In Nudeln nur Gabeln

Vom richtigen Umgang mit der Nudel

Bollito

Neulich beim Pastagang in einem Restaurant am Gardasee gab’s eine schöne Lektion in Esskultur. Es war – eigentlich – eine internationale Pressereise, Umgangssprache englisch. Ich saß allerdings an dem Tisch, an dem alle italienisch redeten – nicht schlecht, um ein wenig zu lernen. Meine Nachbarin zur Linken, Clara aus Rom, konnte ja deutsch, und wenn ich gar nicht folgen konnte, übersetzte sie schnell. Ansonsten hielten wir es so: Sie sprach (schön langsam) italienisch, ich (schön deutlich) deutsch. Lebenslanges gegenseitiges Lernen, oder so. Zu meiner Rechten saß Maria aus Mailand. So viel zum Setting.

Der zweite Gang unseres mittäglichen Menüs war eine überaus köstliche Carbonara – ohne Schinken, aber mit Fisch. Serviert mit einer Sauce, die schon beim Ansehen Speichelfluss auslöste. Und dann erst nach dem Probieren – aber lassen wir das, das lenkt gerade nur vom Thema ab. Das Thema ergab sich nämlich schnell, als ich ein Riesenlob von der Dame zur Linken erhielt (auf italienisch, naturalmente). Sie lobte, dass ich den mit bereit gelegten Löffel hatte liegen lassen und die Nudeln lediglich mit der Gabel aufrollte und zum Mund führte. So, genau so und nicht anders sei es richtig in Italien, meinte Clara und lobte nochmals.

Maria nebenan hörte interessiert zu – und legte klammheimlich und ein wenig verstohlen den Löffel zur Seite, den sie benutzt hatte. Ja, da war was los! Nudel mit Löffel, das gehe doch gar nicht! – Aber er sei doch serviert worden, und die Sauce sei es doch auch wert, gelöffelt zu werden! So ging das hin und her, natürlich immer sehr freundschaftlich – aber bestimmt. Ergebnis: Solange Nudeln dabei sind: Nur Gabeln. Wenn dann noch leckere Sauce über ist: Gerne den Löffel nehmen.

Das gilt, habe ich gehört, auch für Deutsche. Sie wissen es nur noch nicht.

Auszug aus Reinhard raffalt, Eine Reise nach Neapel. Prestel 1996PS:
Leider hatte ich mein Lieblings-Lernbuch für Italienisch nicht dabei: Reinhard Raffalts Eine Reise nach Neapel e parlare italiano, geschrieben 1957! Das war die Zeit, wo die (Süd-)Deutschen (Nord-)Italien für sich entdeckten, also brauchten sie noch ein wenig Anleitung fürs alltägliche Leben – wozu natürlich auch das Nudelphänomen gehört. Aber hier geht’s nicht einmal um den Löffel (der folgt auch, eine Seite später – und wird nur zum Durchmischen von Nudeln und Sauce empfohlen– danach weglegen. 1957 schon!), sondern ums Messer. Köstlich – ich empfehle, den fotografierten Abschnitt zu lesen!

 

2 Kommentare

  1. Da fallen mir zwei Dinge auf: Dass überhaupt ein Löffel dazu gelegt wurde (aber wir sind ja am Gardasee…), und dass die Pasta wohl von sehr viel Sugo umgeben war, was in Italien eigentlich eher die Ausnahme darstellt.
    Aber Messer geht natürlich gar nicht; wenn jemand Pasta scheidet, tut es mir schon fast körperlich weh…
    Ein schön geschilderter Bericht!
    Saluti
    Ariane

    • Der Koch (immerhin 1 Stern bei Michelin) sagte es so: Erstens seien ja lauter Deutsche da – und zweitens fand er die Sauce (eingekochte Sahne und Eier, leicht gestockt und wieder verschlagen) selbst so gut, dass er es frevelhaft gefunden hätte, sie nicht zu essen. Und da hatte er Recht!

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