zugleichg: Mitten am Tag schon Wein, und das am – wie man im Münsterland sagt – heiligen Sonntag? Doch, das passt schon: Die Geschmacksknospen sind da noch richtig gut drauf. Und dem Gefahrenpotenzial kann man ja begegnen, indem man zu Fuß nach Hause geht oder im angegliederten Gasthaus übernachtet. Uns war der Weg zurück nach Dresden zu lang, weswegen wir blieben (und abends die besten probierten Weine gleich noch einmal gegenkosteten…)

Auf den Etiketten der Flaschen fällt das Zeichen J2 auf: Es steht für die beiden Vornamen der Winzer, Johannes und Julia. Es ist das Markenzeichen des Weinguts Becker Landgraf, das die beiden Winzer seit 2006 in vierter Generation der Familie Becker weiterführen. Sie starteten erstmals mit dem Jahrgang 2005 unter dem neuen Namen BECKER LANDGRAF. „Wir haben das Glück, eine Lebens- und Arbeitsphilosophie zu teilen: unser bewusstes Bekenntnis zur Qualität. Für unsere Arbeit tragen wir die Verantwortung gemeinschaftlich und entscheiden gemeinsam, was gut für uns und unsere Weine ist“, sagen die beiden Winzer, die seit 2006 Mitglied bei Message in a Bottle sind, jenem Verband qualitätsbewusster Rheinhessen, von dem Jochen Dreissigacker auch schon in Ladbergen zu Gast war.

Die naturnahe Arbeit im Weinberg, die Kreativität im Keller, der Spaß an der Arbeit: das alles zahlt sich aus. Der GaultMillaut schreibt begeistert „Hier ist aktuell jede Flasche ein echtes Statement!“ und vergibt 2 Trauben mit dem unübersehbaren Hinweis: Ein echter Aufstiegskandidat. Im Eichelmann sind sie schon topp: Dreieinhalb Sterne und nach detaillierter Kritik reicht ein Wort der Zusammenfassung: „Gratulation!“

Nun also steht der gerühmte Winzer Johannes Landgraf im Garten vom Gasthaus zur Post und plaudert mit den Gästen. Ein Rheinhesse! Hört man – aber man schmeckt es nicht. Also nicht dass wir an ihm rumgeknabbert hätten (obwohl ihn ja einige Damen ganz fürchterlich nett fanden…), nein: Wir tranken zum Aperitif mit Fingerfood im Garten den Blanc et Noir brut. Chardonnay und Spätburgunder geben dem Sekt mit feiner Perlage und Fruchtigkeit den gewissen Kick. Drei Jahre hat „der kleine Champagner“ (Landgraf) auf der Hefe gelegen. Wie gut, dass der Service nicht zögerte, bei Nachfrage nachzuschenken!

Das Menü (75 € inkl. aller Getränke) startete mit einer Fischvorspeise: Warm marinierter Saibling mit gebackener Auster und cremigem Gurken-Tatar zerging auf der Zunge – und wäre auch ein idealer Begleiter zum Sekt gewesen! Aber wir wollten ja mehr kennenlernen, also gab’s einen Gutswein: 2012 Grauer Burgunder. Leicht (was man heute so leicht nennt: 12%!), elegant und mit zarter Säure. Eine „burgunderliche Stilistik“ nannte der Winzer seinen Wein, den er – weil in großer Menge hergestellt – als Aushängeschild bezeichnete. Andere sehen das ja anders und nennen die wenigen Spitzenweine das Aushängeschild – uns gefiel diese umgekehrte Betrachtungsweise.

Zum Gemüse-Allerlei, hinter dem sich eine vegetarische Geschmackexplosion verbarg mit Dicken Bohnen, Artischocken, Rübchen, Möhren, grünem Spargel und mehr, probierten wir den 2012 Gau-Odernheimer Weissburgunder – an diesem Wochenende (nach dem Sekt…) mein Lieblingswein. Von Hand in drei Durchgängen gelesen, anders als die anderen Weine von Becker Landgraf im Holzfass gereift. Und zwar im großen, das in Rheinhessen Stückfass heißt. (Dass der Rest in Stahlfässern ausgebaut wirkt, ist kein Zufall: Landgrafs Schwiegervater, der Herr Becker, macht in Edelstahl. Da ist das ja naheliegend…)

Zwischendurch erzählt Johannes Landgraf vom Weingut. Seine Frau Julia sei täglich im Weinberg, er eher im Keller und auf Präsentationen. Umweltschonende Bewirtschaftung mit pflanzlichen Präparaten seien ebenso selbstverständlich wie eine Vergärung mit wilden Hefen, und natürlich ist der Wein ungeschönt. Diese Zuwendung schmeckt man! Und die Winzer erleben den Wandel im Berg Jahr für Jahr, Monat um Monat, tagtäglich: „Es kommt zunehmend Leben in den Berg!“ Natürlich sei das ein langer Prozess, aber wer im Weinbau kurzfristig denkt, macht sowieso meist etwas falsch. „Wir schöpfen von dem, was die Großeltern angelegt haben!“ sagt Landgraf – und es ist klar, dass die Kinder von Julia und Johannes einmal von dem profitieren, was die Beiden heute machen. Stolz sein können sie schon heute auf ihre Eltern, denn dass im Kopenhagener Noma Weine von Becker Landgraf auf der Karte stehen, ist schon eine Auszeichnung.

Einen dieser Weine gab’s zum Hauptgang, und einen anderen obendrein, den das Noma noch gar nicht haben konnte, weil er erst jetzt richtig fertig ist: Der 2008 Herrgottspfad Riesling ist alt und jung zugleich, ein wahrhaft angekommener Wein mit eleganter Säure und salziger Mineralität (der mir dann auch bei Dessert noch große Freude bereitete). Ein Weißwein also, aber wozu? Zur Geschmorten Rinderbacke mit gebratenen Pfifferlingen und Kartoffelschaum! Oliver Lisso, der Küchenchef im Gasthaus zur Post, hatte wieder einmal Sous Vide gezaubert und die Backe tagelang blubbern lassen, was ihr auf dem Teller das Prädikat „besonders zart“ brachte. Nicht trocken, butterweich und voller Geschmack! Dazu hätte ja eigentlich auch ein Roter gut gepasst, oder? Na klar, gab’s doch: 2009 Rosenberg Spätburgunder. Ein Lagenwein von der besten Lage, ein eleganter Wein! Und auch den, sah ich mit Blick auf benachbarte Tische, hatten sich einige Gäste aufgespart (bzw. ihn nachgeordert), um die Aprikosen-Tarte mit Zitrusfrucht und Karotte zum Dessert stilvoll zu begleiten.

Oliver Lisso und Johannes Landgraf Service-Crew

Gasthaus zur Post
Dorfstr. 11
49549 Ladbergen

Tel.: +49 5485 93 93 0
http://www.gastwirt.de

[Besucht am 14. Juli 2013]

Disclaimer:
Das Gasthaus zur Post ist Kunde von mir – dieser Text aber außerhalb der Aufträge entstanden.

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