Mittagstisch vom Holzfeuer

Besuch bei Olav Seidel im Gasthof Bärwalde

Bärwalde2013-11

Es gibt Menschen mit wenig Phantasie. „Ich kann ja gar nicht glauben, dass das alles reserviert sein soll!“ jammerten die, die spontan an diesem Sonntagmittag reinschauten und Pech hatten: Alle Tische entweder besetzt oder reserviert im Gasthof Bärwalde. Den Ungläubigen sei gesagt, falls sie dies lesen: Es waren wirklich alle Tische besetzt. Und die Ausrede („ich habe im Internet nichts gefunden“) gilt nicht – man findet viel, wenn auch keine eigene Homepage. Die würde aber auch irgendwie nicht passen und ein Anachronismus sein. Holzfeuer in der Küche, kleine Karte, viel Regionales (die Enten, die später auf der Karte sind, scheint Olav Seidel mit Namen zu kennen). Aber ganz ehrlich: Lieber keine Präsenz im Internet und dafür eine geniale Küche!

Wir waren mal wieder da. Dieses Mal, um Fasan zu essen. Den gibt’s ja nicht allzu oft, und schon gar nicht ordentlich zubereitet. Olav Seidel, der Regionales für seinen Holzofen bevorzugt, bietet schottischen Jagdfasan an. Der sei, so sein Argument, einfach besser. Uns egal: Gut ist im Ernstfall eben besser als nah. Vor dem Fasan gab’s aber erst einmal Heimisches: Velouté von der Martinsgans à la „Royal Saxonia 1898“ (5,90 €) ist eine extrem köstliche Interpretation eines Rezepts aus der Handschrift “Vollständige Herrschaftsküche des Kronprinzen v. Sachsen” von Ernst Max Pötzsch. Gänseklein – für alle Brust-und-Keulen-Esser ja eher Abfall – als Geschmacksbasis für eine kräftige Suppe, die schaumig aufgeschlagen eine Freude war. Die in größeren Mengen könnte den Hauptgang ersetzen – aber das wollten wir ja nicht.

Auch die andere Vorspeise war gänselastig, aber von der feineren französischen Art: Gänsestopfleberterrine „Franz Anton“, gerösteter Brioche, Gewürzquitten (kleine Protion 12 €) schmilzt auf der Zunge – und der dazu von Manuela Seidel angebotene Gewürztraminer von Franz Keller hinterließ im Mund den gleichen Hauch von Quitte wie die Beilage. Noch so eine Vorspeise, von der man gerne mehr gehabt hätte (was prinzipiell ja geht: große Portion 22 €, aber wäre mir zu viel mit Hauptgang danach – und auf den verzichten? Never ever!)

Olav Seidel, der sieben Jahre im Schwarzen Adler bei Franz und Fritz Keller gearbeitet und dort auch seine Frau Manuela kennengelernt hat, betont zwar einerseits die regionale Küche und ist mit seinem Angebot prinzipiell auch fest in der Landschaft rund um Moritzburg verwurzelt. Andererseits kenne ich keinen Koch in der Gegend, der so klassisch-französisch kocht (und bei den Weinen so frankophil ausgerichtet ist). Das ist alles nicht aufgesetzt, sondern gelebt. „Ich bin wohl eine aussterbende Rasse!“, meinte er einmal scherzhaft im Gespräch in Anspielung auf die Kombination von handwerklichem Können, Qualitätsbewusstsein und sicher auch einem Quentchen Eigenbrödlerei.

Erklären kann man diese Melange am Beispiel unseres Hauptgangs, einer Suprême vom jungen Jagdfasan, Blattspinat, Stopflebersauce (24 €). Die wird, wenn man sie bestellt, frisch zubereitet – Fasan noch an der Karkasse. Das dauert eine Weile, aber wir hatten ja Brot und Butter sowie unsere Vorspeisen vorweg, litten also nicht Hunger). Auf dem Teller sieht das dann aber ganz anders aus als erwartet: Ein kleiner breiter Turm von Fasanenfarce („Bitte seien Sie vorsichtig, es könnten Schrotkugeln drin sein, trotz aller Bemühungen in der Küche!“), perfektem Blattspinat und (bis auf ein Beweisknöchelchen) essfertigem Fasan – den allerdings in verschiedenen Abstufungen der Festigkeit. Nur eins war konstant: Der Geschmack. Eigen. Typisch. Dazu ein Saucenspiegel, der nach Kartoffeln schrie, um aufgesogen zu werden. Die gab’s, wie gehabt, als Gratin mit buttersahnigem Extra. Wir schwelgten im Glück und ließen den grauen November draußen grauselig sein: Drinnen war’s Glückseligkeit pur. Unser Wein dazu? Natürlich ein „Franz Anton“ vom Schwarzen Adler, ein 2011 Spätburgunder.

Drei Desserts stehen zur Auswahl (6 – 6,50 €), wir bekamen auf Empfehlung und außer der Reihe eine Tarte Tatin, am Tisch mit Calvados verfeinert. Sauerrahmeis und eine Nocke Crème fraîche dazu, weil der Fetthaushalt diesen Mittag offensichtlich noch nicht genügend bedient wurde, um dem Wetter zu trotzen.

Wie sagte schon Auguste Escoffier? Gutes Essen ist die Grundlage echten Glücks (La bonne cuisine est la base du véritable bonheur).

Gasthof Bärwalde
01471 Bärwalde
Kalkreuther Straße 10a
Tel. 035208 / 342901

Geöffnet [2013]:
Montag ab 18.00 Uhr
Dienstag und Mittwoch: Ruhetag
Donnerstag, Freitag, Samstag ab 18.00 Uhr
Sonntag: 12.00 – 15.00 Uhr
Reservierung dringend empfohlen

[Besucht am 17. November 2013 | Vorherige Besuche: Mai 2012 · Dezember 2011 · März 2011 und Februar 2010]

1 Kommentar

  1. Das klingt mal wieder toll, und ich kann es ja aus eigener Erfahrung nachvollziehen! Und unglaublich, dass das alles reserviert sein soll! 😉

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