In der Obhut eines verständnisvollen Teams

Ein Besuch im william im Rahmen der Kochsternstunden

william

Ich habe gerade ein sehr schönes Buch gelesen, das eine Italienerin geschrieben hat, die derzeit in Deutschland lebt. Also beinahe, denn sie ist mit München ja schon fast in Italien – aber egal. Neben vielen anderen Dingen steht da ein Satz, der an diesem Abend auch für uns galt: „Nach einem harten Tag lässt Du Dich abends in die Obhut eines verständnisvollen Wirts fallen.“ Es war so ein Tag, und wir wollten am Abend keine Experimente. Also gingen wir mit Freunden (und mit Freuden!) ins william im Staatsschauspiel, ließen uns auf den Stammplatz plumpsen und verwöhnen. „Der Wirt“ war an diesem Abend das Team, mit einem zur Begrüßung eigens aus der Oper rüber gehuschten Markus Dietzschold („Ich hatte den Namen im Reservierungsbuch gelesen und wollte doch mal Hallo sagen!“), mit Madeleine König als unsere äußerst charmante Bedienung und natürlich mit Küchenchef Marcel Kube und seinem Team, der den einen oder anderen Gang auch mit an den Tisch brachte.

Das Kochsternstunden-Menü besteht aus mindestens drei und maximal fünf Gängen – die nahmen wir, mit Weinbegleitung. Zu diesem vollen Programm gehört eigentlich ein Pils als Aperitif, aber das ersetzten wir (schon gegen Aufpreis, logisch) durch eine sprudelnde alte Witwe. Es gibt schlechtere Ideen. Dazu dieses himmlisch schmeckende Brot, ein wenig Aufstrich und dann als Küchengruß eine kleine Weckglassoljanka, für die weiland DDR-Verlasser wieder nach Dresden gekommen wären – wir sind im Sinkflug und verlassen die Härten des Tages und kommen dann auch recht fix im Schön an: „Räucherlachs-Forelle“, Meerettich / Apfel / Kaviar heißt der erste Gang. Was drin ist, kann man sich (in einer sehr chicen Bilderserie) auf Facebook ansehen. Wie es schmeckt, konnte man an unseren breit grinsenden Mündern erahnen. Die änderten sich auch nicht beim 2013 Scheurebe Bike-Day vom Winzerhof Stahl in Franken: Wer sich den Gang mit ein wenig Grapefruit und weißem Pfeffer aufpeppen mochte, war hier bestens bedient. 

Neu geschrieben werden muss die Geschichte vom Max, dem strammen. Max heißt jetzt william und liefert den Beweis, dass Graubrot plus Schinken plus Ei auch anders schmecken kann. Das liegt an der Qualität der Zutaten (nicht irgendein Schinken, sondern ein feiner mit Edelschimmel), kein hart gebratenes Spiegelei, sondern ein wachsweiches, keine Sandwich-Konstuktion Zutat auf Zutat, sondern alles nett und locker arrangiert. Naja, und dann das, was bei „Strammer william“, Graubrot / Edelschimmelschinken / Ei nicht auf der Karte steht, aber auf dem Teller ist: eine Nussbutter, in der man gerne mal ersaufen möchte, Kräuter oben drauf. Wir schwärmten schon wieder und jubilierten beim dazu gereichten 2008 Riesling SLATE der WeinFUNatiker – eine schöne Erinnerung an unsere Vertikalprobe aller WeinFUNatiker-Weine neulich in Berlin. Schade, dass das deutsche Weingesetz die Saar aus dem kollektiven Gedächtnis gestrichen hat: dieser fabelhafte Riesling, der beim Weingut Othegraven in Kanzem an der Saar entsteht, ist nun halt ein „Mosel“.

Anschließend gab’s Suppe, genauer „Gemüseeintopf“, Steinbeißer / Perlgraupen / Frühlingsgemüse. Zum Einsatz kam hier beim Servieren das eindeutige Zubehörteil Nummer eins der diesjährigen Ess-Saison: eine Kanne. Manchmal hat sie die Form einer Kaffeekanne, manchmal die einer Teekanne. Drin ist meist Suppe, die dann vor den Augen des Gastes höchst spektakulär über die bereits im Teller wartende Suppeneinlage (die zu diesem Zeitpunkt ihr Dasein ja noch als zukünftige Einlage auf dem Trockenen fristet) gegossen wird. Gut: wenn man selten ausgeht und die Zeremonie zum ersten Mal erlebt, ist das nett, aber auf Dauer zaubert es statt bewundernder Ahs und Ohs und Wows nur noch das Lächeln der Wissenden auf die Gesichter. Auf jeden Fall hat es der Service leichter, denn erstens kann er die Teller ohne Überschwappgefahr an den Tisch bringen und zweitens lächeln die Gäste ja auf jeden Fall: vor Erstlingsfreude oder als Wissende. Aber das war ja nur das Vorspiel, zur Sache ging’s dann selbstredend beim Essen – mit perfekt gezogenem Steinbeißer (der übrigens so reichhaltig vertreten war, dass wir unser Süppchen fast schon eine Fischsuppe nennen wollten). Gemüse: knackig. Geschmack der Brühe: kräftig. Zusatzangebot jenseits des Menütitels: reichlich frische Kräuter. Alles prima – wie der Wein dazu, eine erste Lage des hiesigen VDP-Winzers aus Meißen: 2012 Weißburgunder Heilig Kreuz vom Schloss Proschwitz. Schön in der Nase, mit einem gut sortierten Obstgarten (Pfirsich aus dem Weinberg! Äpfel! Mandarinen!) und noch angenehmer beim Trinken – sehr elegant und balanciert.

Der Hauptgang hat den wunderbar kryptischen Namen „65°“ und ist, würde man das zu Hause machen, ein Gulasch. Aber unsereiner ist bei Gulasch natürlich nicht so fein drauf wie Marcel Kube, der uns mit Rinderschulter / Knödel / Paprika optisch wie geschmacklich in eine andere Sphäre führt. Wir hatten sein Rezept schon vor Wochen nachkochen wollen, weil es bei der Eröffnung der Kochsternstunden das Spezialgewürz in der Mitnehmtüte für die Gäste des Abends gab, scheiterten aber schon beim Sous-Vide-Ansatz. Die Technik dafür haben wir nicht im Haus, und so garten wir mit dem Gewürz, mit der Extra-Sauce und ansonsten ganz traditionell wie bei Muttern und Großmuttern. Unser hat geschmeckt, sah aber eben auch aus wie bei den Altvorderen – im william war dann die Einheit von Optik und Sensorik erreicht. Irgendeinen Grund muss es ja geben, ins Restaurant zu gehen! Vielleicht auch, weil wir den passenden Wein nicht im Keller haben? Ein 2011 Pinotage & Grenache, speziell für bean&beluga gemacht. Passend zum würzigen Gulasch vom Weingut Spice Route, Swartland (Südafrika)…

Bei so viel Begeisterung wird man wohl noch sagen dürfen, dass der decollagierte „Bienenstich“, Honig / Mandel / Sanddorn uns deutlich weniger gefiel als das bäckerübliche Gesamtensemble. Es sei denn, man lässt im william den allein stehenden gebackenen Mehlriegel einfach liegen…

(Preise für das Menü / mit Weinbegleitung: 3 Gänge 37,00 € / 58,00 €; 4 Gänge 43,00 € / 71,00 €; 5 Gänge 53,00 € / 88,00 €)

Restaurant william im Schauspielhaus
Theaterstraße 2
01067 Dresden

Tel. 0351 / 65298220
www.restaurant-william.de

Öffnungszeiten:
täglich 11 – 23 Uhr (Sa und So ab 10 Uhr)

[Besucht am 10. März 2015 im Rahmen der Kochsternstunden | Übersicht der hier besprochenen Restaurants in Dresden und Umgebung]

2 Trackbacks / Pingbacks

  1. Kochsternstunden: Wenn Lieblinge gewinnen | STIPvisiten
  2. Stefan Hermann nun auch Romantik-Hotelier | STIPvisiten

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*