Der ganze See in einer Veranstaltung

Festival Fish&Chef vom 22. bis 29. April am Gardasee

Malcesine

Wann war das eigentlich, als die Deutschen den Gardasee für sich entdeckten? War es unser aller Johann Wolfgang, genannt Goethe, der 1786 hier Station auf seiner Italienischen Reise machte? Oder war es das deutsche Ehepaar Wimmer, das 1880 die ersten Hotels in Gardone Riviera baute? Oder war das dann doch, Ende der 50er Jahre des vergangenen Jahrhunderts beginnend, der Münchner Tourismus, als man sich im Rahmen des beginnenden Wirtschaftswunders wieder was leisten konnte und merkte, wie toll das Klima am anderen Ende der Alpen sein kann?

MalcesineJa, genau so, in der Reihenfolge. Goethe war natürlich kein Tourist, sondern Einzelreisender auf der Durchreise nach Verona – aber da, wo er war, beruft man sich gerne auf ihn. Seine Stippvisite am 13. September 1786 und unsere STIPvisite am 21. Januar 2015 hatten eins gemein: Sie waren kurz und eher zufällig. Sein visita lampo fand statt, weil der mittägliche Wind aus dem Süden, der sich pünktlich um 13 Uhr erhebt und daher ora genannt wird, ihn am Ufer von Malcesine (für die Nichtkenner: bitte auf der dritten Silbe von hinten betonen!) quasi stranden ließ. Unser Besuch verlief geplanter, er fand im Rahmen einer Pressereise statt, die uns die Schönheit der Gegend im Allgemeinen und die hohe Kunst der Olivenölgewinnung sowie des Weinmachens und guten Essens im Besonderen vor Augen führen wollte. Der Anlass: Das Festival Fish&Chef, das in diesem Jahr bereits zum sechsten Mal am Gardasee stattfindet.

QcinaWorum es geht, lässt sich einfach zusammenfassen: um Spaß am Genuss. Vom 22. bis 29. April wollen insgesamt neun Michelin-besternte Chefs die Produkte der Gegend interpretieren – ein jeder auf seine Weise und an jedem Tag in einem anderen Top-Restaurant – am Finale kochen dann alle zusammen. Trotz des Titels Fish&Chef gibt es aber keineswegs nur Fisch, wie wir bei einer Probedegustation im Restaurant Moscal im kleinen Ort Affi erfuhren. Dort kochten für uns Leandro Luppi, der uns als Begründer des Festivals vorgestellt wurde und nicht nur das Moscal betreibt, sondern auch das mit einem Michelin-Stern ausgezeichnete Ristorante Vecchia Malcesine, und Laurent Paccini vom Ristorante Villa Fiordaliso. Außerdem zu Gast (neben einer Schar von Journalist*innen und Blogger*innen) zwei Winzer, genauer die dott. Roberta Bricolo von der Azienda Agricola Gorgo und Massimo Ronca von der Azienda Agricola Ronca. Das Festival wolle, sagte Luppi, den ganzen See in einer Veranstaltung unterbringen – geschmacklich, versteht sich. Und mit See meint er die Gegend und ihre Produkte vom Olivenöl, den Weinen, den Fischen, dem Fleisch, den Nudeln – ach: allem.

Roberta BricoloZur Begrüßung und zum allgemeinen Geschnatter gab es einen Custoza Spumante von Gorgo. Wir waren ja an einem kalten Januartag da, gerade mal so über Null Grad – aber schon da empfand ich den als schönen Herzensöffner. Wie dann erst im Sommer, draußen auf der Terrasse (und dann wahrscheinlich den Schatten suchend…)? Da es zum Aperitivo finger food gab (Fleisch und Fisch), durften es auch zwei Gläser sein: passte!

Zwischendurch war Zeit für einen kleinen Schnack mit Roberta Bricolo. Ihr Weingut Gorgo wurde 1973 in der Gemeinde Sommacampagna etwas nördlich von Custoza gegündet. Custoza, muss man wissen, ist nicht nur der Name einer Ortschaft , sondern auch die Bezeichnung der Weine der Gegend. Seit 1971 gibt es die kontrollierte Ursprungsbezeichnung (DOC) – die Weine freilich vor Ort schon viel länger.

Broccolo di Custoza, Trota marinata e il suo CavialeZurück zum Weingut Gorgo: das hat sich im Laufe der Zeit ganz schön gemacht, aus anfänglich 22 Hektar sind mittlerweile 60 Hektar geworden, die praktisch komplett im Anbaugebiet der Rebsorten für „Bianco di Custoza“ und „Bardolino“ liegen. Wir hatten zum ersten Gang des Menüs – Broccolo di Custoza, Trota marinata e il suo Caviale (Broccolo aus Custoza, marinierte Forelle und ihr Kaviar) – den 2014 San Michelin von Gorgo, ein Riserva di Custoza. Vier typische Rebsorten finden sich in dem relativ kräftigen (Custoza geht deutlich leichter!) Wein: Cortese, Tocai, Trebbiano toscano und Garganega. Zur Vorspeise, die optisch einem Gemälde gleichkam und geschmacklich prinzipiell einfache Dinge mit Kleinigkeiten zum Hochgenuss aufpeppte, ließ sich das gut an – aber auch hier wünschte ich mir etwas besseres Wetter zum Genuss. Also: Die Custozas sind schon eher so die typischen Sommerweine (den Custoza San Michelin gab’s übrigens im Juli 2014 für Kunden der Lufthansa Business Class auf internationalen Flügen)…

Carbonara di LagoMit dem Pasta-Gang begann die Küche ein kleines Verwirrspiel mit Begriffen. Bei Carbonara erwartet man ja Nudeln mit Speck, Ei, Käse – aber diese waren ja di Lago, also aus dem See. Statt des Specks gab es lavarello, was uns der sehr gut deutsch sprechende Leandro Luppi mit „Felchen“ übersetzte. Und ich dachte immer, das sei ein Bodensee-Fisch, aber egal. Der Teller sah wieder bestens aus, und neben den Speckwürfelvortäuschern aus dem See musste ich mal wieder die pasta der Italiener loben. Hartweizen aus ökologischem Anbau: gut. Wobei von höchster Qualität bei den Nudeln von Felicetti ganz schön wortverspielt ist: die Firma produziert seit 1908 in den Dolomiten auf über tausend Metern Höhe! Aber man muss die pasta eben auch richtig kochen und mit der passenden Sauce verschmelzen, was hier trefflich klappte.

Massimo RoncaWinzerwechsel zum Pasta-Gang, aber kein Sortenwechsel: ein 2013 Custoza von Massimo Ronca. Der hat seit 2007 das 20 ha große Weingut (das es schon seit den 70er Jahren des vorherigen Jahrhunderts gibt) ein wenig auf Qualität getrimmt: handverlesene Ernte und ein sehr durchdachtes System biologischen Arbeitens im Weinberg sind nur zwei Dinge, auf die Massimo Ronca Wert legt. Ronca saß bei uns am Tisch (das Foto zeigt ihn übrigens einen Gang später, da gab’s einen seiner Roten). Wir erfuhren, dass Solar-Energie 80 % des Warmwasserbedarfs des Weinguts liefert, dass eine Photovoltaik-Anlage den Strombedarf um 30 % gesenkt und die CO2-Emissionen in die Atmosphäre um etwa 39 Tonnen pro Jahr verringert hat. Auch sehr spanend ist ein Projekt, bei dem seit 2013 Winzer der Gegend mit etwa 100 Hektar Land ohne den Einsatz von Insektiziden arbeiten. Das Weingut benutzt keine Herbizide zur Unkrautbekämpfung zwischen den Rebstöcken, sondern nutzt ein System des Wettbewerbs – „die Nähe von Gras und Wurzeln des Weinstocks erhöht die Widerstandsfähigkeit des Weinstocks und erhöht somit auch die Traubenqualität“, sagt der Winzer. Sein Custoza vereint die drei Rebsorten Garganega, Trebbianello und Trebbiano Toscano. Jeder Wein wird getrennt für vier Monate bis zum Moment des assemblaggio, des Verschnitts, auf eigener Hefe gelagert und kommt ungefähr einen Monat nach dem Ausbau in die Flaschen und zum Kunden. Zur Sahne-Ei-Sauce und zum Fisch ein idealer Begleiter.

BollitoBollito – ist was in unseren Köpfen? Fleisch, viel Fleisch. Gekocht, eher derbe, rustikal. Auf der Menükarte stand aber nicht Bollito, sondern Bollito ?? – mit zwei abgesetzten Fragezeichen. Das hatte was zu bedeuten. Wir dachten (wegen Fish&Chef) an eine Fischvariante, so eine Art Bouillabaisse nach Seeart – genug Fischarten gibt’s ja. Aber nein: der Service brachte uns einen Scheiterhaufen mit Carpaccio, unter dem sich offenbar Gemüsestreifen verbargen. Aha, Fleisch, nur eine Sorte und ein wenig weniger derb – na gut. Die Suppe brachte Leonardo Luppi separat in einer gelben Kanne und übergoss damit das rohe Fleisch, um ihm einen Hauch von angegart zu geben – und zwar wirklich nur einen Hauch, denn so zart-dünn wie vermutet war das Carpaccio gar nicht. Das tat ihm jetzt gut. Beim Löffeln stellte ich dann fest, dass da noch mehr drin war – ich tippe mal auf Zunge. Zwei Fragezeichen, zweierlei Fleisch. Ich setz da mal ein Ausrufezeichen! Zum Fleisch gab’s natürlich einen Rotwein, denn das können sie auch ganz gut in der Gegend. Der intensiv rote Corvina aus dem Jahr 2013 hatte eine schöne Nase (Kirsche, Pfeffer, Schokolade – wie die Zutaten einer passenden Sauce!) und war angenehm weich. Kein wirklich großer Wein, aber ein adäquater für die Mittagszeit zu dem verspielten Bollito.

Macedonia d' Inverno con Gelato al PinoDas Dessert geriet fruchtig. Macedonia d‘ Inverno con Gelato al Pino hatte die Leichtigkeit, die man sich am Ende des Mahls wünscht (und nicht noch so ein Sahnestopfen oben drauf!). Das Pinieneis war – im Zusammenspiel mit dem Crumble – der Hammer, die Früchte in der Zusammensetzung mal was anderes. Auch Frucht, aber im Glas, gab es zusätzlich: Die Roner Brennereien aus Tramin in Südtirol weiß mit Trester und Früchten seit drei Generationen umzugehen – sich da für ein Glas zu entscheiden, fällt schwer. Den Williams? Den Gravensteiner mit Äpfeln aus eigenem Anbau? Oder doch lieber ein Grappa vom Gewürztraminer oder gar den vom Blauburgunder, der – wenn ich das richtig verstanden habe – in sieben verschiedenen Hölzern lag, bevor die Cuvee als Riserva auf den Tisch kommt? (Jaja, ich hör schon: In der Reihenfolge! Kann man machen, hat dann aber nix mehr mit Genuss zu tun.) Apfel oder Grappa? Apfel. Denn Obst ist ja gesund…

Locanda Moscal
Via Pigna 1
Affi (VR)
37010, Italia

Tel: +39.045.62.60.309
www.moscal.it

[Besucht am 21. Januar 2015 | Lage | Der Besuch fand statt im Rahmen einer Pressereise zum Thema Fish&Chef]

 

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