Bayerische Ermittlungen

Regionalkrimi von Thea Lehmann: Tod im Kirnitzschtal

tod-im-kirnitzschtalRegionalkrimis sind ja das ganz große Ding. Brunetti in Venedig gehört sicher zu den Bekanntesten, aber man kann sich seinen Urlaub auch andernorts ganz mörderisch zusammenstellen, Provenzalische Geheimnisse oder die Tödliche Camargue erkunden oder die Mörderische Côte d’Azur besuchen. Gerne gesellt sich zum Regionalen auch noch die dazu passende Kulinarik, weswegen unsereins Kein Tag ohne Jacobsmuscheln in der Normandie verbringt, Kommissar Dupin in der Bretagne beim Austernschlürfen zuliest oder mit Bruno Courrèges im Perigord auf Trüffelsuche geht.

Klingt ja, als ob man mal wieder nach Frankreich müsste! Genau das wollen die Regionalkrimis ja: örtliches Flair vermitteln, das Liebenswerte oder Skurille oder Beides (und noch viel mehr…) in Erinnerung oder in die Phantasie rufen. Das geht ja nicht nur mit ausländischen Urlaubszielen, sondern selbstredend auch bei uns – es sei denn, jemand betrachtet Bayern (herrlich: Franz Eberhofer in Niederkaltenkirchen – das gibt’s zwar nicht, aber so muss Bayern sein!) oder Ostfriesland (hier ermittelt Ann-Kathrin Klaasen in meiner alten Heimat, aber nicht nur sie, sondern auch Jan de Fries ruft Erinnerungen hervor – und das auch noch ganz schön spannend) schon als Ausland.

Thea LehmannAber auch ansonsten scheint es in einigen Regionen Deutschlands mehr Leichen mit Mörder als in Liebe gezeugte Kinder zu geben – allein im Fernsehen wird ja nicht nur zur Nachrichtenzeit geballert. Da stellt sich doch die Frage: Was ist mit Sachsen? Was ist mit, beispielsweise, der Sächsischen Schweiz? Nicht viel los, fand Thea Lehmann bei einem ihrer Besuche im Kirnitzschtal heraus. Sie kommt aus Bayern, geboren und aufgewachsen ist sie am Ammersee und nun mit einer PR-Agentur in einem Vorort Münchens zu Hause. Aus der Distanz hat sie ihr erstes Buch „Tod im Kirnitzschtal“ allerdings nicht geschrieben, wie sie im Rahmen einer Lesung im Lingnerschloss erzählte: „Die Sächsische Schweiz ist seit 15 Jahren meine zweite Heimat. Mein Mann kommt aus dem Kirnitzschtal, und wir sind immer mal wieder hier!“ Auf ihrer Webseite schreibt Thea Lehmann dann noch, dass sie „Land und Leute kennen und lieben“ lernte.

Davon merkt man im Krimi aber nicht allzu viel. Der Kommissar ist ein Bayer, Leo Reisinger. Der ermittelt „im Spannungsfeld zwischen sächsischem Hackepeter und bayerischem Leberkäse“ (Zitat auch von der Webseite gemopst) und genießt damit zumindest die spontane Sympathie all der Einheimischen in Dresden und Umgebung, die mit derlei vorgesetzten Vorgesetzten nicht immer glücklich sind. Und zur Lösung des Falls tragen dann auch zwei bayerische Jungs bei – wer den Grips hat, ist im Kopf der Autorin zumindest subkutan gut verankert.

Beim Lesen wurde mir der Kommissar nicht wirklich zum Held. Und seine Mit- und Gegenspieler fielen hauptsächlich durch eine Aneinanderreihung schlichter Namen und oft auch solcher Haltung auf. Richtig sächsisch sprechen sie auch nicht, immer wieder kommt nur ein lokalkolorierendes Wort vereinzelt vor. Bei der Lesung im Lingnerschloss ward dann auch klar, warum: Die Autorin kann (trotz 15jähriger Zuneigung zu Ehemann, Land und Leuten) es gar nicht. Gab sie auch zu, versuchte es dennoch immer wieder und verfehlte meistens. Immerhin: das war authentisch. Wobei man ihr wirklich hätte sagen können, dass zwar Dresden aus bayerischer Sicht ganz schön nördlich liegt, aber das Küstenidom wirklich nicht passt, um die hiesige Sprechweise zu imitieren.

Mit den üblichen Gewürzen unterhaltsamer Urlaubskrimis (meist neben Landschaft und Orten noch ein wenig Schmuse-Sex und örtliche Kulinarik) geht die Autorin so sparsam um, dass nichts hängen bleibt. Richtige Spannung will auch nicht aufkommen, von Gänsehaut ganz zu schweigen. Als in der Pause der Lesung zwei Damen oben auf dem Dach des Lingnerschlosses standen, sagte die eine zur anderen: „Reichlich flach!“ – und meinte damit nicht das Dach oder den Wasserstand der Elbe.

Thea Lehmann
Tod im Kirnitzschtal
Saxophon-Verlag edition Sächsische Zeitung
Krimi-Reihe “Dresdner Kriminal”
ISBN Nr. 978-943444-47-6
190 Seiten; Preis 8,90 €, e-book 6,99 €

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