Vorbei am Göttersitz und romanisch-romantischen Burgen

Radtour über Bad Kösen nach Kaatschen (…mit Zwischenstopps bei den Winzern Zahn und Uwe Lützkendorf)

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Manchmal muss man Pläne spontan ändern. Wenn beispielsweise ein ortskundiger Gärtner beim morgendlichen Smalltalk sich nach der Tagesplanung erkundigt und auf die Antwort „nach Bad Kösen radeln!“ wie aus der Pistole geschossen empfiehlt, noch ein wenig weiter zu radeln, um in Kaatschen oberhalb der Saale ganz trefflich beim Winzer Zahn einzukehren – dann sollte man das tun. Wir schwingen uns also auf den Drahtesel und treten die Pedale: Den Weinbergsweg entlang, unterhalb der Steillage des Steinmeisters und vorbei beim Weingut Hey (das haben wir dann später noch besucht). Weinbergsweg – so hieß auch die Tour auf der Karte in unserer App, die unseren Ausflug aufzeichnete und uns im Ernstfall auch den Weg weisen sollte. An der ersten Kreuzung gleich hatten wir uns zu entscheiden: lechts oder rinks (Ernst Jandl)?

Landesweingut Kloster PfortaWir entschieden uns für rechts, und das war falsch. Aber bis wir das merkten, war’s zu spät, denn gemäß der bekannten Devise vorwärts immer, rückwärts nimmer hatten wir null Bock auf Umkehr, sondern stiegen ab und schoben das Rad neben uns auf dem steiniger, holpriger und enger werdenden Waldweg neben uns her und erklärten diesen Teil der Tour zur Wanderung per pedes. Weiter links unten sahen wir fröhliche Menschen mühelos den für Radler vorgesehenen Teil des Weinbergswegs entlang gleiten. Sah gut aus! Aber ebenfalls sehr gut machte sich der Blick zurück (ohne Zorn!) nach Naumburg, oder der über die Saale hinweg nach Schulpforte und, etwas später, zum Landesweingut Kloster Pforta. Aus der Vogelperspektive hat das alles durchaus einen eigenen Reiz.

BlücherdenkmalEin schöner Wanderweg – und eine gute Idee, zur Erhöhung der Anstrengungen und Kondition ein Fahrrad mit sich zu nehmen! Es kommen markante Punkte auf uns zu (für die Sprachpuristen allerley Geschlechts: wir kamen auf sie zu, nicht sie auf uns – ist doch klar, oder?), und wir wussten nicht, was das ist. Natürlich, erfuhren wir später, waren vor uns schon wackere Krieger hier, denn wir sahen den Prinz-Heinrich-Stein und den Napoleonstein, der eigentlich gar nicht so heißt.

Der Napoleonstein ist eine Bezeichnung aus dem berühmten Volksmund: Klingt gut, stimmt aber nicht. Eigentlich ist das nämlich der Blücherstein. Die beiden Herrschaften verbindet das Datum, das man auf dem Denkmal lesen kann: 18. Juni 1815 – das war der Tag der Schlacht von Waterloo. Die bessere Aussicht hat man vom fetten Klops über der Saale, der vor hundert Jahren (am 30. Oktober 1916 um 9 Uhr) als Prinz-Heinrich-Stein geweiht wurde. Aus Naumburg kommend ist das auch der erste und, weil es kurz zuvor echt steil hoch geht, auf jeden Fall eine Rast wert.

Nach dem Ausflug in die Geschichte radelt es sich wieder ganz gut, auf halbwegs tourenradkompatiblen Wegen und vor allem meist bergab – das letzte Stück nach Bad Kösen übrigens arg steil. Die Gegend dort hat die schöne Bezeichnung Göttersitz und ist Naturschutzgebiet, in dem (mit Ausnahmeregelung) auch Wein angebaut wird. Wer dort wohnt, hat auf jeden Fall schon mal eine schöne Adresse.

Burg Saaleck-RudelsburgVon Bad Kösen haben wir nicht viel gesehen (quasi nichts außer dem Unteren Kurpark auf der Durchreise), weil wir uns ja ein Ziel gesetzt hatten: Kaatschen. Das ist, wenn man in Ländergrenzen denkt, schon Ausland, wir waren auf dem Weg von Sachsen-Anhalt nach Thüringen. Unterwegs sieht man über die Saale hinweg zuerst die Rudelsburg und dann Burg Saaleck. Beide Burgen haben einige Jahre auf dem Buckel, und man kann sich an ihnen wunderbar über den Unterschied von Romanik und Romantik abarbeiten. In prägnanter Kurzfassung: Burg Saaleck wurde 1140 errichtet– als Antwort auf die Rudelsburg, die also älter sein muss (wieviel, darüber gibt es Gelehrtenstreit). Die Burgen zerfielen und blieben in Resten als Ruine stehen – das fanden, so etwa 700 Jahre später, Maler, Musiker, Studenten ganz toll romantisch. Die Rudelsburg wurde quasi zum Inbegriff frühen Massentourismus, der Student Franz Kugler schuf 1826 auf der Burg den Gassenhauer „An der Saale hellem Strande“, dessen Zeilen heute noch gerne zitiert werden.

Zahn rosé_0042Auf dem Weg nach Kaatschen merken wir gleich hinter Kleinheringen: nichts. Aber dort haben wir die Landesgrenze durchfahren. Wir hätten es beinahe gar nicht bemerkt, aber als wir dann wenig später beim Weingut Zahn angelangt waren, spürten wir den Unterschied: Im Land der Frühaufsteher (so werben die Sachsen-Anhaltiner für sich) hatten wir nämlich eine, gelinde gesagt, komplizierte Gastronomie erlebt. Mit eher gastfeindlichen als -freundlichen Öffnungszeiten und Speisenangeboten. Hier war aber alles anders: Ein superfreundlicher Kellner, gesprächig und nicht schwatzhaft – und neben sehr ordentlichen Weinen auch ein schmackhaftes Essen: möglichst regionale Gerichte, Zutaten (wieder: wo es geht) von regionalen Produzenten – so etwas mögen wir ja. Wir entschieden uns – bodenständig – fürs Schnitzel und probierten mehr als einen Wein, was für eine gewisse Unvernunft spricht, sich aber im Sinne von Erkenntniszuwachs gelohnt hat, denn Familie Zahn kann auch Burgunder. Ein schmelziger Weißburgunder vom Bünauer Berg als Lagenwein (2,40 e / 0,1 l) oder der Weißburgunder als Gutswein (2,20 €/ 0,1 l) müssen den Vergleich mit anderen trefflichen Weinen der Gegend nicht scheuen.

Uwe LützkendorfBevor wir am Nachmittag auf dem richtigen Weg heim rollten, machten wir Station bei einem alten Bekannten und erfreuten uns beim VDP-Winzer Uwe Lützkendorf an seinen neuen Weinen. Wir saßen im Garten des Weinguts von Uwe Lützkendorf, der 1996 der erste VDP-Winzer im Anbaugebiet Saale-Unstrut war und jetzt mit Bernard Pawis (seit 2001 dabei) zusammen das Anbaugebiet für die Prädikatsweingüter vertritt. Der eher etwas konservativ-behäbige Verband hat übrigens freundschaftliche Konkurrenz bekommen: im Breitengrad 51 engagieren sich Winzer mit mindestens genau so hohen Qualitätsansprüchen – deren Mitbegründer Matthias Hey haben wir dann auch noch besucht, na klar doch. Doch zurück zu Lützkendorf.

im Weingut LützkendorfDer hat schwere Zeiten hinter sich. Privat – weswegen man darüber nicht schreiben muss. Aber in der Zeit waren die Weine auch nicht mehr das, was wir mal gewohnt waren. Doch bei unserem Besuch jetzt erlebten wir einen erfreulich anderen Lützkendorf: er scheint sich und seine Weine wieder neu erfunden zu haben. An Äußerlichkeiten kann man manchmal derlei Dinge festmachen. Die Flaschen beispielsweise haben – gegenüber der Nicht-so-schön-Zeit – neue Etiketten. Die sind schnörkellos, machen einen modernen, aufgeräumten Eindruck. Und sie bestehen aus zwei Feldern – ein Symbol für die Premiumlage „Karsdorfer Hohe Gräte“, die aus einem traditionellen Teil besteht und aus einem gelungenen Experiment. Das Experiment ist der Kalksteinbruch, eine rekultivierte Tagebaufläche. „Er liegt am Rande eines 400 Hektar großen Kessels mit bis zu 40 Meter hohen Steinwänden. Durch die Neuschichtung nach geologischen Gesichtspunkten mit Kalkstein, Gipskeuper, roten und grünen Tonen entstanden 4,5 Hektar einzigartige Anbaufläche“, weiß Lützkendorf. Weißburgunder, Riesling, Traminer, Spätburgunder und Portugieser profitieren von der gemachten Landschaft, in der das Kalksteinrund im Sommer Wärme speichert und im Winter die Reben vor allzu großer Wetterunbill schützt und für Kaltluftabfluss sorgt.

„Silvaner?“ fragte der nette Herr am Tisch und wechselte noch vor einer möglichen Antwort seines Gegenübers in den Aussagemodus: „Silvaner mag ich nicht!“ – „Doch, doch, Silvaner!“ erwiderte ich, „den müssen Sie probieren! Wo, wenn nicht hier?“ Genau das ist die Frage, denn Silvaner verortet man ja eher in Franken oder vielleicht noch in Rheinhessen – aber hier an der Saale? Genau, da ist der Silvaner sehr rar – aber genau deswegen sollte man ihn probieren, wenn es ihn gibt. Und beim Lützkendorf ist er voller Kraft und Mineralität – und sollte, wie alle guten Weine, nicht zu jung getrunken werden!

Nachtrag 2022: Am 5. April 2022 ist Uwe Lützkendorf gestorben.

Weingut Uwe Lützkendorf
Saalberge 31
D-06628 Naumburg, OT Bad Kösen

Tel. +49 34463 61000
www.weingut-luetzkendorf.de

 

Thüringer Weingut Zahn
Weinbergstraße 16
99518 Großheringen OT Kaatschen

Tel.: 034466/ 20356
www.erlebnisweingut.de

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