Die Schönen und die Exaltierten

Weintheater beim Genussmensch. Mit Dschini an der Rasierklinge

Wer hat den besseren Wein?

Ein wenig Theater gibt’s ja fast immer, wenn es um Wein geht. Die Sache mit der Nase und dem Schweiß unterm Sattel oder das große Vergnügen bei einem langen Abgang, den man keinesfalls durch einen zu frühen neuen Schluck verderben darf. Unübertroffen, bei der Gelegenheit, ist die famose Sentenz des verehrten Mittrinkers Charles B., der einem Goldriesling attestierte, dass er beim „Abgang mit einem soliden Mittelstrahlaroma glänzte“. Der Mann, so scheint’s, hat mannigfache Erfahrung! Aber ich schweife ab, denn eigentlich wollte ich ja vom ganz allgemeinen Wein-Theater überleiten zum speziellen Weintheater, mit dem Roswitha Nitzsche in der WeinKulturStube Wein und Show inszenierte.

Die Weine des WeintheatersSechs Weine gab’s für das pp Publikum, das links und rechts eines Mittelganges in Theaterbestuhlung saß – ungewöhnlich für eine Weinbar, aber es war ja Theater! Die Vorrede auf den Abend gab die Gastgeberin, schwarz gewandet sowie mit dekantiertem Weißen und einem Glas in der Hand. Feines Theater mit Zicken-Bekenntnis, wann hat man das schon? Den Gegenpol, Wein wie Typus betreffend, gab Philipp Wittig. Ein ungleicher Wettbewerb, wenn einer die schöneren und eine die exaltierteren Weine ausschenkt – aber es war ja alles nur Theater, oder?

De-kantierenIm ersten Gang traten (so stand’s auf dem Programmzettel) ein Egri Chardonnay aus dem Jahr 1999 und ein 2013 Bourgogne Alicoté von François Mikulski den Vergleich „Charme trifft Abstrakt“ an – wunderbar erklärt, ein(e) jede(r) mit guten Argumenten für den Wein in der eigenen Flasche. Gewonnen hat: der individuelle Geschmack am Gaumen. Und natürlich, nicht vergessen, Nase und Abgang. Uns war der Egri nachschenkenswert.

WeintheaterDann ging das Theater richtig los, bezeichnenderweise als Desillusion proklamiert. Auftritt: Dschini. Gesprochen wie man’s schreibt, aber nicht Jeany geschrieben wie bei Falco im Lied. Der junge Dschini gibt sich – bei aller Schlacksigkeit – ein bissl finster. Rastar, Piercing, Kette mit Rasierklinge, schwarze Lippen und Augenlider – so was. Furchterregend? I wo: Wer so herzerfrischend lacht, will nur spielen. Oder zaubern. Das tat der Illusionist perfekt, verblüffend, mit (siehe Lächeln zuvor) Humor und all der Perfektion, die man hinter der Lockerheit nur ahnen kann. Es gab (in zwei Teilen) Nettigkeiten aus dem Repertoire großer Magierzirkel, natürlich inklusive verschluckten Rasierklingen, zerschnittenem Faden und deren gemeinsame Wiederhervorbringung in fein aufgefädelter Reihe. Aufgrund akuten Mangels an Material gab es keine zersägte Jungfrau – nein, nicht was Sie jetzt denken. Es fehlte die Säge.

Zwischendurch trafen ein skurriler Wein auf einen modernen Klassiker: Eugenio Rosi’s “Anisos” Vallagarina IGT, eine weiße Cuvée (Pinot Bianco, Nosiola, Chardonnay) gefiel der Rosi schon deswegen, weil Rosi auf dem Etikett steht. Aber auch sonst hat er es in sich, ein bissl Orange ist der Weiße auch: Mazeration auf den Schalen, Verwendung natürlicher Hefen und fast kein Schwefel kennzeichnen diesen Wein aus dem Trentino. Dem gegenüber die kleine Schwester, Little Sister. Kam aus Australien und wurde uns so beschrieben, wie man sich schlimmstenfalls kleine Schwestern vorstellt. Eigentlich ganz liebreizend, aber auf Dauer dann doch vielleicht nervig. Wir tranken nur so viel, dass es schön blieb.

Aust-und-Genussmensch-WeineZum Ausklang dann die Premiere, auf die eigentlich von Anfang an alles hin lief: Der neue Hauswein. Also Hauswein nicht im Sinne von vino de la casa, sondern der ganz besondere: der Genussmensch aus dem Weingut Karl Friedrich Aust. 2011 und 2012 hatte es den als Riesling gegeben, und der neue ist? Bitte raten. Eine Cuvée, zwei Weine. Riecht nach Gewürztraminer – aber den hat der Aust doch gar nicht. Also (und der erste Schluck bestätigt es:) Kerner. Mit ein bissl Riesling, den wir nicht rausgeschmeckt haben. Vielleicht ist der nur in homöopathischer Menge drin, schließlich kommt der Samuel Hahnemann ja aus Meißen, das ist nicht weit. Ein bissl jung noch, der Wein – aber der könnte nett werden. Wir werden uns rantrinken!

Genussmensch
Bischofsweg 17
01097 Dresden

Tel. 0351-219 681 00
www.genussmensch.org

Öffnungszeiten:
DO und FR ab 14.00 Uhr, Sa 11-22 Uhr

[Besucht am 18. September 2015 | Mittlerweile geschlossen und als Weinpinte weiter geführt]

1 Trackback / Pingback

  1. Nichts ist beständiger als der Wechsel | STIPvisiten

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*