Auf und ab beim Weingutsbesuch

Annegret Föllner

Das Motto der Tage des offenen Weingutes kenne ich nicht – auf dem Flyer steht keins, da lese ich nur was von Rarität und Majestät. Wir haben ja immer unser ganz privates Motto, und das lautet etwas sehr salopp (und die Mitmacher des Tages gestern dürfen mir da jetzt nicht böse sein) laufen & saufen. Naja, das ist vielleicht wirklich etwas pointiert, aber es deutet doch an, was wir so gemacht haben zwischen elf und 23 Uhr.

Blick nach MeißenMit der S-Bahn nach Meißen, das war noch der bequemste Teil. Dann bei aufreißendem Himmel mit immer weniger Regenwolken und fotogenem Blau plus Wölkchen die Elbe entlang gelaufen bis zur Dresdner Straße, wo wir die neue Manufaktur am Mariaberg schon von weitem erkannten: Ein Presshaus aus den Dauben alter Weinfässer, das hat ja schon mal was. Wir also rein und erst einmal einen Rosarot probiert sowie die Manufaktur gründlich erforscht (dazu gibt’s einen eigenen Bericht). Natürlich mussten wir dann auch noch einen kleinen Happen zu uns nehmen – dunkles Brot mit Tomaten, Kapern, Oliven. Man hat Geschmack dort, das wird sicher ein Perma-Anlaufpunkt in den kommenden Jahren. Zum Imbiss passte natürlich ein Riesling – der von Martin Schwarz hat nur den Nachteil, dass er kaum getoppt werden kann. Aber mal mit dem Besten anzufangen hat ja auch was.

WeintraubenDie Weinmanufaktur am Mariaberg liegt, wenn ich das richtig mitbekommen habe, am Reichelberg. Den stapften wir also hinauf, um zu erahnen, was Steillage heißen kann. Die Sonne meinte es gut, aber nicht unerbärmlich. Und ein wenig Sport (der sittlichere Teil des inoffiziellen Mottos) muss ja auch sein. Das Weinlaub färbt sich bereits, für Fotografen die schönste Zeit des Jahres im Weinberg. Auch die Trauben machen was her, und immerhin erkennen wir an den Sommersprossen mittlerweile auch den Riesling. Um zum Mariaberg zu gelangen, muss man dann irgendwann Richtung Spaar-Gebirge abknicken, was uns auch schon im dritten Anlauf gelang.

Weinkönigin und WeinprinzessinDas Weingut Mariaberg von Anja Fritz gibt es seit 2008. 1,1 ha im Mariaberg und 1 ha im Reichelberg sind die Grundlage ihrer Weine. Die quirlige Weinprinzessin aus dem Jahr 2010/11 ließ uns erst mal die Weißen probieren: Traminer, Riesling, Weißburgunder. Wir entschieden uns beinahe für alle, wobei ich mit dem knackigen Riesling glücklich den Mariaberg hinaufstieg, um etwas oberhalb des Trubels die Ruhe zu genießen. Die Mitwanderer hatten sich für den Traminer begeistert, was ich gut nachvollziehen konnte – kam er doch gar nicht plump und schwer daher, sondern eher filigran. Der Wein, der zur Landschaft passt? Auf jeden Fall gefällt er mir besser als der goldige, den sie hier in der Gegend manchmal so preisen… Was es statt dessen gab: Majestätsbesuch. Katharina Lai, amtierende Weinkönigin, kam zum Kaffeeklatsch vorbei. Wobei auch sie Riesling dem Kaffee den Vorzug gab, eine gute Entscheidung.

Marlena KremtzAuf halber Höhe trafen wir zwei Mädels vom befreundeten Nachbarweingut Ricco Hänsch. Eine von ihnen deutete an, dass sie sich vielleicht der Wahl zur nächsten Weinkönigin stellen werde. Das fanden wir gut – erstens weil es da immer viel zu wenig Bewerberinnen gibt, zweitens weil wir mit unserer kleinen Spontanfotosession später vielleicht in die Geschichte eingehen werden als die ersten, die Marlena Kremtz im Weinberg hatten, – und drittens, weil wir da so eine Idee hatten. Aber die ist noch nicht spruchreif, bitte später mal nachlesen und sich an diese Zeilen erinnern.

Ricco Hänsch und Annegret FöllnerDie Stimmung im Weinberg und am Weingut war so, wie es sich gehört: eine sehr stressfreie Heiterkeit, Genuss pur. Wir hatten den Hänsch-Mädels versprochen, auch bei ihnen vorbeizuschauen und tarnten den kleinen Weg als neuerlich Teil unseres Weinwandertages. Der Ricco Hänsch warb vor seinem Weingut mit einem Fass voller Weinflaschen. Wobei Kenner doch genau wissen, dass er quasi ausgetrunken ist. Aber der alte Marketing-Fuchs hatte sich einfach ein eigenes Thema ausgedacht: Riesling Royal, mit Rieslingen aus fünf Anbaugebieten. Als wenn das nicht royal genug wäre, musste es natürlich Riesling sein, der mit Weinköniginnen zu tun hat – so hat halt jeder seine Hobbies. Noch bevor wir aber Riesling im Glas hatten (natürlich den von Ricco Hänsch, solange das noch geht und bevor auch der ausgetrunken ist), stand leibhaftiger Riesling vor uns: Annegret Föllner, Sächsische Weinkönigin 2009/10, hatte ein Kleid mit Riesling-Etiketten an und begrüßte die Gäste fröhlich lachend mit „Ich bin der Riesling!“. Als bekennende Riesling-Fans haben wir uns natürlich erst einmal an die Reben zurückgezogen und ein wenig Fotos gemacht…

Am Ende des Tages…Wir hätten an dieser Stelle den Tag ausklingen lassen sollen – mit netten Leuten und gepflegten Weinbergen drumherum. Aber wir mussten ja noch unbedingt auf die Bosel, Blicke genießen. Und beinahe sogar Sonnenuntergang. Unser Ziel war ja eigentlich der Hof von Winzer Schuh, dessen Restaurant bei den Kochsternstunden Platz eins gemacht hatte, weil es dort alles so toll sei. Als wir ankamen, waren alle Plätze besetzt, kann ja passieren. Wir also ums Eck, wo Remmidemmi mit Jazz war. Das war uns zu trubelig, wir also wieder zurück – und wir hatten Glück: Ein Tisch wurde frei. Wir also hin – aber kein Service kam nie nicht vorbei. Ich also auf und zur Servicekraft, die an einem Tisch bediente. „Was gucken Sie mich denn so treuherzig an?“ wollte sie wissen, was ja beinahe ein Angebot war. Aber nur beinahe. Mein Wunsch, bedient werden zu wollen und (es war ca 19:15 Uhr) was zu essen zu bekommen, so wie alle anderen hier auch, wurde abschlägig beschieden: „Es gibt nichts mehr – wir sind überfordert und müssen drüben helfen!“ Etwas konsterniert taperte ich zum Platz, um das den Kumpels mitzuteilen. Die wollten es nicht glauben – aber nur fünf Minuten später kam meine treuherzige Bedienung und legte eine Karte auf den Tisch: Flammkuchen gäbe es noch. Und verschwand, ohne auch nur zu fragen, ob wir etwas trinken wollten.

Kopfschüttelnd verließen wir die ungastliche Stätte und interpretierten das Wort Weinfest mit Tränen im Auge ganz neu.

[Erlebt am 30. August 2014]

Die Wanderung über die Bosel ist hier beschrieben: herauf und herunter

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