Zwei Farben rosa

Besuch in Meißen im Goldenen Fass

Goldenes Fass 14

Es gibt Dialoge, die kann man nicht erfinden. Dieser trug sich beispielsweise im Goldenen Fass Meißen zu, wo man sich rühmt, „Heimatkunde zum Anbeißen“ anzubieten, worunter das Team versteht, regionale Küche gekonnt mit Rezepten aus aller Welt zu kombinieren“. Und der Dialog ging so:

Bedienung während wir essen: „Und? Ist alles gut?“
Ich so: „Nein, nichts ist gut!“
Bedienung: ??? (guckt fragend, immerhin)
Ich: „Laut Karte hatte ich ein rosa gebratenes Steak bestellt – wenn das hier rosa ist, ist der Koch farbenblind!“
Bedienung: „Ist in Ordnung!“

Wir nutzten unsere Übung im Dummausderwäschegucken und traten nochmals an, den Pokal zu holen. „Nein, nichts ist in Ordnung, gar nichts!“ sagte ich, worauf die Bedienung mit einem „Ich sag der Küche Bescheid“ entschwebte. Wenig später kam dann die Kollegin und bot an, ein neues Steak zu bringen – aber das wollte ich nicht. Denn das wäre ja wieder nicht gut gegangen, wie soll es das denn in zwei, drei Minuten. Bis dahin wäre ja der Rest kalt geworden, oder die Frau hätte ihr Gericht allein aufgegessen, um mir dann zuzuschauen – nee nee. Das Fleisch des Grauens ließ ich allerdings bis auf den Probe- und Fotohappen unangetastet zurückgehen und begnügte mich mit dem, was die Heimatkundler „knusprige Bratkartoffeln“ nannten. Die servierten halben Kartoffeln in ihrer Schale schmeckten zwar, aber knusprige Bratkartoffeln in einem regional verankerten Restaurant gehen anders. Hier zur Dokumentation der komplette Name des Gerichts: „Unser FassSteak vom Rind rosa gebraten mit knusprigen Bratkartoffeln, dazu reichen wir hausgemachte Tomatenbutter und eine leichte Salatvariation“ (22,70 €). Nun ja.

Vorab hatten wir uns, der Regionalität wegen, „Meißner Köstlichkeiten“ bestellt. Laut Karte „mit Meißner Domspeck, Elbgebirgskäse und Rotweinkäse von der Fleischerei Nagel, Blut- und Leberwurst von der Fleischerei Richter, dazu reichen wir gute Butter und frisch gebackenes Brot.“ (Als Vorspeise für 8,90 €, als Hauptgang 12,90 €). Die Bedienung brachte die Schiefernplatte und erklärte, was da drauf liegt. Der eine Schinken sei der Domspeck, der andere – oh, da müsse sie jetzt passen, Moment. Ach ja, irgendwas aus der Toskana. Oh, unterbrachen wir sie, aus der Toskana? Das sei ja eine tolle Meißner Köstlichkeit! Neinnein, beeilte die Fachkraft sich zu beschwichtigen, der sei nur aus der Toskana, würde aber hier in Meißen reifen. Sie wisse aber nicht, wie er heißt. Nun ja.

Vergessen hatte sie nicht nur die Bezeichnung für den Schinken, sondern auch das annoncierte frisch gebackene Brot, auf das wir die gute Butter zu platzieren geneigt waren. Als wir es (das Brot) einklagten, erhielten wir etwas, was uns sehr an Mischbrot aus der Tüte erinnerte, vorgeschnitten und sicher irgendwann mal frisch gebacken. Nun ja.

„Wo bleibt denn da das Positive?“ wurde der Herr Kästner gerne gefragt und antwortete lyrisch. Gerne, sehr gerne, loben wir an dieser Stelle daher die beiden Käse vom Fleischer Nagel sowie Blut- und Leberwurst vom Fleischer Richter. Jedes für sich eine Gaumenfreude und einen Gang zu den beiden Geschäften wert, um mehr davon zu erstehen und daheim zu genießen.

Noch ein Vers Kästner gefällig, aus dem nämlichen Gedicht? Hier:

Die Spezies Mensch ging aus dem Leime
und mit ihr Haus und Staat und Welt.
Ihr wünscht, daß ich’s hübsch zusammenreime,
und denkt, daß es dann zusammenhält?

Womit wir bei der Weinkarte des Goldenen Fass angelangt wären. Die hatte es uns beim Vorab-Studium schon angetan ob ihrer kalkulatorischen Keckheit. Ein Schoppen (0,2 l) Cuveé Meißenweiß von Tim Strasser kostet 9,20 € – das ist mehr, als eine ganze Flasche den Endverbraucher im Weingut gegenüber vom Goldenen Fass kostet (8,60 €). Das ist eine ganz ganz tolle Werbung für den Meißner Wein (und das haben die Winzer nicht verdient, wenn die Touristen sie mit Abzockern assoziieren). Aus der Hoflössnitz werden (unter dem Signum Sachsen) nur Weine angeboten, die nicht aus Sachsen kommen. Nun gut, es ist ein wenig auch ein Hoflössnitzer Problem, aber die schreiben wenigstens korrekt „Deutscher Wein“ auf ihre Etiketten. Aber das den Touristen als sächsischen Wein anzupreisen? Keck.

Dummdreist (pardon…) ist dann die nächste Kategorie, die ja eigentlich trefflich für die Hoflössnitzer Cuveés gewesen wäre: „Nicht ganz sächsische Weine“ heißt diese Abteilung, in der sich Deutsches von Pfalz, Mosel, Baden-Württemberg tummelt. Wir fanden dort, oh heiliger Adam Ries aus dem Erzgebirge, sei uns gnädig, auch folgendes kalkulatorisch-rechnerisches Kleinod: 0,1 Liter für 3 Euro, – 0,2 Liter für 6 Euro – 0,5 Liter für (wir rechnen: 2x 0,2 plus 1x 0,1 und kommen worauf? – genau:) 15,10 €. Bravo! Wir bestellten von diesem leichten Sommerwein natürlich 0,1 Liter, da bleibt er wenigstens kühl…

Goldenes Fass Meissen
Vorbrücker Str. 1
01662 Meissen

Tel. 03521 / 719 200
www.goldenes-fass-meissen.de

[Besucht am 2. Juli 2014 | Karte der hier besprochenen Restaurants in Dresden und Umgebung]

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