Das A und O im Erzgebirge

Mit dem sächsischen Wirtschaftsminister Martin Dulig unterwegs

Halbmond

Mit dem Wetter ist es wie mit der Zukunft: es ist ungewiss. Vor allem das, was vor einem liegt, gerne auch weiter davor. Man kann sich, das lehrt die Erfahrung, ja auf nüschte verlassen: Winterurlaub im Erzgebirge ein halbes oder gar ein Jahr im Voraus buchen? Kannste machen – aber ob die Ski auch zum Einsatz kommen? Unklar – biste da bist. Wer vorher plant, muss also gegebenenfalls zweimal planen – oder spontan was aus dem machen, was er vorfindet. Martin Dulig, sächsischer Staatsminister für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr, hatte vor langer Zweit einen Plan: Er wollte Mitte Januar das Erzgebirge bereisen, um sich umzusehen und umzuhören. Sein Hauptthema, geprägt von den vergangenen Winter-Erfahrungen: Was macht der Tourismus (für den er in seinem Ministerium auch zuständig ist), wenn es im Winter nicht schneit? Und was machen die Menschen in der Region, die vom Tourismus leben, wenn überhaupt nicht Winter ist? Und dann trat er die Reise an und fand allerfeinste Wetterbedingungen vor: ausreichend Schnee und blauer Himmel mit Sonne und normalen Minusgraden…

Erzgebirgswinterreise Martin DuligSieben Stationen an zwei Tagen standen auf dem Programm: Altenberg, Holzhau, Augustusburg, Oberwiesenthal, Johanngeorgenstadt, Erlbach und Klingenthal. Sieben Stopps, sieben Möglichkeiten für die örtlichen wie die mitreisenden Journalisten, attraktive Ministerfotos zu schießen. Sowas gehört in Zeiten medialer Hypes ja dazu, vom Hashtag #WiTourSN bei Twitter über Berichte in den Lokalblättern bis zum Beitrag im Fernsehen. Martin Dulig mit Matthias Benesch im Bob, Martin Dulig auf dem Quad, Martin Dulig auf dem Pistenbully oder auf dem Schlitten – sowas und mehr davon. Aber neben der Gelegenheit für hübsche Bilder gab es vor allem Gespräche mit den lokalen Granden aus Politik und Wirtschaft.

Jens Weißflog, Martin DuligDie Begegnungen und die Gespräche ähnelten sich, natürlich. Aber irgendwo gibt es dann doch feine Unterschiede, und manchmal musste man nicht einmal sehr sensibel sein, um die zu bemerken. Thomas Kirsten, der Bürgermeister von Altenberg, sprach noch sehr selbstbewusst davon, dass „wir das A und O des Tourismus im Erzgebirge sind“ und meinte mit A natürlich Altenberg und mit O Oberwiesenthal. Das fanden schon die Holzhauer nebenan nicht so prickelnd, weil sie da gar nicht vorkamen (obwohl: OHA würde ja auch gehen), aber die Oberwiesenthaler zeigten dann auf verblüffend ehrliche Weise, dass die Formulierung A und O ja für Anfang und Ende steht – beim offiziellen Abendtermin im Hotel der Skisprung-Legende Jens Weißflog kam es zum offenen Showdown von zwei offenbar seit Jahren nicht arg befreundeten Parteien: Verwaltung hier, Mittelständler aus der Tourismusbranche dort. Ob ein Ministerbesuch inklusiv mitreisender Pressemeute der richtige Zeitpunkt ist? Wohl kaum – und so haben die Oberwiesentahler insgesamt eher Erinnerungen an Heinrich Heines 1844 veröffentlichten Nachtgedanken in den Kopf des unbeteiligten Zuhörers kommen lassen: Denk ich an O’thal in der Nacht / Dann bin ich um den Schlaf gebracht… Und dabei hatte „der Floh vom Fichtelberg“, wie der Skispringer früher oft genannt wurde, doch eigentlich in einem sehr ruhig vorgetragenen und durchaus schlüssigen Anfangsstatement nur gefragt, ob so was wie ein Masterplan für Oberwiesenthal nicht sinnvoll sein könne…

Martin DuligOb man es nun Masterplan oder abgestimmte Entwicklung nennt: andernorts gibt’s so was oder man ist nicht abgeneigt. Und man tritt dem Minister mit einer gesunden Mischung aus Stolz ob der bereits geleisteten Dinge und Wünschen für geplante Ideen gegenüber. Reibungsflächen gibt es immer wieder – Tourismus und Umweltschutz, Tourismus und die Forstwirtschaft, Tourismus und die Behörden: da ist nicht immer alles eitel Freud‘. Für Martin Dulig, der recht unspektakulär mehr zum Zuhören als zum Verkünden von Versprechungen gekommen war, gehört die Reibung dazu. Und das Gespräch über die Dinge, die zu den Reibungen führen. „Ich habe gemerkt, dass wir an einigen Stellen viel tun müssen. Doch die Lösungen müssen vor Ort entwickelt werden, die Touristiker kennen ihre Regionen immerhin am Besten. Wir müssen uns alle mehr vernetzen, denn allein schaffen wir den Aufbruch in die Zukunft nicht: Die Unternehmer untereinander, die Kommunen miteinander und natürlich sollten wir auch den Kontakt zu unseren tschechischen Nachbarn verstärken,“ sagt Dulig.

DSC05393Ach ja, der Nachbar, der tschechische. Manchmal ist der Tscheche das Problem (dort gibt’s mittlerweile viele Dinge, auf die man von hier aus mit ein wenig Neid schaut) – oder vielleicht nicht das Problem, sondern besser eine ernst zu nehmende Konkurrenz. Aber dann ist der Tscheche, meist in Form von die Tschechin, auch willkommen. Als Gast sowieso, aber auch als Arbeitskraft. Je nachdem, wo man ist und nachfragt, kommen 30 bis 50 Prozent der Belegschaft aus dem Nachbarland – und die Hoteliers und Gastronomen sind des Lobes voll. Manchmal gibt es den gewünschten Kontakt mit den tschechischen Nachbarn auch schon etwas kräftiger – da sitzen dann auch Vertreter*innen tschechischer Nachbargemeinden mit am Tisch und tragen ihre Sicht der Dinge vor. Gemeinsame Aktivitäten sind manchmal quasi unumgänglich – weil Kämme nicht an der Grenze aufhören (und somit auch die Wege darauf nicht), weil man, wenn man um einen Berg direkt auf der Grenze herum will, dieselbe gleich zweimal überschreiten muss (einmal rüber, einmal nüber). Wenn das auch wegetechnisch kein Problem ist, freuen sich die Touristen…

LangläuferEs gibt noch mehr, worüber sich Touristen freuen könnten – und manchmal sind es nur die kleinen Dinge. Hinweisschilder, rechtzeitige, zum Beispiel. Oder gute Straßen bis in die touristischen Zentren. Bei asphaltierten Radwegen durch die Wälder des Erzgebirges aber gehen die Meinungen schon auseinander: Die Forstwirtschaftler mit ihren (für Asphalt zu schweren) Maschinen trauen sich da nicht drüber, die Naturschützer mögen Asphalt eh nicht – und viele Touristen, wenn sie nicht gerade mit dem Rad unterwegs sind, auch nicht: die intakte Natur ist im Erzgebirge ein USP, das Ding, was es einzigartig macht.

Berghütte in HolzhauWobei es noch mehr einzigartige Dinge gibt, aber leider nicht immer nur gute. Wenn der Minister von der Digitalisierung und den sich daraus ergebenden Möglichkeiten spricht, kann es schon mal sein, dass jemand sein Smartphone hochhält und drauf zeigt: Kein Netz. Nicht nur unterwegs, sondern auch in den Orten ist die Telekommunikation – sagen wir mal: so sparsam, dass man sich gut erholen könnte. Wenn man sich nicht darüber aufregt, dass mal wieder nichts geht (wobei sich die Hoteliers und Vermieter etc. besonders ärgern: sie müssen ja arbeiten und wöllten schon, wenn man sie ließe, das Internet mehr nutzen). Aber auch die Leistungen der Hotellerie und Gastronomie sind nicht durchweg so, dass man als kulinarisch interessierter Beobachter strahlt und freudig erregt den Freunden berichtet. Es gibt, wenn man Pech hat, müden, schlappen Salat mit sehr wenig Dressing. Es gibt zum Fisch einen halbtrockenen Weißwein. Es gibt ein großes Apartment (125 € für die erste Nacht) mit nicht einem Bild, einem weit vom Sofa stehenden viel zu kleinen Fernseher und natürlich keinem WLAN. Wenn man dann Vergleiche mit dem Schwarzwald hört, kommt man ins Grübeln. Ob mit oder ohne Schnee…

Mr. Snow – Jens ReindlWobei wir bei „mit ohne Schnee“ ja wieder beim ursprünglich angepeilten Problemfeld wären: Was ist denn, wenn die Winter sich nicht so benehmen, wie wir es uns wünschen und zu warm oder kalt, aber ohne Schnee daher kommen? Es gibt, nix Neues das und auch immer wieder mal ins Gespräch gebracht oder schon praktiziert, künstlichen Schnee aus Schneekanonen. Die produzieren aber sozusagen Schnee von gestern: Aus Chemnitz kommt Mr. Snow vorbei und präsentiert nicht nur wunderbare Schlagzeilen („Wir produzieren den Stoff fürs Nacktrodeln“), sondern vor allem Schneematten aus technischen Textilien. Mitgründer Jens Reindl, selbst begeisterter Snowboarder, ist immer noch begeistert von der Idee und entwickelt sie mit seinem Team weiter.

Reise des Staatsministers für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr, Martin Dulig MdL
Fokus: Winterreiseziel Sachsen – 19. und 20. Januar 2017
Anmerkung: Wir waren auf Einladung des Ministeriums mit dabei.

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