Mit Vollgas in die Entschleunigung

La Gomera

Inselurlaub hat, wenn die Insel nicht mit dem Flieger zu erreichen ist, sondern nur mit der Fähre, immer etwas Entschleunigendes an sich. Die Überfahrt mit der Fähre hilft, Abstand zu nehmen und langsam anzukommen.

Was aber, wenn die letzte Fähre zum Zielort um 19 Uhr ablegt und der Flieger auf der Nachbarinsel statt um halb vier erst kurz vor sechs landet und die eigenen Koffer quasi natürlich die letzten sind, die vom Band rollen? Dann gibt es nur eins: einen Taxifahrer, der die Verfolgungsszenen aus dem herrlichen Film Blues Brothers genau so mag wie seine Gäste und sich freut, kurz vor Feierabend noch einmal eine Herausforderung anzunehmen.

Die Frage ist nur: wie findet man so einen? Die Schlange am Taxistand ist lang. Sehr lang. Sehr sehr lang. Wir stehen (die Ungnade der späten Koffer) am Ende der Schlange. 18 Uhr 30 – bis wir dran sind, ist die Fähre garantiert fort.

Aus Langeweile und in der stillen Hoffnung, weiter vorne ein bekanntes Gesicht aus der „wann-kommen-denn-endlich-unsere-Koffer-Wartegemeinschaft“ zu treffen, unternimmt die Frau einen kleinen Abendspaziergang entlang der „das-ist-ja-hier-wie-in-Tegel-da-fehlen-auch-immer-die-Taxen-Partyschlange“ – und kommt wenigen Minuten fröhlich winkend und breit grinsend zurück: Komm!

Vorne, ganz vorne, quasi Platz zwei nach der Taxizuteilungspoleposition, steht ein Ehepaar, das auch ganz ganz schnell nach Los Cristianos muss. Die letzte Fähre nach Gomera! Und man muss die Tickets noch vorher kaufen! Wenn das man gut geht!

Wir bekommen ein Großraumtaxi zugewiesen und ich gebe als Zielort nicht nur Puerto Los Cristianos an, sondern – mehr bettelnd-fragend und mit den traurigsten Dackelaugen, die ich so drauf habe: Zur Fähre um sieben?!?!?!

Der Taxifahrer guckt auf die Uhr, denkt an den zu dieser Zeit üblichen Stau im belebten Hafenort, antwortet den Dackelaugen mit Funkelaugen und sagt: das wird knapp! Und dann fährt er los. Er muss den Film gesehen haben! Er nimmt leicht illegale Abkürzungen, er drängelt bei einem Taxikollegen vor und bedankt sich brav mit einer lässigen Handbewegung, er wechselt die Spur und verschafft sich – ohne auch nur jeweils die vor uns Fahrenden wirklich zu bedrängen oder gar die Licht- geschweige denn die richtige Hupe zu benutzen – respektvoll Platz. Im Ort nimmt er, wenn mich meine geringen Ortskenntnisse nicht ganz trügen, nicht die kürzeste Strecke, aber eine ohne Stau! Er huscht an schlendernden Feriengästen vorbei, er schaut auf die Uhr und dann in Richtung Fähre: Noch liegt sie am Kai.

Grinsend dreht er sich auf der Zielgeraden um zu den Fahrgästen im Fond. Er sagt nur ein einziges Wort: profesional. Wahrlich, ein Profi. Und vier dankbare Urlauber, die ihre Fähre wider Erwarten doch noch bekommen haben…

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