„So genau weiß man das ja nicht…“

August der Starke und seine Mätressen

Reinhard Delau

August der Starke ist für Dresden so ungefähr das, was die Dosenmilch gemäß einschlägiger Werbung für den Kaffee sein soll: unabdingbar. Stimmte zwar schon damals nicht, als die Werbung uns glauben ließ, dass „Kaffe ohne Dosenmilch wie Dienstags ohne Dallas“ sei – ist aber auch nicht ganz falsch. Was den Wettiner und die Dosenmilch aber definitiv unterscheidet: Geschichten über August sind immer spannender. Und wenn Reinhard Delau, der studierte Historiker und Germanist, über das Verhältnis von August den Starken schreibt und das dann bei einer Lesung zu Gehör bringt, ist für beste Unterhaltung gesorgt.

Das Buch ist eine Wiederveröffentlichung – 1995 gab’s auch schon mal Augusts Weibergeschichten aus der Feder von Delau. Aber in unserer schnelllebigen Zeit ist das ja schon lange her (in der Tat: vorheriges Jahrhundert!), und man kann ja nachfolgende Generationen immer mal anfixen mit den alten Geschichten.

Delau ist, wenn man seine Bücher liest und erst recht wenn man ihm zuhört, der letzte Überlebende des Dresdner Barock. Man muss ja nicht alles glauben, und wenn in seinen Biographien 1940 als Geburtsjahr steht, dann ist das allenfalls das Datum der letzten Reinkarnation. Aber in Wirklichkeit war Delau dabei, damals, als das alles passierte. Jedenfalls schreibt er so und macht nur hin und wieder kleine Rückzieher, meist in Form von kräftigen Aussagen mit kleinem Fragezeichen am Schluss: „Die Marquise wird von ihrem Gatten gezwungen, Gift zu nehmen. Dichtung oder Wahrheit? Die Legende hat es gewoben.“ liest man da (auf Seite zwölf des Buches, für Kontextsucher), oder „Wie Friedrich August sie aufnahm und was beredet wurde, kann nur vermutet werden. ich stelle mir vor: …“ (und dann folgt absatzweise eine detaillierte Schilderung, wie es war – pardon: hätte sein können).

Ist das schlimm? Nicht wenn man sich drauf einlässt. Wenn Delau über seine Zeit – pardon: die Zeit von August und Co! – schreibt, dann ist es eben immer ein bunter Mix von sehr vielen (durch Quellen verbürgte) Details und etlichen i-Tüpfelchen aus dem Reich der Phantasie. Historiker mögen sich dran stören, weil ja schon die Quellen ausgewählt und interpretiert sind – aber Leser*innen kommen anders als bei Geschichtsbüchern in den Genuss des Schmunzelns. Denn Delau ist nicht nur ein wissender Historiker, sondern auch ein munterer Erzähler. Eine Lesung mit ihm ist dann auch weniger das Vorlesen des geschrieben Textes, sondern das Fabulieren rund um das Geschriebene. Ärgerlich? I wo, im Gegenteil! Ganz ohne Manuskript, nur so aus der Fülle des Gemüts, klingt alles noch überzeugender. Natürlich flicht Delau auch hier das eine oder andere „so genau weiß man das ja nicht!“ ein, aber das nimmt einem nicht den Spaß. Lediglich sein Zeitkorsett war deutlich zu eng. Vorschlag für 2018: Die Lange Nacht des starken August. Reinhard Delau erzählt (mindestens fünf Stunden, mit kleinen Pausen für wine in und wine out). Wenn das jemand mitschneidet, gibt das hinterher ein spannendes Buch!

Reinhard Delau, August der Starke und seine Mätressen
Verlag Saxophon, ISBN 978-3-943444-63-6
Softcover, 168 Seiten, Format 12,5 x 19,5 cm, 12,90 €

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