Sanfte Hügel und ein blöd guckender Stein

Wanderung von Chipude nach La Matanza und zurück über El Cercado nach Chipude

Los Manantiales

Kirche Chipude Bar Sonia Auf dem Weg zur Matanza El Cercado, Mirador und Tunnel Blick gen El Hierro und zum Valle Stoned face Rückweg vor und zurück blickend El Cercado - STOP Zwischen El Cercado und Chipude Lavaderos "La Vica"In Chipude beginnen ja mehrere Wanderungen, weswegen es manchmal eng wird mit den Parkplätzen – vor allem, wenn man wie wir nie allzu früh startet. Aber irgendwo findet sich in der Nähe des Marktplatzes dann doch meist ein Plätzchen für el coche, so dass es theoretisch gleich losgehen könnte. Aber da ist ja die Kirche Iglesia Nuestra Señora de la Candelaria, die irgendwie malerisch aussieht und einladend obendrein. Es ist ja nie verkehrt, sich Kirchen auch von innen anzusehen – wir also rein und sind erst mal umfangen von der Dunkelheit. Die Augen gewöhnen sich dran, in dieser Zeit kommt man auch gleich ein wenig runter vom Anfahrstress. Unsere Liebe Frau von Candelaria ist erst seit 2013 gekrönt, verehrt wird die Jungfrau auf der Insel freilich schon länger. Die Kirche stammt aus dem Jahr 1540 und erhielt ihre jetzige Form im 17. Jahrhundert – seitdem ist sie auch Pfarrkirche für die umliegenden Ortschaften. Jedes Jahr am 15. August zieht eine Fiesta zu Ehren der Schutzheiligen Chipudes Einheimische und Touristen an – wer den Trubel meiden will, sollte also nicht gerade an diesem Tag dort loswandern.

Mitten im November an einem rein wettermäßig eher durchwachsenem Tag besteht freilich nicht die Gefahr allzu großer Menschenansammlungen. Dafür konnten wir es ruhig angehen lassen, denn zu Sonia mussten wir auch noch, allein schon wegen der wunderbaren scrabblemäßigen Verwebung der Worte Bar, Sonia und Restaurante. Aber eigentlich war uns nur nach einem café expreso, bevor die eher leichte Wanderung uns in die obere Argaga-Schlucht bis La Matanza und dann über Cercado zurück nach Chipude führen sollte. Die Espressomaschine hat italienische Ausmaße, das Ergebnis trinkt sich dementsprechend. An der Theke stehend bekomme ich mit, dass die Bar am 10. November 2011 für vorzügliche landestypische Küche ausgezeichnet wurde – Zeitungsausschnitt und eine Urkunde mit Unterschrift von el presidente Unleserlich. Wir haben’s nicht probiert, aber man kann ja wiederkommen.

Die Wanderung selbst ist eigentlich eher ein schöner Spaziergang – allemal für gomerische Verhältnisse, denn auf dem sieben Kilometer-Rundweg liegen zwischen höchstem und tiefstem Punkt nur rund 300 Höhenmeter, insgesamt sind’s mit dem üblichen Auf und Ab 550 Meter runter und dann wieder hoch. Großartig allerdings sind die Aussichten – und zwar die ganze Zeit über und in alle Richtungen. Die Landschaft ist hier nicht schroff, sondern eher leicht hügelig und grün, teilweise ist sie für die Landwirtschaft terrassiert. Eine Ansammlung von Häusern – Los Manantiales, im Bild über diesem Beitrag zu sehen – ist uns schon bei früheren Wanderungen aufgefallen: unvermittelt tauchen sie auf, mittlerweile wunderbar restaurierte Kanarenhäuser. Und das in the middle of nowhere… Ansonsten genießen wir, im ganz sanften Abstieg zur Senke La Matanza, die – warum auch immer – oft Alm genannt wird, die Ruhe und das satte Grün. Wobei Abstieg natürlich relativ ist: natürlich geht es immer mal wieder hoch auf den Ausläufer eines Bergrückens, was den Reiz durchaus erhöht, denn einmal oben angekommen, ergeben sich neue Ausblicke.

Eine Entdeckung: Der Mirador Cesar Manrique oberhalb des benachbarten Valle Gran Rey. Wir studieren den Verlauf der Straße, die uns aus dem Valle (oder ins Tal hinein, je nachdem) bringt, erkennen die beiden Tunnel. Höchst interessant! Und dann erkennen wir noch einen Weg, der nicht der unsere ist – aber er sieht verlockend aus, führt hinter den grasbewachsenen Bergzug, der eigentlich bei unserem Rückweg zur Linken sein soll. Der Weg hinterm Abbruch sieht wunderbar ausgebaut aus – aber der Schein trügt: nur die ersten paar hundert Meter sind es, danach kann’s (selbst für erfahrene Wanderer (und sogar Kletterer) kribbelig werden. Wir sind also nur rund hundert Meter rein, die sich aber lohnen – von wegen immer neue Perspektiven und Aussichten, auch wenn das Grundmotiv immer gleich bleibt.

Hin zu sehen wir in der Ferne El Cercado – unser nächstes Ziel, wenn auch auf anderem Weg. Rück zu sehen wir das Valle Gran Rey, erneut den Mirador, und dann erkennen wir– etwas nach links geschwenkt weg vom Valle – am Horizont El Hierro. So eine gute Sicht gibt’s nicht alle Tage, meist verschwimmen Meer und Himmel miteinander, verwoben und verklammert mit einem kräftigen Wolkenband. Manchmal haben die Wolken zwar eine Form wie die Insel selber – aber so fast ganz ohne ist’s halt eher selten.

Zurück auf dem richtigen Weg gen El Cercado passieren wir terrassiertes Gelände, bei dem einer der Steine uns blöd anguckt. Ist das Kunst oder gehört das dahin? So wie es aussieht, ist das eine tiefer gelegte Vogelscheuche – und folgerichtig sind wir flugs dran vorüber gegangen. Es gab ja auch außer dem stoned face noch einiges zu sehen. Alles nicht spektakulär, außer vielleicht: spektakulär schön. Da es das gleiche Tal wie auf dem Hinweg war, nicht überraschend. Wobei die andere Seite schon gleichzusetzen ist mit neuen Ausblicken, zum Beispiel voraus im leichten Anstieg mit Blick auf Chipude zur Rechten und – zuerst durch Hügel verdeckt – El Cercado fast vorne. Wie immer lohnt sich häufiges Anhalten, um die zurückgelegte Strecke mit Meerblick zu genießen  (die Frau sagt, dass sei doch nur ein Vorwand, weil ich nicht mehr könne – so ein dumm Tüch!).

Vorbei geht’s an Palmen nach El Cercado – wobei wir den belebten Teil des Dorfes im wahrsten Wortsinn links liegen lassen. Belebt meint natürlich nicht, dass hier der Bär steppt – lediglich einige traditionelle Töpfereien locken die Touristen und zwei Bars, von denen wir eine am Abend mit dem Auto auf dem Heimweg ansteuern werden (Besuch in der Bar Victoria). Mit Vergnügen sehen wir, dass von der EU geförderte Wanderschilder es gut mit den Wanderern meinen: ein richtiges STOP-Schild warnt vor Straßen, die man kreuzt. Nun gut, alleine hätten wir das nicht gemerkt. Autofahrer werden übrigens nicht vor kreuzenden Wanderern gewarnt, obwohl die, wenn sie in Gruppen auftreten, durchaus nicht harmlos sein müssen.

Von El Cercado nach Chipude bzw. eigentlich nach Temocodá, denn so heißt das Dorf, das sie hier alle meinen, wenn sie Chipude sagen (eigentlich ist Chipude die Bezeichnung für die ganze Gegend, andere Dörfer inclusive – aber egal!) – also von hier nach da ist es nicht weit. Der Weg, wieder mit ordentlichen Warnschildern vor querenden Straßen ausgestattet, führt durch Felder und lässt die Autos weite Runden drehen. Schneller sind sie natürlich dennoch, aber sehen kann man zu Fuß natürlich besser. Besucher des Dresdner Verkehrsmuseums wissen das, sie bekommen unten in der Halle ja immer den passenden Spruch vor Augen gehalten: „Nur wo du zu Fuß warst bist du auch wirklich gewesen“ (Goethe, wer sonst – wir ham ja sonst keinen, offenbar…). Und so entdecken wir reife Weintrauben, alte und verfallende Häuser sowie eine renovierte alte Waschküche, die Lavaderos „La Vica“. Und dann sind wir schon wieder da, wo alles los ging.

Hier geht’s zur GPS-Aufzeichnung dieser Tour (7. November 2016):

Chipude – La Matanza – Cercado – Chipude

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