Bei João fließt die Arade in den Adern

Bootstour von Portimão nach Silves

João Venâncio

Die Frage ist doch, ob João Venâncio gut zu Vögeln ist oder sie nicht mag. Ich meine ja, der braun gebrannte und gerne laut lachende Skipper mag sie. Wir sind auf seinem Boot Cegonha do Arade und schippern gemächlich den Fluß Arade hoch, von Portimão nach Silves. Unterwegs gibt es – außer: Landschaft – vor allem Wildlife zu sehen. Wenn man Glück hat, denn Schildkröten, Graureiher, Störche, Flamingos und Adler bewegen sich erfahrungsgemäß gar nicht oder viel zu schnell. Zumindest für Fotografen an Bord eines Motorboots keine befriedigende Situation.

João Venâncio
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João will uns alle Vögel zeigen, und er findet: wenn sie fliegen, sieht das besser aus. Da könnte man ja noch drüber streiten, aber einen Vorteil haben fliegende Vögel: man sieht sie, wohingegen still vor sich hin stehende Exemplare des, beispielsweise, Graureihers erst mal auch gesehen werden wollen. Also gibt João den lustigen Vogel und trillert ein zweigestrichenes brrrrrrrrrrrrrrrrr-tja! oder auch mal zackig explosiv bi! Meist lässt das die Vögel kalt, sie bleiben hocken. Wenn sie könnten, würden sie wahrscheinlich ihrem alten Kumpel João winken, denn sie kennen ihn ja nun schon seit mehr als 20 Jahren. Vorausgesetzt, sie sind so lange hier. João stammt aus einer Fischerfamilie – aber das Geschäft mit den Touristen läuft offensichtlich besser als das mit den Fischen. Aber so oder so ernährt Fluss die Familie, und João sagt: „Mir fließt die Arade in den Adern!“

Cegonha do AradeDie Cegonha do Arade, der Nachbau eines Bootes aus dem 16. Jahrhundert (zumindest vom Äußeren – die Technik ist neueren Datums) hat keinen festen Zeitplan – der richtet sich nach den Gezeiten. Um im oberen Teil des Flusses bei Silves genügend Fahrwasser zu haben, braucht sie die Zeiten rund um die Flut – sonst ist das nüschte mit der Handbreit Wasser unterm Kiel. Wobei selbst das Hochwasser für den Fluss im oberen Stück kurz vor Silves nicht immer hoch genug ist – bei Vollmond und bei Neumond klappt’s aber meistens.

Rocha de GarciaWeil João offensichtlich nur portugiesisch und sein spezielles vögelisch spricht, gibt es einen Dolmetscher an Bord, so dass wir auf dem Weg nach Silves (und später zurück) nette Details erfahren. Zum Beispiel macht er uns aufmerksam auf Ruinen. Nicht von wirklich historischen Gebäuden, sondern von solchen aus der nicht ganz so weit entfernten Vergangenheit: Reste von Fabriken, in denen Fisch verarbeitet wurde. Oder von Gezeitenkraftwerken – alles Zeugen wirtschaftlich anderer Zeiten. Hin und wieder erkennt man dann schon den Wandel in Form von Neubauten. Die alten Fabriken haben ja eine gute Lage, direkt am Fluss und nicht weit von Portimão entfernt.

Noch älter als die alten Fabriken ist der Felsspalt am (flussab, wie immer) rechten Ufer. Es handelt sich um den Felsen Rocha de Garcia, der so etwas wie ein heiliger Ort ist – zumindest für die Fischer. Man erkennt (auf jeden Fall, wenn drauf hingewiesen…) ein Bild vom Heiligen António, das die Bewohner von Mexilhoeira da Carregação dort aufgehängt haben. Die Statue, die zuvor dort stand, um die Fischer zu beschützen, wurde gestohlen. Dieben ist eben nichts heilig.

Graureiher SilvesDie Arade sei früher so etwas wie die Autobahn gewesen, erfahren wir, der Fluss sei die Haupttransportader der Westalgarve gewesen. So gesehen ist die Flussfahrt auch eine Reise in die Vergangenheit…

Von der Autobahn merkt man freilich nichts mehr – zumal stromauf ab dem Zusammenfluss vom Ribeira de Odelauca und der Arade die majestätische Breite des Flusses schlagartig schwindet. Zeit für Romantiker, Zeit für Schildkröten-Spotting. In der einschlägigen Literatur sonnen sie sich auf dem Watt oder einem Stein – in der Realität tun sie das freilich nicht immer. Wir sahen nicht eine. Aber dafür gaben sich davon huschende Graureiher und winkende Angler die Ehre, und das Ufer ist auch ganz schön. Vielleicht sind die Schildkröten auch nur ins Trockene gegangen, denn wir bekommen ein wenig Regen. Nach mehreren Monaten der Trockenheit für die Portugiesen ein Grund zum Jubeln, für uns eher so: naja, musste das ausgerechnet heute sein? Aber wir lieben ja low-key-Fotos, und auf dem Rückweg gab’s sogar etwas Sonne (sowie am Abend einen schönen Sonnenuntergang, an der Ponta da Piedade bei Lagos).

Silves: BäumeSilves taucht am Horizont auf, der hier allerdings näher liegt als beim offenen Meer: bestimmt wird er nicht durch die Erdkrümmung, sondern durch die Biegungen des Flusses. Kurz vor dem Anlegen passieren wir eine ganz besondere Baumallee: die Stämme sind farbig bestrickt oder behäkelt – so genau konnte man das von Bord aus nicht sehen. Und da wir wegen der Versandung der Arade rechtzeitig vor zu niedrigem Wasser wieder gen Portimão schippern müssen, bleiben nur gut eineinhalb Stunden Zeit in Silves. Die reichen nur für einen Spaziergang durch die Stadt mit Stopps vor (statt in) einigen wichtigen Orten.

SilvesSilves hat eine wechselvolle Geschichte hinter sich – sie ist die älteste Stadt der Algarve. Iberische Ureinwohner siedelten schon in der Jungsteinzeit (5.000 – 2000 v.Chr.) auf dem Hügel, auf dem sich heute das Castelo dos Mouros befindet. Dann kamen Phönizier, Karthager, Römer. Und mit den Letztgenannten sozusagen die erste Wasser-Autobahn, denn mit Handelsgütern beladene Schiffe konnten von Portimão kommend auf dem Fluss Arade mühelos bis Silves fahren – damals gab’s ja noch nicht diese Versandungen.

Castelo dos Mouros und Kathedrale713 wurde Silves von den Mauren erobert und erlebte eine Blütezeit. Die Befreiung durch christliche Kreuzritter im Jahr 1242 beendete recht grausam die Zeit von Silves als Hauptstadt der Algarve und kulturellem wie wirtschaftlichem Zentrum der Region. Aus dieser Zeit der Mauren stammt auch – nomen est omen – das Castelo dos Mouros. Fast gegenüber (aber etwas weiter unten!) die Kathedrale. Ursprünglich am Platz der früheren Moschee 1189 als dreischiffigen Kathedrale begonnen, aber durch das Erdbeben 1755 fast vollständig vernichtet. Danach wurde die Kathedrale – mit Änderungen – im gotischen Stil wieder aufgebaut. Wir waren (der kurzen Aufenthaltszeit von 90 Minuten wegen) weder in der einen noch in der anderen Sehenswürdigkeit, müssen also noch mal wieder kommen…

Silves-MosaikEs bleibt natürlich noch Zeit für eine Stadtbummelei. Wir erfreuen uns an den blau-weißen Kacheln im Café Rosa, verzichten aber auf den im Reiseführer gepriesenen Kaffee mit Kuchen. Dafür lassen wir uns auf einen Ohnmachtshappen an einem Tisch des Straßencafés O Terreão nieder – direkt neben dem Stadttor, in dem ein Musiker angenehme Hintergrundbeschallung liefert (Glas Wein 1,50 €, Tapasteller 4,75 €. Steueranteil im Wein 23 %, Steueranteil bei den Naschereien 13 %). Wir sahen einige arg renovierungsbedürftige Häuser und deutlich mehr von denen, die es geschafft hatten. Dementsprechend gibt’s Bilder vom charmanten Verfall neben denen der Blütenpracht an weiß getünchten Häusern – beide Sujets sind ja ein Garant für großartige Fotoorgien.

Auf dem Rückweg schien uns die Sonne, wie schön. Das Wasser war deutlich höher – wer jetzt noch Schildkröten sucht, hat nichts von den Gezeiten verstanden.Natürlich hat unser Käpt’n, der Fuchs, die Gewalt und Kraft der Gezeiten für sich genutzt: wir sind mit auflaufend Wasser nach Silves und mit ablaufend Wasser zurück nach Portimão getuckert. Das spart Sprit. Zu sehen gab’s natürlich dennoch was – der oben eingefügte Film entstand beispielsweise erst auf der Rückfahrt.

Arade-BrückenAußerdem blieb Zeit, sich die vier Brücken in der Nähe von Portimão noch einmal genauer anzusehen. Zuerst queren wir (mit dem Fluss dem Meere zu strömend) die 2003 fertiggestellte Autobahnbrücke. Oben drauf rollt der spärliche Verkehr der A22 (mautpflichtig, wie seit 2011 üblich auf den Autobahnen in Portugal – aber das ist ein anderes Thema!). Die Schrägseilbrücke wurde im September 1991 fertiggestellt. Insgesamt ist sie 842 Meter lang, die Hauptspannweite beträgt 246 Meter. Die Höhe der Pylonen ist mit 61,50 Metern angegeben – und allein für die Schrägseile wurde 290 t Stahl benötigt (Quelle). Die N125 führt über die Brücke – es gibt einen hübschen kleinen Film einer Querung… Als im letzten Viertel des neunzehnten Jahrhunderts der Bau eines Damms die Flusslandschaft veränderte, mussten zwei neue Brücken her, eine Straßen- und eine Eisenbahnbrücke. Sie sind ein gutes Beispiel für die Eisenarchitektur an der Algarve und kosteten damals 179.946 Dollar. Die Eisenbahnbrücke wurde zwischen 1915 und 1919 (Einweihung am 30. Juli 1922) von der Portugiesischen Industriegesellschaft gebaut. Sie ist 300 m lang und besteht aus sechs Eisenbögen, die auf Steinpfeilern im Wasser stehen. Die Straßenbrücke wurde von der französischen Firma Fives-Lille gebaut, unter der Leitung des Ingenieurs Bonnet. Die 300 m lange Brücke wurde nach nur etwas mehr als einjähriger Bauzeit im April 1876 fertiggestellt. In einigen privaten Blogs liest man manchmal, dass die Eisenbahnbrücke von Gustave Eiffel gebaut worden sei – seriöse Belege dafür habe ich freilich nicht gefunden…

Informationen:
visitportimao.com/de/spass-und-freizeit/barca-arade/
Tel. +49 351 914983967

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