Der Fahrstuhl in die Slawenzeit

Burg Lenzen

Burgblick auf Lenzen

Wir leben auf der Vergangenheit. Schichtenweise offenbart sie sich unter uns, manchmal ganz lapidar (Kellerreste mit Überbleibseln von Hausrat), manchmal aber auch eher spektakulär. Da muss zwar nicht, wie beispielsweise auf (bzw. eigentlich ja unter) Burg Lenzen, die Geschichte neu geschrieben werden – aber sie kann neu und besser erklärt werden. Und das hat was, vor allem wenn es dann auch noch ebenso nett wie verständlich aufbereitet und in ein angenehmes Umfeld eingebettet ist.

Lenzen, mit etwas mehr als 2.000 Menschen bewohntes Städtchen im Dreiländereck Brandenburg – Mecklenburg-Vorpommern – Niedersachsen, ist nah am Wasser gebaut. Die Elbe, natürlich, aber auch die kleineren Flüsse wie die Löcknitz oder die Alte Elde. Flüsse sind bekanntlich prima Grenzen (bis 1989 war es die Elbe tatsächlich) und prima Grundversorger (Wasser, Fische,…) – aber auch eine stete Gefahr: Hochwasser waren schon immer ein Ärgernis, und zur Zeit der Slawen waren diese Hochwasser häufig und heftig, „extreme Hochwasserstände im fortgeschrittenen 10. Jahrhundert“ konstatierten Wissenschaftler, die in einem Forschungsprojekt das Leben mit dem Wasser bei den Slawen an der unteren Mittelelbe untersuchten.

DioramaAlso baute man gerne vorsorglich auf leichten Anhöhen. Die Burg Lenzen ist so ein Fall. Sie war, wie slawische Burgen östlich der Elbe (von denen es reichlich gab…) aus Holz und Erde gebaut – und im Jahr 929 Schauplatz einer eher grausamen Schlacht. Der Frankenkönig Heinrich I. (ein Wessi, wenn man das so sagen darf) wollte die Slawen östlich der Elbe vernichten – „man kannte keine Schonung, nur Knechtschaft und Vernichtung“, heißt es beim sächsischen Chronisten Widukind von Corvey. Ein Bild der Schlacht kann man sich im Museum im Turm der Burg Lenzen machen: dort gibt es ein Diorama mit etwa 8.000 Zinnfiguren, das der Künstler Max Brauer 1941 hergestellt hat – nach seinen Vorstellungen, was nicht unbedingt exakt der Geschichte entspricht. Spannend anzusehen und voller Details ist es dennoch…

Burg LenzenWissenschaftlich fundierte Details der alten Burg kamen – wortwörtlich – zum Vorschein, als man eine Baugrube für den Neubau eines Tagungszentrums am Fuß der jetzigen Burg aushob. Denn Burg Lenzen ist, nach wechselhafter Geschichte, seit 1993 Europäisches Zentrum für Auenökologie, Umweltbildung und Besucherinformation, Träger ist der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). Bei den Bauarbeiten ging es tief in den Boden, bis zu acht Meter. Und dort fanden die Archäologen Spektakuläres: Besonders in den tieferen und älteren Schichten hatten sich hölzerne Bauteile und Gegenstände in ungekannter Qualität erhalten.

Der Fahrstuhl in die Slawenzeit brachte die Überreste eines holzverstärkten Erdwalles mit vorgelagerten Palisaden an den Tag. Heike Kennecke, die über die früheren Burgen auf Lenzen geforscht hat, nennt Details: „Es fanden sich 6.404 Keramikscherben, 6.851 Knochen von Haustieren und bis zu zehn Prozent Wildtieren, Tierhaare und 150.556 botanische Makrorestproben und Pollenproben, die von der Entwaldung der Landschaft und der Landwirtschaft zeugen, in der Hirse, Hafer und Roggen dominierten.“

Und heute? Manchmal auch noch Hirse, Hafer und Roggen – aber in schmackhaften Varianten. Denn neben Europäischem Zentrum und Besucherzentrum gibt es noch das Burghotel – ein BioHotel mit Tagungszentrum und (natürlich) auch einem Restaurant, mit frisch zubereiteten Gerichten zumeist regionaler Herkunft. Und natürlich bio…

 

Hinweis:
Der Besuch fand statt im Rahmen einer Pressereise des Tourismusverband Prignitz e.V. im September 2016 zur Vorstellung der Marke „Zeitschätze Prignitz – Zentrale Archäologische Orte“.
Alle Beiträge zu den besuchten zentralen archäologischen Orten

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