Wenn Genossen genießen

Besuch bei drei Württembergischen Weingärtnergenossenschaften

Prost!

Im Ländle ist schon rein von der Wortwahl alles ein wenig anders. Die Winzer nennen sich hier Weingärtner bzw. mundartlich Wengerter – und gegärtnert wird zwar meist allein am (oft steilen) Hang, aber die Verarbeitung der Trauben erfolgt überdurchschnittlich oft in Genossenschaften: mehr als zwei Drittel der Württemberger Weine werden durch Genossenschaften vermarktet. Die Autoren des Buches „Die Geschichte des Weines in Baden und Württemberg“ schreiben (auf S. 163), dass „die Winzergenossenschaften … unverzichtbar für die kleinteilige Weinstruktur Badens und Württembergs [sind]. Ein ‚Feierabendwinzer‘ könnte ohne diese Winzergenossenschaften heute nicht mehr existieren. Die Genossenschaften tragen daher einen wichtigen Teil zum Erhalt der historischen Weinberglandschaft und zur Aufrechterhaltung der Winzerkunst bei.“

Weingärtner Cleebronn und Güglingen | Klicken öffnet mehr

Prickelndes RosaVom Kleinen zum Großen geht die Entwicklung da ganz oft – aus ökonomischen Gründen. Aber der Qualitätsgedanke setzt sich natürlich auch bei den Genossenschaftlern durch, und unter diesem Aspekt bedeutet weniger nicht selten mehr. Solche Gedanken spielen im Weinberg bei den Guten schon länger eine Rolle – aber sind Genossenschaften denn die Guten? Na klar, sie können es sein: Die Weingärtner Cleebronn und Güglingen sind das beste Beispiel dafür. In den gängigen Bibeln für Weinfreunde werden sie hoch gelobt – der GaultMillau 2015 nennt sie die „Überflieger-Genossenschaft“, gibt ihr zwei Trauben und konstatiert, dass „die Spitzenweine mühelos mit den Gewächsen der Topwinzer der Region konkurrieren“ können. Die Bodenhaftung behalten sie dennoch in Cleebronn. 280 Hektar bewirtschaften die 580 Mitglieder der Genossenschaft, die nach außen hin wie ein Familienbetrieb agiert: Das Führungstrio mit Kellermeister Andreas Reichert, Geschäftsführer Axel Gerst und Betriebsleiter Thomas Beyl zeigt in dieser Kombi seit 2008 Gesicht, liefert Identifikation. Marketing muss sein, wenn man seine Ware verkaufen will! Beyl ist nicht nur Vorstandsvorsitzender, sondern selbst Winzer der Genossenschaft – und er war vorher 17 Jahre beim Aldinger, dem renommierten VDP-Weingut (mit aktuell vier Trauben im GaultMillau) in der Nachbarschaft.

Toni Bohms / Thomas BeylDie Besichtigung der Kellerei beginnt im modernen Verkaufsraum: Wer Muff sucht, wird hier nicht fündig. Neben Thomas Beyl zeigt uns (also der kleinen Dresdner Recherche-Delegation, die im Vorfeld der BW Classics bei einer Pressereise das Ländle erkundigte) der Sommelier der Genossenschaft die Anlagen – und siehe da: wir freuen uns, einen Sachsen in Württemberg zu treffen! Aus Freital kommt Toni Bohms, und natürlich will er (wenn die Gelegenheit doch so günstig ist) zur Messe nach Dresden kommen. Da wird’s dann ein Wiedersehen bzw. Wiederzusammentrinken geben. Das nur so nebenbei, denn noch sind wir in Cleebronn und hören ein wenig von der Philosophie. Offiziell liest die sich so: „Mit Respekt vor der Natur bewirtschaften wir einzigartige Weinbergslagen in mitten des Zabergäus.“ Mündlich übersetzt klingt das so: „Die Winzer müssen geil auf gute Weine werden. Ihre Weine! Und mit den Ergebnissen muss man die Welt hinter sich kriegen!“

75er TraminerSchwer fällt das nicht, denn die Cleebronner wissen ja, was sie tun. Für den Weintrinker (und selbstredend auch die Weintrinkerin) gibt’s die aktuellen Weine in drei Linien – vom einfachen Sankt. M. (wie Michaelsberg, von dem wir gerade kamen) über die gehobene Mittelklasse Herzog Christoph bis zu den Spitzenweinen der Emotion CG. Wir probierten einerseits Rieslinge und andererseits Lemberger dieser Pyramide – und sie gefielen uns dann in der Tat (und erwartungsgemäß) auch immer besser, je teurer sie waren. So ist das, leider… In den Raritätenkeller sind wir dann auch noch gewandert, ganz am Ende der Anlage. Die 75er Traminer Spätlese überraschte uns mit Frische und kaum Alterungsnoten. Respekt!

Lauffener Weingärtnergenossenschaft | Klicken öffnet mehr

Lauffener WeingärtnerDie Lauffener Weingärtnergenossenschaft besuchten wir nach einer Tour mit dem Planwagen durch die Weinberge rund um Lauffen. Dort hatten wir ja quasi vor Ort schon fünf Weine probiert und ergänzten diese Erfahrung mit einer Besichtigung des Kellers der Weingärtner (und, so nebenbei, noch einer 4er-Ergänzungsprobe) Die Genossenschaft in Lauffen gibt es seit 1935, vor drei Jahren fusionierte sie mit der älteren (1903 gegründeten) Genossenschaft im benachbarten Mundelsheim. Insgesamt bewirtschaften die Mitglieder der fusionierten Genossenschaften gut 850 Hektar, davon etwa 105 Hektar in terrassierter Steillage.

Lauffener WeingärtnerDie Lauffener gehören auch zu den ausgezeichneten Genossenschaften des Landes: für die Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG) sind sie bester Weinerzeuger in Württemberg, für diverse Fachzeitschriften stehen sie auch ganz oben. Uns hatte an diesem Nachmittag Sonja Fink von den Mundelsheimern begleitet, sie stellte uns einen jungen 2014er Grauburgunder aus dem Käsbergkeller vor – und vor lauter Freude über diesen Namen schmeckte dieser trotz seiner Jugend recht kräftig-fruchtige Burgunder dann gleich doppelt gut. „Der Käsberg hat seinen Namen von einem Felsen, der gerade so rund wie ein Bauernkäs (Handkäs) ist“ beschrieb der Weinexperte Joh. Ph. Bronner 1837 die Herkunft des Namens. Eine gute Lage ist das auch noch, wie wir schmecken konnten. Persönlicher Favorit war allerdings ein 2014er Schwarzriesling, der weiß gekeltert wurde: ein blanc de noir, der Sommerfavorit des Jahres werden könnte. Wie überhaupt Schwarzriesling (wer’s vornehm französisch mag: pinot meunier) bei den Qualitäten in meiner Achtung gehörig gestiegen ist.

Remstalkellerei | Klicken öffnet mehr

Mahlzeit!Die Remstalkellerei ist der fünftgrößten Weinbaubetrieb in Deutschland mit einer Weinbaufläche von etwa 650 ha (mehr als 20 Prozent mehr als Sachsen insgesamt hat). Ungefähr 1.500 Mitglieder in neun örtlichen Keltergenossenschaften bewirtschaften diese Fläche, der Ausstoß ist nicht gering zu nennen: sechs bis sieben Millionen Liter Wein. Pro Jahr. Vieles davon in der Literflasche – Trollinger, Riesling, Müller Thurgau und Deutschlands meist verkaufter Schillerwein (ein Gemisch weißer und roter Trauben, in Sachsen als Schieler bekannt) „Gaispeter“. Aber deswegen besucht man die Kellerei in der Regel nicht. Diese Weine werden in einer riesigen Tankhalle ausgebaut, mit bis zu 18 Meter hohen Tanks aus emailliertem Stahl. 120.000 Liter fassen diese Tanks. Beeindruckend, sehr beeindruckend.

RemstalkellereiAber noch beeindruckender und dann auch der wahre Grund für unseren Besuch am Anfang einer Weinwanderung mit der Weinerlebnisführerin Sigrun Trinkle (ein schöner Name, wenn’s um Wein geht, gelle?) durchs Remstal ist der Holzfasskeller. 99 Fässer mit mehr als 600.000 l geben ein beeindruckendes Bild ab. Und der Titel größter aktiver Holzfasskeller Württembergs macht ja auch was her. Große Fässer, kleine Fässer – alles da. Aber am schönsten: ein Potemkinsches Fass. Also außen Fass und innen Probierstube. Der Arbeitsplatz des Kellermeisters, der an diesem Samstag natürlich nicht da war, eignet sich hervorragend für ein Sektfrühstück!

RemstalkellereiFassproben haben ja immer ihren Reiz – wenn man sie quasi bei einer Fasskellerwanderung spontan unternimmt, bereitet sie ungleich mehr Vergnügen. Zwischen dem Ende einer informativen Kellereivorstellung und dem Anfang einer vergnüglichen Weinbergwanderung nimmt sie allerdings eine spezielle Stellung ein: keinerlei Notizen, nur einige Fotos, unter anderem von Weinstein und Stahltanks von oben. Wir müssen an unserer Chronistenpflicht arbeiten, aber sowas von hart…

Infos | Klicken öffnet mehr

Weingärtner Cleebronn-Güglingen e. G.
Ranspacher Straße 1
74389 Cleebronn

Tel. 07135 9803-0
www.cleebronner-winzer.de

Lauffener Weingärtner eG
Im Brühl 48
74348 Lauffen

Tel. 071 33 / 1 85 -0
www.wg-lauffen.de

Käsbergkeller Mundelsheim
Heinrich-Maulick-Straße 24
74395 Mundelsheim

Tel. 071 43 / 81 55 – 0
www.mundelsheimerwein.de

Remstalkellerei eG
Kaiserstrasse 13
71384 Weinstadt

Tel. 0 71 51 / 69 08-0
www.remstalkellerei.de

Hinweis:
Der Besuch fand statt im Rahmen einer Pressereise im Vorfeld der  BW-Classics am 11./12. April im Dresdner Congress Center.

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