Im Zickzack und mit Kehren ins Ungewisse

Wie man sich oberhalb der Schlucht Gola di Furlo ganz wunderbar verfahren kann

Wetterpanorama

Alle Wege führen nach Rom, heißt es. In Wirklichkeit führen sie zwar alle von Rom weg, weil die Herrscher die entfernteren Stellen ihres Reiches besser erreichen und kontrollieren wollten – aber es waren natürlich keine Einbahnstraßen. Die Via Flaminia verband Rom mit Ariminum (wir nennen es heute Rimini) – und wenn man in diesen Tagen die Staatsstraße Strada Statale 3 Via Flaminia befährt, bewegt man sich sehr nahe am alten Verlauf. Auf dem Weg zum eigentlichen Ziel – der Schlucht Gola di Furlo mit rund zweitausend Jahre altem Tunnel – nutzten wir zum Teil die Via Flaminia, was schon ein bemerkenswertes Gefühl ist (und Respekt für den Straßenbau vor 2.000 Jahren abringen kann). Bei Fossombrone überquert eine schöne alte Brücke den Metauro – die scheint mir aber jünger zu sein als die Flaminia, die ja schon 200 v.Chr. gebaut wurde.

Brücke über den MatauroDie Gola di Furlo ist eine beeindruckende Schlucht – sagt man. Wir wollten sie anfahren und zu Fuß hineinlaufen, aber die Straße war geschlossen. Höchst gefährlich sei es, dort entlang zu fahren oder gehen, besagten die Schilder an der Straßensperre. Naja, für einen 67.047,43 €-Auftrag leiden wir gerne und lassen uns nicht irgendwelche Felsbrocken auf den Kopf fallen. Also kehrten wir um und fuhren statt des klassischen Wegs entlang der Via Flaminia den modernen durch den Tunnel. Schnurstracks und umsonst durch den Monte Pietralata, was ja auch was hat. Allerdings sieht man nicht sehr viel von der einmalig schönen Landschaft, weswegen am Ende des Tunnels nicht nur das sprichwörtliche Licht war, sondern auch eine Ausfahrt zum anderen Ende des Furlo-Canyons.

Vorsicht Felsen!Doch auch hier war’s gesperrt, hätten wir uns denken können. Geöffnet hatte hingegen das Besucherzentrum des Nationalparks Gola del Furlo. Es residiert in einem dieser hübsch roten Häusern, die man immer wieder mal an Staatsstraßen sieht und beherbergt neben dem Infostand auch ein kleines Museum. Die wichtigste Auskunft für uns: Die Straße ist wegen Bauarbeiten am Berg geschlossen – da können im Ernstfall Felsbrocken runterfallen, die auf Wandersleute keine Rücksicht nehmen. Aber die Panoramastraße sei befahrbar! Gleich hinterm Garten des Hauses gehe sie los, und hier ist die Karte dazu, bitteschön!

Oh, mille grazie! Eine schöne Karte im Maßstab 1:20.000, mit allen Wegen, Höhenlinien und wichtigen Bäumen. „Und hier in der Linkskurve können Sie das Auto parken und ein wenig vorlaufen, da haben Sie einen traumhaften Blick nach links und rechts in die Schlucht und auf den Fluss!“ sagte die freundliche Info-Mitarbeiterin, und schon hauten wir ab – bevor die Sonne untergeht oder der Regen kommt!

MarkenDie Panoramastraße fing als ebensolche an und entwickelte sich dann unter unseren Rädern zu einem veritablen Waldweg für Forstfahrzeuge und solche, die es werden wollten, und später zu einem regenrinnenzerfurchten Matschweg im Erhärtungszustand. Ich brabbelte dauernd vor mich hin, „dass mir jetzt bloß keiner entgegen kommt!“ – ein Wunsch, der auch bis auf einen Radfahrer erfüllt wurde. Wir fanden sogar die Linkskurve, von der aus allerdings gleich zwei Wanderwege losgingen: ein oberer und ein unterer. Immer diese Entscheidungen! Wir nahmen den oberen Weg, der zwar fünf Minuten länger sein sollte, aber wenn schon, dann auch on top of the rocks. Das war natürlich ein Fehler, denn man konnte zwar schön weit sehen, aber weder Fluss noch Tal zeigten sich unter uns. Wahrscheinlich wäre das vom unteren Ausguck besser gewesen, und wir wären die paar Minuten ja auch da noch hingegangen, aber wir hatten das Glück des Tüchtigen: Es fing an zu regnen!

Nun gut, so konnten wir auf der Weiterfahrt wenigstens die Regenrinnen in Aktion erleben, die sich so schön unserem Leihwagen in die Quere gelegt hatten. Endlich mal ein Weg für die höher gelegten SUVs, dachte ich mir. Das Schild mit der gebotenen Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h ignorierte ich permanent – viel mehr als zehn oder fuffzehn schafften wir nicht wegen der Schlaglöcher, Querrinnen und Regenfurchen.

RegenbogenfotografWährend der erste Teil der Fahrt uns laut Navi im charmanten Zickzack über den zuvor durchfahrenen Tunnel führte, entfernte sich die Straße (Straße? Weg!) nach dem kleinen Fußmarsch deutlich. Da es aber keinerlei Kreuzung gab, blieb uns nur dieser eine Weg: Vorwärts immer, rückwärts nimmer! Zwischenzeitlich leuchtete linker Hand auch die Sonne wieder, während es rechts munter weiter regnete. Und noch bevor einer von uns „da müsste doch eigentlich ein Regenbogen…“ sagen konnte, zeigte er sich auch schon. Etwas unfotogen hinter Bäumen, aber immerhin. Ein Italiener im Auto hinter uns wollte uns eigentlich etwas fragen, aber erstens reichten unsere Sprachkenntnisse nicht aus und zweitens hatte er il arcobaleno noch nicht gesehen, war aber für den Hinweis sehr dankbar. Nun klickten Drei mit ihren Kameras um die Wette.

Landschaft mit San LeoUnser neuer Fotofreund nutzte die an dieser Stelle etwas breitere Straße zur Umkehr, wir fuhren weiter. Erst einmal noch sehr frohen Muts, denn die Sonne schien bei uns immer doller, anderswo tröpfelte es – zweite Regenbogen-Chance. Wir sahen, in der Ferne, San Leo und dankten der netten Dame im Besucherzentrum für diesen tollen Tipp!

Und fuhren weiter. Weiter. Weiter. Irgendwie kam mir (das Hirn ist schon ein komischer Kumpel) Christian Anders in den Sinn, der 1972 „Es fährt ein Zug nach nirgendwo“ geschlagert hatte. Wir fuhren auch nach nirgendwo. Bis zum ersten Abzweig ja irgendwie unproblematisch, aber dann ging’s los. Wie weiter? Dem Gefühl nach: runter. Der Weg wurde schmaler, die wassergefüllten Matschlöcher größer, wir dankten der Autovermietung für das Upgrade auf ein hochbeiniges Auto. Das Karma der Dame im Besucherzentrum begann an Punkten zu verlieren, als die Zweige der enger stehenden Bäume durch die offenen Fenster in den Wagen schlugen. Na gut, man kann ja die Fenster schließen und die Klimaanlage anmachen.

Verloren in der LandschaftSchon wieder ein Abzweig. Rechts oder links? Rechts sieht mehr nach runter aus! Erste Zweifel vom Beifahrersitz: Ob wir hier jemals wieder rauskommen? Tapfere Antwort des Fahrers nach Blick auf das Navi im Wander-Modus: Wir fahren auf eingezeichneten Wegen und haben eine Chance! Nächster Abzweig? Links. Dann wieder rechts. Oh heiliger Panoramastraßenerfinder, war das dein Plan? Nächster Abzweig? Rechts. War ein Fehler, sagt der Bauch. Zu viele Regenlöcher, zu eng, zu weißnichtwas. An einem Brunnen (immerhin: ein Zeichen menschlicher Zivilisation) könnte man umkehren.

Mal sehen, was das Navi sagt. „Die kennen mittlerweile die kleinsten Wege!“ hatte sich die italienische Vertrauensperson in Mails vorab geäußert – und sie meinte es negativ, weil diese kleinen Pfade einen eben nicht wirklich schnell voran bringen. In diesem Moment war ich dankbar: Wir wurden erkannt! Und es gab ein Routing out off the middle of nowhere! Schöne neue Technikwelt…

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