Französische Landhausküche in fünf Gängen

Kochsternstunen 2017: L'Auberge Gutshof in Bischofswerda

L'Auberge Kochsternstundenmenü 2017

Zu den großen Irrtümern mancher Restaurantgeher gehört, dass etwas, nur weil es französisch heißt, Sterneküche sein muss – oder wenigstens kurz davor. Das ist sogar von beiden Seiten her kommend falsch, denn wer sich das Menü von (beispielsweise) dem bean&beluga von Stefan Hermann anschaut, findet nur deutsche Bezeichnungen (es sei denn, ein Produzent oder eine Herkunft sind französisch…). Wir waren aber gar nicht bei Stefan Hermann auf dem Hirsch, sondern sind weiter gefahren auf der B6 – bis nach Bischofswerda, und dann rechts ab nach Belmsdorf. Dort, wo laut Stadtwerbung „Das Tor zur Oberlausitz“ zu finden sei, ist es für Viele schon in the middle of nowhere. Um so größer die Verwunderung, plötzlich französische Farben zu sehen: Voila, l’auberge! Hier kocht seit 2000 Tina Weßollek, und da sie in Frankreich das Kochen gelernt hat, macht sie’s französisch. Das merkt man den Gerichten natürlich an. Was die Art des Kochens anbelangt sowieso, aber eben auch auf der Karte: da geht’s munter deutsch-französisch zu – was unkomplizierten Charme hat.

Zu den Kochsternstunden kann man bis zu fünf Gänge essen (50 €) und sich bei Bedarf dazu auch den passenden Wein servieren lassen (dann kostet’s 80 €). Wem das zu viel erscheint: die Möglichkeit des weniger geht auch (4 Gänge 46 €/72 €; 3 Gänge 37 €/59 €). Da Tina Weßollek die Portionsgröße vernünftigerweise aber der Zahl der Gänge anzupassen scheint, verlässt man den Gutshof auch fünf Gängen nicht genudelt, sondern lediglich ordentlich gesättigt. Und so sollte es ja auch sein. Selbst wenn es eingangs noch ein Amuse bouche und zum Schluss zur Rechnung auch noch was auf die Hüfte gibt. Für die Hüftdinge sind unter anderem die Macarons zuständig, die das Menü quasi einrahmten: als allererstes kam als Küchengruß (oh, pardon, wir sind ja in Fronkraisch: als amuse bouche natürlich!) ein herzhaftes Macaron. Herzhaft allerdings nur die Füllung mit geräucherter Garnele, Kräuterfrischkäse und Chili zwischen den beiden Halbkugeln – die aber waren süß. „Zu süß!“ proklamierten einige. „Passt doch!“ entgegneten andere. „Geht nicht anders…“, verriet Tina Weßollek uns, als sie nach dem Menü an den Tisch kam: Die sehr empfindlichen Macarons bräuchten die richtige Mischung aus Zucker und Eiweiß, um nicht auseinander zu fallen. Mir hat’s gepasst, die Geschmäcker sind halt verschieden…

Dass die Tina ’ne Süße ist, merkte man auch in der ersten Vorspeise, denn auch da gab es deutlich süße Anklänge. Tarte Tatin von der Tomate & Saucisse de Toulouse mit Zupfsalaten sowie Ziegenkäse-Feigentürmchen war für mich schöne französische Landhausküche, auch wenn sich die Tomaten in dieser Zeit schwer tun, aromatisch zu sein. Aber die Idee, die tarte tatin einmal nicht mit Äpfeln zu machen, sondern mit Tomaten, ist toll – und der dazu gereichte Wein, ein A.O.C. Sancerre 2015, Vigneron Daniel Crochet, war passend leicht und animierend. Thomas Mitschke, der uns am 17-Leute-Tisch flott und freundlich (sollte man sich schützen lassen: flott&freundlich®) bediente, hatte sowieso den Abend über fast nur passende und einfach schöne Weine einzuschenken. Die eine Ausnahme kam auch erfreulich spät, da war die Laune eh schon bestens.

Beim Duo von Seeteufel und Jakobsmuschel in Safransauce auf Spinat und Carmague-Reisbett war der Seeteufel etwas zu gar geraten, während die Jakobsmuschel perfekt geraten war. Beim Reis mussten wir erst einmal an den Krimi Tödliche Camargue denken – nun bekam das dort Gelesene (lohnt sich!) also auch den richtigen Geschmack. Zusammen mit der Safransauce übrigens ein genialer Geschmack! Der Wein dazu kam nicht aus dem Süden, obwohl die dort ja auch eine Menge Rosés machen, sondern aus dem Bordeaux. Und er war gut: 2015 Rosé de Pertignas, A.O.C. Bordeaux rosé von Pierre Gauthier.

Der Hauptgang erwies sich als neuerlicher Gesprächsbereiter: Onglet du bœuf in Rotweinsauce mit Schalotten-confit, petit légumes und Kartoffel-Knusperröllchen  steht auf der Karte, zusätzlich lag ein Stück Ochsenbäckchen beim Fleisch. Warum? Thomas Mitschke deutete es an: „Das Onglet muss medium gebraten sein, durch geht gar nicht. Daher die Zugabe für die, die damit ein Problem haben!“ Das war allerdings nur die halbe Wahrheit. Eigentlich spielt dieses Stück Fleisch, das man in Deutschland als Nierenzapfen und in Amerika als Hanging Tender kennt, seine würzigen und zarte Seiten am besten aus, wenn es höchstens medium-rare gebraten (oder gegrillt) wird. Das Zugeständnis an den hiesigen „lieber etwas mehr durch“-Geschmack machte das Fleisch sehr straff. Schade. Die dazu gereichte Rotweinssauce fand mit dem Kartoffel-Knusperröllchen einen würdigen Partner, und der grüne Spargel ließ die Freude auf die bald beginnende Spargelsaison schon mal wachsen. Trefflich der A.O.C. Gigondas 2011, Château de St. Cosme: eine sanft-würzige Cuvée aus 60% Grenache, 20% Syrah, 18% Mourvèdre und 2% Cinsault. Davon hätten wir gerne mehr gehabt und dafür auf den 2014er Côtes du Roussillon der Domaine Mirabeau verzichtet, der als Begleiter für Duo de Fromage mit bretonischer Salzbutter  vorgesehen war. Aber das merkten wir ja erst später (hatten aber noch was vom Vorgänger im Glas, das passte dann schon!).

Die Küchenchefin, hatten wir im vergangenen Jahr gelernt, liebt Desserts. Und was man liebt, kommt dann ja auch mit Liebe auf den Tisch. Voila: Die Impression der Küchenchefin von „Rondnoir“ mit Himbeeren und Gewürzen durfte süß sein, weil man es zum Dessert erwartet. Und dass neben dem bei uns viel zu wenig bekannten Süßwein Baillaury aus dem Banyuls auch noch ein kompletter Eiffelturm verputzt werden konnte, rundete den Abend doch nett ab…

Hotel L’Auberge Gutshof
Alte Belmsdorfer Straße 33
01877 Bischofswerda

Tel. 03594.705200
www.auberge-gutshof.de

Öffnungszeiten:
Mo, Di, Fr, Sa ab 17 Uhr
So und Feiertage 11.30 – 14.30 Uhr und 17 – 20.30 Uhr
Mi, Do Ruhetag

[Besucht am 20. März 2017 | Übersicht der hier besprochenen Restaurants in Dresden und Umgebung]


Hinweis:

Die STIPvisiten sind Partner der Kochsternstunden.

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