Ein lauer Sommerabend in der Provinz

Ein Bummel durch Meißen zwischen Schließzeit und Bürgersteighochklappen

Hört Ihr Leut und lasst Euch sagen…

Was war noch mal das Schöne an diesen lauen Sommerabenden? Genau: Dass man sie draußen genießen kann. Tagsüber je nach Laune und Gelegenheit arbeiten, ins Schwimmbad, ins Museum, wandern – die Liste kann lang sein. Und dann zum Ausklang des Tages einen Bummel durch die Stadt, hier mal einkehren, vielleicht auch noch ein wenig shoppen. So könnte es sein.

Am MarktWir waren, als Touristen verkleidet (also mit baumelnder Kamera vorm Bauch) in Meißen. Weil es da nette kleine Geschäfte hat, fand die Frau völlig ungeplant ein nettes Kleid – und während sie probierte, fand der Mann am Markt mehrere Einkehrmöglichkeiten. Eine war das Ziel: Um zehn vor sechs, betraten wir die Dependance vom Weinhaus Schuh und taten kund und zu wissen, ein Glas Wein trinken zu wollen. „Das geht nicht!“ tirilierte die Bedienung im leeren Laden, „wir machen um 18 Uhr zu!“ So blöd wie wir geguckt haben, hätten wir jeden Wettbewerb im Dummausderwäschegucken gewonnen, aber auf unsere zaghafte Nachfrage frei nach Reinhard Mey, ob „ein letztes Glas im Steh’n“ nicht doch drin sei, säuselte sie bestimmt: „Nein!“.

KlosingtimeVoller Freude, dass unser Abend in Meißen so toll begann, liefen wir weiter bergauf. Die Burgstraße öffnet sich etwas weiter oben zu einem Platz – und an dem gewährte man uns Asyl: „der Weinladen“ von Claudia Beyer hat bis 19 Uhr geöffnet und Plätze vor dem Haus sowie im sehr schnuckeligen Garten – mit Blick auf den Burgberg mit den Türmen des Doms. Beim Wein entschieden wir uns für einen Kerner vom Weingut Jan Ulrich. Auf der Karte stand er mit 4,40 € für 0,2 l, wir bekamen aber selbstverständlich auch ein kleines Glas mit 0,1 Liter. Fairer Preis, ordentlicher Wein – und wir überlegten, wie man in Meißen Touristen beglücken will, wenn man um 18 Uhr die Geschäfte schließt. Weiter oben auf der Burg mussten wir dann übrigens erleben, dass nicht nur die Geschäfte schließen: Auch die Bürgersteige werden hochgeklappt, indem ein Schließer die Wege um die Burg einfach mal mit einer Kette versieht. Auch der beliebte Weg „Nach der Stadt“ war verschlossen, eine fette blaue Tür im Bischofsschloss fest verrammelt. Weiter unten in der Stadt die öffentliche Toilette schließt übrigens um 17 Uhr – ab dann nutzen Meißner im Suff dem Geruch nach zu urteilen schon mal die Straßenecke, an der die Häuser leer stehen und per Schild nach Geschäftsideen suchen.

GiebelFreundlicherweise waren die Vorhänge an der Aussicht auf Elbe und gegenüberliegende Weinberge noch nicht zugezogen, so dass wir den Blick ein wenig genießen konnten. Und statt direkt runter zur Stadt wählten wir den Weg vorbei am Jahnaischen Hof. Das Hofportal mit den beiden Sitznischen lädt ein, eine kurze Rast einzulegen. Mehr geht auch nicht, denn es ist natürlich zu, so dass man das Löwenportal von 1610 drinnen nicht sieht. Schade, denn es gilt als das schönste Renaissance-Portal Sachsens! Der Backsteingiebel des 1509 erbauten Prälatenhauses ragt rotweiß in den blauen Abendhimmel und bedarf keiner Schließzeiten. Ach, wir lieben den öffentlichen Raum!

6 Kommentare

  1. Thomas, Spaß hatten wir trotz alledem.
    Kathrin – ob die das wissen wollen? Sie machen doch auch zu! Ich meine ja, die Kaufleute, wie wir das im Norddeutschen nennen, müssten initiativ werden. Um für Touristen (und Dresdner am Abend) attraktiv zu sein, muss man was bieten und sich nicht verschließen, im Wortsinn!

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