Alles eine Frage der Philosophie

Weingut Jean Stodden beim Weinabend im Gasthaus zur Post Ladbergen

Weinabend Jean Stodden

Das Weingut Jean Stodden in Rech an der Ahr ist klein: 6,5 ha. Aber es gehört zu den ganz Großen, ist (seit 2005) Mitglied beim VDP, heimst Preise und Anerkennungen ein. Stodden nennt sich plakativ „Das Rotweingut“ – aber als jetzt Alexander Stodden zu einem Weinabend ins westfälische Ladbergen kam, überraschte er erst einmal mit einem Weißen: 2011 Cuvée de Blanc (21 €/Flasche).  Was mag da drin sein? Riechen, schmecken, trinken: Burgunder vielleicht? Schmeckt ein bissl so, kann aber doch nicht sein – der Stodden hat doch gar keine weißen Burgunder im Anbau! Aber vielleicht ist ja was vom Spätburgunder drin, einen Blanc de Noir gibt’s schließlich auch – aber das dann Cuvée de Blanc zu nennen, wäre doch keck! Also was ist? Ach, keine Ahnung. Fragen wir den Winzer!

UnbenanntDa muss Alexander Stodden schmunzeln. Das mit der Cuvée sei schon ein Trick – denn im Glas seien hundert Prozent Riesling. Und nicht nur das: Der Riesling ist im Barrique gereift. Macht man sowas? „Das machen wir nicht!“ hatte Vater Gerhard anfangs gesagt – aber das Ergebnis hatte ihn dann doch überzeugt. Mittlerweile ist aus dem Experiment eine wunderbare Konstante im Weingut Stodden geworden, dem Rotweingut, in dem sogar der Riesling wie Rotwein behandelt wird und dem Gaumen einen Burgunderton vorgaukelt. Die Cuvee, die keine ist, gab’s an diesem Weinabend zur Einstimmung während des Empfangs. Das Fingerfood dazu passte trefflich, wir merken uns vor allem Wakame Algen mit Thunfisch und Avocado mit Limone und Koriander mal für den Sommer vor und probieren den Barrique-Riesling dann unter freiem Himmel noch einmal!

vorspeise_5877Weiß ging’s zum Menüstart weiter, wieder ein Riesling zur Vorspeise: Eine optisch farbenfrohe und im geschmacklich zwischen Meer und Süden balancierende Terrine von Provenzialischem Gemüse mit Muscheln und Kräutersalat wurde begleitet von einer 2012 Herrenberg Riesling Auslese (28 €/Flasche). Der Recher Herrenberg ist ein nach Süden gerichteter Steilhang, bis zu 60 % Neigung! Da freuen sich die Trauben – und weil der Berg eigentlich gar keinen Boden hat, sondern nur Steine (verwitterter Schiefer und Grauwacke), ist es da auch nachts gemütlich warm. Mineralität findet der Riesling natürlich auch – diese Auslese mit 30 Gramm Restsüße vereinte beides. Für Alexander Stodden ist die 2012 Herrenberg Riesling Auslese übrigens mit traurigen Erinnerungen verbunden: Als er im Januar 2013 den Wein filtrierte, starb sein Vater – mit 64 Jahren an Herzversagen.

skrei_5887Weißwein zum Fisch – das muss ja schon lange nicht mehr sein. Also sah die Regie des Abends vor, dass der Fischgang Gedämpfter Skrei mit rotem Pfeffer und Enoki-Pilzen mit dem einfachen 2012 Spätburgunder (13 €/Flasche), dem Gutswein des Hauses, kombiniert wird. „Experimentierfreudige Köche empfehlen diesen Wein zu gebratenen Fisch“, steht in der Expertise des Weinguts – aber von experimentierfreudigen Gästen ist da nicht die Rede: Wer am Tisch noch vom einen oder anderen Weißwein etwas übrig gelassen hatte, bevorzugte den (und verlangte gegebenenfalls nach, der Service im Gasthaus ist da ja nicht so zurückhaltend). Der Winterkabeljau war zwar, nicht zuletzt wegen des Pfeffers und der Sauce, durchaus kräftig und somit ein potentieller Partner zur würzigen Lagencuvée aus alten 1000-Liter-Eichenfässern – aber etwas weniger Kraft und frisches kühleres Weiß gefiel den Skrei-Essern eben auch ganz gut!

Hirschmedaillon_5894Keine rot-weiß-Diskussion mehr beim nächsten Gang, Hirschmedaillon mit Kakao und Spitzkohlcannelloni. Na klar, der 2008 Recher Herrenberg Spätburgunder (26 €/Flasche) lässt die Tannine sanft anklingen und schickt rote Frucht an den Gaumen, was mit der Sauce zum (wie immer wahnsinnszarten und saftigen) Hirsch primstens passte.

Zwischen den Gängen erzählt Alexander Stodden natürlich all die Dinge, die man gerne wissen möchte. Am beeindruckendsten: 75 Prozent seiner Weinberge sind Steillagen. Wirklich steile Hänge, wo nur Handarbeit geht. „Persönliches Erscheinen am Stock ist Pflicht!“ sagt er – und schiebt lakonisch hinterher, dass bei 22 bis 25 solcher Besuche vom Schnitt bis zur Lese bei 45.000 Pflanzen ganz schön was zusammenkommt. Es sei eben alles eine Frage der Philosophie, meint Stodden und nimmt für einen  überdurchschnittlichen Wein auch in Kauf, dass pro Hektar 1.800 Arbeitsstunden anfallen.

Hanging Tender_5900Da hätte man von allem gerne noch mehr gehabt – was aber unvernünftig gewesen wäre, denn es kündigte sich bereits der 2011 Recher Herrenberg Frühburgunder (33 €/Flasche) an – vom kenntnisreichen Service als „wir haben da noch was und können uns steigern!“ annonciert. Dazu sollte es etwas geben, was den meisten Anwesenden nicht so bekannt war: Hanging Tender aus dem Buchenrauch mit gebackener Schwarzwurzel und Holländischen Kartoffeln. Hanging tender nennen die Franzosen boeuf onglet, und deutsche Metzger bieten es (selten genug) als Nierenzapfen an. Ein Stück Rindfleisch, das die Zartheit von Rinderfilet und einen würzigen Eigengeschmack hat, der seines gleichen sucht. Küchenchef Oliver Lisso hatte es mit dem Buchenrauch geschmacklich noch ein wenig kräftiger gemacht und sehr rosa gegart. Reichlich Sauce: wunderbar! Dazu der fabelhafte Frühburgunder mit seinen leicht rauchigen Noten und reifem Tannin – der reichte auch noch zum Dessert, Delice von der Schokolade mit Kumquat-Kompott.

Preis für den Weinabend (Menü inkl. der Weine) 110 €

Jean Stodden – Das Rotweingut
Rotweinstraße 7-9
53506 Rech/Ahr

Telefon: 02643-300
www.stodden.de/

Gasthaus zur Post
Dorfstr. 11
49549 Ladbergen
Tel.: +49 5485 93 93 0
http://www.gastwirt.de

[Besucht am 15. Februar 2014]

Disclaimer:
Das Gasthaus zur Post ist Kunde von mir – dieser Text aber außerhalb der Aufträge entstanden.

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