Genuss im kochfreien Restaurant

Kochsternstunden bei Gräfe's Wein & fein

Kochsternstunden bei Wein&fein

Etwas anders waren Matthias Gräfe und sein kleines Team ja schon immer. Ob in ihrem Ladengeschäft Gräfe’s Wein & Fein in der Radebeuler Hauptstaße oder bei irgendwelchen Events, wo es sich meist um Käse und/oder Wein dreht – in der Regel sehr guten und gerne auch solchen aus extragroßen Flaschen: Matthias Gräfe, Nicolle Kirsten und Andreas Tietze betuddeln die Kundschaft herzallerliebst, brillieren durch Fachwissen in den genießerfreundlichen Themen Wein, Käse, Wurst und Desserts und wissen immer wieder zu überraschen. Im vergangenen Jahr beispielsweise, weil sie urplötzlich die Küche im Haus aktivierten und während der Kochsternstunden an der Aktion teilnahmen – aber nur am Wochenende. Wir waren damals da und begeistert.

Also dieses Jahr sofort wieder hin! Erste Überraschung: Es ist nicht nur voll, es ist rappelvoll. Wir sitzen mit einem Dutzend Leuten an einer schmalen Tafel mitten im Laden – da, wo sonst die Kunden vor der Käse-Wurst-Theke stehen. Ungewöhnlich? Na klar. Eng? Auch na klar! Schlimm? I wo, im Gegenteil, eher familiär-nett-unkompliziert.

Nächste Überraschung: Es gibt keinen dedizierten Koch. „Wir machen das alles selbst!“ sagt Matthias Gräfe, und da bin ich ja erstens neugierig und zweitens froh, dass es wenigstens jemand macht und sich das Essen nicht selbst macht, so wie das mit den Waren im Wein & fein passiert: „Dem eigenen Geschmack vertrauend, finden in erster Linie all diese Dinge uns. Dabei haben wir mit allen Erzeugern persönlichen Kontakt“, steht auf der Webseite.

Die Rolle des Jemand hatte Nicolle Kirsten übernommen. Für Desserts und andere Schnuckeligkeiten war sie ja schon immer zuständig, nun also für alles. Und wie hat sie es gemacht? Schaun mer mal!

Zweierlei von der Möhre: Suppe mit „Ingwer-Kapuziner“ & Salat mit gebeizter Lachsforelle brachten die Jungs vom Service in zwei Gängen, wegen der Enge an unserer Tafel. Sollte jemand einen Zweiertisch haben und beides parallel bekommen: Ich würde dennoch mit der Suppe anfangen, bevor die kalt wird! Die Suppe hatte ein gigantisches Schaumkrönchen (besser als bei den meisten Cappucini!) und schmeckte kräftig nach Möhre und nur verhalten nach Ingwer. Noch besser gefiel uns die Möhre im Salat zur Lachsforelle, die als Tatar auf den Tisch fand. Die Möhrenstreifen mit feinem frischen Dressing und Korianderblättern. Da wir das mögen: grandios! (Wer bei diesem cilantro immer nur an – sorry – Katzenpisse denken muss, wird das anders sehen.)

Der Zwischengang war ein (zimmerwarmes, be prepared!) Saltimbocca von Landhuhn, Domspeck, Apfelspalten, Salbeibutter auf Elbgebirgskäsepolenta. Sah anders als als das sattsam bekannte saltimbocca alla romana im Speckmantel und schmeckte auch erfreulich anders. Optisch muss man sich das eher wie einen filigranen Turm vorstellen. Und geschmacklich? Polenta mit Käse wird sowieso unterschätzt und wäre zusammen mit der Salbeibutter allein schon einen Löffel wert, und die Kombination aus würzig-kräftigem Domspeck, leicht säuerlichen Apfelspalten und zartem Landhuhn ist ein Jubelereignis für die Geschmacksrezeptoren.

„Heyers Milch-Beef im Frühling“ mit Kartoffeln, Gemüse & Kräuterrahm brachte uns die schon im vergangenen Jahr gelobte Bekanntschaft eines vorzüglichen Produzenten in Erinnerung. Rosa Kalb (nicht ganz so zart, sondern mit Biss) grob geschnittenes herzhaftes Gemüse (Möhre, Petersilienwurzel, Kartoffel, Zuckerschoten) und ein Kräuterrahm, der Goethe mal von was anderem als der grünen Sauce seiner Mutter hätte schwärmen lassen.

Das Dessert war süß (Schattenmorelle, als Tarte) und herzhaft (weißes Schokoladen-Frischkäse-Mousse), und weil’s so schön war, gab’s dann ungeplant als Zugabe noch eine Käseplatte aus dem reichhaltigen Angebot des Hauses.

Wer sich nun wundert, ob es denn zu so einem fantastischen Essen gar keine Weine gegeben habe, dem muss ich schreiben: Könnte sein. Denn zum Anderssein gehört nicht nur, dass man auf Wunsch eine vegetarische Variante (oder beispielsweise den Hauptgang mit Fisch) bestellen kann, sondern dass es hier zum Essen auch eine komplette Saftbegleitung gibt. Abgestimmt aufs Essen, so wie Weinliebhaber sich das auch wünschen. Die Van Nahmen-Säfte kamen vom Rhabarber, Boskoop, der Phönix-Traube und der Portugieser-Traube – und wer sie trank, lobte sie.

Wein gab’s natürlich auch, alles andere wäre beim Weinkenner Gräfe ja irgendwie auch Frevel. Die persönlichen Beziehungen zu den Erzeugern schlagen sich hier durchaus auch in Weinen nieder, die man anderswo nicht bekommt. So probierten wir zur Vorspeise einen sehr fruchtigen und im Geschmack nachhaltigen 2013er Müller-Thurgau von Andreas Kretschko. Eine Rarität, denn Kretschko hat gerade mal 0,7 ha Steillagen für seine Weine zur Verfügung! Als Reperaturwein zwischendurch probierten wir außer der Reihe dann noch einen Wein, den es so in dieser Ausstattung nicht geben dürfte: Müller. steht auf dem Etikett, aber die mündliche Erläuterung ging dann doch weit übers gesetzlich vorgeschriebene Maß hinaus! Wie überhaupt einmal gesagt werden muss, dass die Erläuterungen an diesem Abend extrem gut waren.

Ungewöhnlich der „Laisser Faire“ 2012er Riesling vom Weingut Friedrich Becker (Pfalz): Der lag im Holzfass, was ihm deutlich den typischen Riesling-Geschmack nahm, wie wir ihn kennen. Kann man aber machen, und wenn man nicht seinen gewohnten Riesling haben will, passt das richtig gut.

Den 2012er Spätburgunder vom Weingut Büchin (Baden) zum Hauptgang haben wir gar nicht probiert, weil Matthias Gräfe in der anderen Hand ein Schmankerl hielt: „Unser 1. Prinzenwein“ heißt die Cuvee vom Schloss Proschwitz, eigens gefüllt für Gräfe’s Wein & fein. Etwa 80 Prozent Weißburgunder (der Rest ist Müller Thurgau) geben der Cuvee auf Spätlesenniveau, den der Proschwitzer Kellermeister Jacques du Preez gemeinsam mit Matthias Gräfe kreiert hat, einen feinen Schmelz. Bekam dem Kalb gut!

Zum Dessert hatten wir dann eine 2011er Gewürztraminer Spätlese vom Hiestand (Rheinhessen) im Glas – da kann man nix falsch machen 😉

Ladenlokal Gräfes Wein & Fein
Hauptstrasse 19
01445 Radebeul

Tel.: 0351 | 8 36 55 40
www.graefes-weinundfein.de

Öffnungszeiten für das Menü:
Fr – Sa ab 18.00 Uhr (Reservierung empfohlen)
Mo – Do auf Reservierung

[Besucht am 8. März 2014  | Karte der hier besprochenen Restaurants in Dresden und Umgebung]