Ein Suchender auf dem Weg zum Erfolg

Besuch in Vitzenburg bei Klaus Lüttmer, Die Winzerei

Klaus Lüttmer

Neulich gab es ein Foto auf Facebook (jaja, das soll’s geben…), auf dem ein offensichtlich geschaffter Mann neben einer Palette von Weinkisten steht. In den Kisten waren 500 Flaschen 2014er Frühburgunder vom Weischützer Nüssenberg, die via Vitzenburg nach New York gingen, wo sie dann in (bei der Menge zwangsläufig: wenigen) Läden und Restaurants ihre Liebhaber finden werden. Be prepared to be amazed!

Das Bild erzählt eigentlich schon viel von der Geschichte des Herrn Lüttmer, der zusammen mit der Frau Lüttmer Die Winzerei betreibt. Die Winzerei hat drei Standorte und eine verrückte Geschichte, was natürlich auch daran liegt, dass der Winzer verrückt ist – er will was Währendes schaffen und hat sich vorgenommen, nichts weniger als den besten Rotwein der Region zu machen.

Was daran verrückt ist? Alles! Denn Herr und Frau Lüttmer (die auch Vornamen haben: Klaus und Christiane) wohnen in Berlin, im Wedding – einer nicht gerade für seine erstklassigen Weinlagen bekannten Gegend. Klaus Lüttmer, der als Videojournalist so ziemlich alles zwischen Kameramann, Cutter und Produzent schon gemacht hat (und immer noch macht), wollte aber Wein machen. Zuerst war ihm nach Ligurien – aber es brauchte nicht viel zur Erkenntnis, dass das zwar eine tolle Weingegend ist, die aber eben nicht gleich um die Ecke liegt, wenn man im Wedding wohnt und arbeitet.

Klaus LüttmerRotwein wollten sie machen, Burgunder sollte es sein. Also suchten sie. Zwei Jahre lang – „wer gibt schon gerne ab?“ meinte Klaus Lüttmer, als wir ihn in Vitzenburg an der Unstrut besuchten – und fügt hinzu: „…an einen Westberliner schon gar nicht!“ Aber dann fanden sie dann doch etwas, in Weischütz. Nicht viel (0,35 ha), auch „keine erste Lage – aber eine gute!“ meint Lüttmer. Er wollte Spätburgunder anbauen, aber er ließ sich beraten und pflanzte im Jahr 2008 Frühburgunder. 1.700 Rebstöcke auf Muschelkalk, die den Lüttmers fortan viel Spaß und viel Arbeit bereiten sollten, vielleicht oder sogar wahrscheinlich sogar in der anderen Reihenfolge. „Frühburgunder ist eine Diva, die will umsorgt sein“, meint Lüttmer. Ein guter Wein braucht eben Zuwendung, bevor wir ihn genießen können!

Natürlich wurde der Berliner im Weinberg belächelt, Winzer sind ja in der Regel sehr bodenständig und das Fremde beginnt oft gleich hinterm eigenen Berg. Aber als 2011 der erste Frühburgunder (mit Hilfe von Bernard Pawis) auf der Flasche war, staunten sie nicht schlecht. 2013 wurde der 2011er Frühburgunder „maxime“ bei der Landesweinprämierung Saale-Unstrut mit der Goldmedaille ausgezeichnet, und der Weinkritiker Stuart Pigott lobte in der FAS den Wein über den grünen Klee.

Pigott ist zwar befangen, denn er ist mit den Lüttmers gut befreundet – aber er ist auch Profi und kommuniziert derlei Dinge, wie zum Beispiel jüngst auf dem eigenen Blog, wo er „the story of Château Lüttmer in Berlin“ als „a home story, also my Berlin home story!“ vorstellt. Aus dem Artikel ist übrigens auch das englischsprachige Einsprengsel am Ende des ersten Absatzes dieses Beitrags zitiert!

Die Goldmedaille für den 2011er blieb übrigens die einzige, denn Lüttmer hat sich (und den Stil seiner Weine) weiter entwickelt. „Ich bin ein Suchender, auch jetzt, im fünften Jahrgang“, sinniert er – und bei der Suche nach dem ultimativen Wein, der eigentlich nur eins können muss: dem Winzer selbst schmecken, auf dieser Suche wurde der Frühburgunder immer ein wenig besser. Und untypischer für die Gegend. Gebietsuntypisch ist ein Killerargument für Weinprämieerungen, aber unter Kennern (und bei gutem Wein, natürlich) wahrscheinlich das höchste Lob überhaupt, auch wenn’s so nicht gemeint ist von den Auszeichnern.

Vitzenburger SchlossbergMittlerweile baut Lüttmer seine Weine selber aus und probiert sich lernend voran. Das Kelterhaus am Vitzenburger Schlossberg befindet sich oberhalb der 0,65 ha Fläche, die Lüttmers als Brachland vorfanden und wieder urbar gemacht haben. Immerhin sei das die drittälteste Lage der Region, weiß Klaus Lüttmer zu berichten – und gut sei sie auch. Gut und steil, so zwischen 40 und 65 Prozent. Riesling und Spätburgunder sollen hier mal gedeihen – aber im Moment mickern die jungen Pflanzen noch: „Es ist schwer, die groß zu kriegen. Die Böden sind so trocken!“ Und die Erdschicht auf dem Buntsandstein ist dünn, da haben die Pflanzen zu kämpfen. Aber wenn sie es schaffen, sind die Wurzeln ganz im Sinne von Winzer und Weintrinker gut bedient!

Im Keller sind Stahltanks und gebrauchte Barriques, die Lüttmer beim befreundeten Winzer Hansjörg Rebholz in der Pfalz kauft. Es ist sicher kein Zufall, dass die drei Namen, die während unseres langen Gesprächs im Kelterhaus und beim Spaziergang durch den Weinberg fallen, alle einen sehr guten Klang haben: Wer lernen will, orientiert sich am besten bei den Besten!

Das Ziel vor Augen, selbst zu den Besten zu gehören oder gar der Beste der Region zu sein, macht nicht nur Freunde. „Wir ecken an!“ sagt Lüttmer bei einem Glas seines 13er Frühburgunders Maxime S, der vor Kraft strotzt und doch Eleganz zeigt. Wie schön, dass er nicht gebietstypisch ist! „Hier in der Gegend verkaufe ich quasi nichts!“ erzählt Lüttmer. Viel hat er ja sowieso nicht, 1.700 Flaschen („das ist alles sehr begrenzt!“), und 500 sind ja nun fort, drüben in New York.

Lüttmer-FlaschenDas „S“ steht übrigens für die etwas spezielleren Weine: Gleiche Ernte, gleiche Lage – Auswahl gibt’s da ja nicht. Aber: die Weine werden in verschiedenen Fässern ausgebaut. Welcher Wein aus welchem Fass zum S-Wein wird, steht keineswegs von Anfang an fest. Das entwickelt sich bei der Arbeit im Weinkeller. Aber Entwicklung gehört ja beim Weinmachen dazu. Erst im Weinberg, dann im Keller. Und irgendwann geht’s auch im Marketing weiter. Mit dem aktuellen Jahrgang (das ist, damit keine Unklarheiten aufkommen, der 2014er – der Frühburgunder aus dem vergangenen Jahr liegt noch im Fass, aber bei der Probe zeigte er schon deutlich, wie es weitergeht) gibt es neue Etiketten. Stilisierte Fotos, die so sind, wie der Wein: anders. Für Traditionalisten vielleicht auch befremdlich. Irgendiwe frech. Aber, wenn man es mag: teuflisch gut.

Herr & Frau Lüttmer Die Winzerei
Parkstraße 2
06268 Querfurt – Vitzenburg

Tel. (mobil) +49 175 416 87 27 oder +49 157 388 11 821
www.winzereiluettmer.de

[Besucht am 5. Juli 2016]

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