Rundreise Gennargentu Arzanese

Landschaft am Monte Perda Liana

Man ist ja viel zu selten am Meer – und deswegen kann, wenn man will, eine Rundreise durch das gebirgige Hinterland der Ogliastra beispielsweise an der Spiaggia del Lido di Orrì beginnen. Das ist ein feines Stück Strand Lido di Orrimit hellem Sand und netten Blicken nach links (Arbatax) und rechts (endlos Strand) und vorne (in der Sonne glitzerndes blaues Meer). Ein stabilimento gibt es auch, man kann Liegen und Schirme mieten – in der Hauptsaison macht das täglich 20 Euro für einen Schirm und zwei Liegen in der ersten Reihe. Keine fünf Meter weiter rechts kann man aber auch für umme aufs mitgebrachte Handtuch fallen: das taten wir. Das Wasser ist nicht nur schön blau (und warm, auch noch im September!), sondern auch sauber. Letzteres verkündet ein Schild, auf dem man stolz mit dem offiziellen Siegel hinweist.

Nach einer ersten Schleife über erst recht ansehnliche und dann eher kleine Straßen, bei der wir Tortoli rechts liegen lassen und in Arzana erst durch die Gassen irrten, um dann am Ende des Dorfes festzustellen, dass die Trattoria La Pineta zwar in wundervoller Panoramalage liegt, aber wegen Urlaubs geschlossen hatte. Also fuhren wir weiter nach Ilbono und landeten direkt an der Strada Nationale No. 60 bei Salvatore Cannizzaro in seinem Restaurant Lo Sfizio. Und da wurden wir, vor Beginn der Reise in die kargen (restauranttechnisch gesehen) Berge, sehr nett verwöhnt. Wir sitzen draußen vor dem Restaurant in einem nicht ganz geschlossenen Wintergarten, die Tische sind ordentlich eingedeckt mit Tischdecken, Servietten, Gläsern – farblich fein aufeinander abgestimmt (also nicht die Gläser!). Der Chef bringt die Menükarte – da hätten wir nach erstem Studium am liebsten nicht nur einen kleinen Mittagsimbiss genommen, sondern uns gepflegt quer durch die Karte gegessen. Ristorante e Pizzeria steht draußen dran, die Pizzen seien vera Napoletana, und der Ristorante-Teil zeigt sich mit Tipico Mare Montagna auch vielfältig.

Lo SfizioDa wir schon 400 Meter hoch sind und das Meer nicht mehr hören, entscheiden wir uns für die ländliche Küche. Bekannt ist das Haus für selbst gemachte Culurgiones – das sind die, deren Herstellung wir schon in der Nudelmanufaktur beobachten konnten. Ob die Hausgemachten noch besser sind, mussten wir probieren und bestellten (Culurgiones al pomodoro, 10 €). Ergebnis: Herrrrlich! Eine sehr würzige Mischung, feiner erfrischender Minzgeschmack mit feinem Knoblauchhauch. Drumherum der Pastateig – da muss man eigentlich überall auf der Insel nicht zweifeln, das können sie irgendwie alle. Aber überdurchschnittlich die Sauce, auch wenn sie sehr einfach zuzubereiten ist: Tomate, Basilikum und ein wenig Pecorino perfekt balanciert.

Auf dem Teller gegenüber gab’s Costolette di agnello arrosto, gegrillte Lammkoteletts (10 €), serviert mit ebenfalls gegrilltem Gemüse (5 €). Sechs schmackhafte Lammkottelets, die – als sie sich noch lebend am Lamm befanden – wahrscheinlich durch kräuteriges Futter sardischer Hochlandwiesen kräftig vorgewürzt waren, und ein schlichter Auberginen-Paprika-Zucchini-Teller: Schlichter geht’s kaum. Nur ein wenig gutes Olivenöl, etwas Pfeffer und Salz… Fertig. – Dreizehn Desserts stehen auf der Karte, alle je 4 € und hausgemacht, nicht so ein fertiges Zeugs vom Großlieferanten. Da kann man doch nicht nein sagen!

Stagno di TortoliNach diesem vergnüglichen Zwischenstopp geht es los mit der eigentlichen Rundreise. Lanusei streifen wir nur kurz, aber den ersten Stopp machen wir gleich hinter der Stadt – um einen herrlichen Ausblick Richtung Küste zu genießen. Sehr schön zu sehen: Der Stagno di Tortoli mit Tortoli und Arbatax. Keine zehn Minuten später halten wir schon wieder – in Villagrande, einer der Stationen des trenino verde, faszinieren uns Kühe neben (und einige auch auf) der Straße. Autofahrer und Kühe respektieren sich gegenseitig – und Mutter Kuh stillt ihr Kalb ganz ruhig am Rand der Straße. Die Kühe kümmern sich nicht um uns, stoisch stehen sie den beiden verrückten Fotografen Modell.

Lago Bau MuggerisWir fahren weiter und sehen rechter Hand bald den Lago Alto di Flumendosa bzw. Lago Bau Muggeris, einer der größten künstlichen Seen auf Sardinien (wobei: künstlich sind die großen Seen meistens, der See Baratz im Nordwesten der Insel ist der einzig bedeutende natürliche See Sardiniens). Der See hat schönes blaues Wasser und einen flach abfallenden Sandstrand mit Anglern – und Kühen. Ob man da auch baden kann? Keine Ahnung, einladend genug sah’s aus. Die Straße am See entlang ist von der kuscheligen Sorte: klein und alles andere als eine Raserpiste. Uns sollte es recht sein, denn es gab ja genug zu sehen. Zum Beispiel die Frau in ihrer sardischen Tracht, die sich ans Ufer setzte und die Ruhe genoss. Oder, etwas später, wieder einmal sanfte freundlich uns ansehende Kühe. Und ein Schwein, dass in aller Seelenruhe frisst, was andere vor ihm bereits verdaut hatten. Mahlzeit!

Monte Perda LianaDie Straße haben wir, was Autos und Menschen anbelangt, für uns allein. Bis wir an eine Kreuzung gelangen, an der ein großer Monolith unaufgefordert und sprachlos sagt: hier halten! Der Stein ist eine Landkarte des Gennargentu Arzanese – und wird natürlich malerisch von Kühen umrahmt. Der Gennargentu ist das höchste Gebirge Sardiniens, bis zu 1834 Metern geht es hoch beim Punta la Marmora. Den sehen wir nur auf der Steinkarte, fahren werden wir in die andere Richtung. Für den Namen des Gebirges gibt es (mindestens) zwei Erklärungen: Die deutsche Wikipedia betont den schnöden Mammon und schreibt: „Der Name bezieht sich auf die Silbererzvorkommen der Gegend (genna = Pass, argentu = Silber).“ Die italienische Wkipedia kehrt die sardische Seite der Sache hervor und meint: „Il suo nome, in lingua sarda, significa „porta del vento“ (da : Genna = porta, ed Entu = vento).“ – also Hafen des Windes, wegen Genna=Tor und Entu=Wind.

GennargentuMan sieht von hier aus (und dann die ganze Strecke auf einsamer schmaler Straße) gut den Monte Perda Liana, 1293 Meter hoch. Dieser Kalksteinfels ist die Grenze des Schiefergebige des Gennargentu zur zerklüfteten Landschaft der Schluchten und Tafelberge, die Gegend der Tacchi und Tonneri. Rechter Hand vor den (an diesem Tag im Dunst eher schemenhaft zu erkennenden) imposanten Bergen des Gennargentu erblickt man im Tal den Fluss Rio Flumendosa. Das Flussbett ist breit, aber im Sommer dümpelt der rio eher so dahin.

Nuraghe ArdasàiWir sind nun recht weit von aller Zivilisation entfernt und fahren durch den 2.400 ha großen Parco Archeologico Ardasi. Die nächstgelegene Ortschaft ist Seui, einer Stadt mit knapp 1.400 Einwohnern. Der archäologische Park fasst für die Touristen („Abfälle bitte in die bereit gestellten Papierkörbe“) neben der üppigen Natur die Überbleibsel der reichhaltigen Vergangenheit dieser Region Sardiniens zusammen. Einen sehr wichtigen Punkt des Parks haben wir dann ja auch besucht, den Nuraghen Ardasài. Den sahen wir kurz vor Sonnenuntergang – was auch heißt: der Rest der Rückreise verlief ohne weitere Stopps…

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