Bürgerlich-schlicht beim Sternekoch

Ein Überraschungsmenü im Maiwerts in der Villa Herzog

Maiwerts

Dieter Maiwert war am Tegernsee ein Begriff, sein Restaurant drei Jahre lang mit einem Michelin-Stern ausgezeichnet worden. Dennoch lief’s geschäftlich nicht rund genug, dem Münchner Merkur sagte Maiwert in einem Interview: „Am Tegernsee ist es schwieriger geworden. Während früher nur drei oder vier Monate im Jahr heikel waren, sind es inzwischen fünf bis sechs, in denen mit „saisonalen Sollstellungen“ zu rechnen ist. Die Gäste buchen nach der Wetter(App-)Lage und somit nicht mehr vorhersehbar. Es verbleiben zu wenige Monate, in denen Rücklagen zum Ausgleich zu schaffen sind.“

Also beschloss er, zusammen mit seiner Partnerin Madeleine Maaßen nach Dresden zu ziehen. Respekt, dachte ich, als ich das las, da gehört Mut zu – ausgerechnet Dresden, wo es eigentlich für Gastronomen eher 365 Tage im Jahr heikel ist! Der Plan war, in die Zeitenstömung zu ziehen, direkt gegenüber vom Elements sollten „ein Restaurant, ein Bistro und im übernächsten Jahr ein Café“ entstehen, verriet Maiwerts dem Merkur – noch Mitte Dezember 2016 schrieb die Mopo (hier bei Tag24 nachzulesen): „Feinschmecker haben dann die Wahl – und die Köche die Konkurrenz. Die soll vor allem das Geschäft von Maiwert beleben.“

Schöne Idee, aus der aber nichts wurde: am 4. Mai gab es eine Presseeinladung auf den Weißen Hirsch. Hier also sollte es nun entstehen, das neue Maiwerts. Nicht direkt gegenüber, aber wieder in unmittelbarer Nähe eines Sternerestaurants: Seit 2007 hat hier Stefan Hermann sein bean&beluga, und er kann gerade im Jubiläumsjahr ein Lied davon singen, wie schwer man es mit anspruchsvoller Gastronomie in Dresden haben kann – sogar auf dem noblen Weißen Hirsch.

Anfang Juni dieses Jahres eröffneten Dieter Maiwert (Küche) und Madeleine Maaßen (Service) in der Villa Herzog ihr Restaurant. Dort gab’s ja in den Goldgräberzeiten nach der Wende, als die Landschaft gehobener Gastronomie noch arg überschaubar war, schon mal ein Restaurant: Die Villa Herzog von Ute und Ulrich Herzog. Nun gab’s also nach langem Stillstand wieder Bewegung, und die Frage war doch: Wie wird sich Dieter Maiwert positionieren?

Zögerlich, war der erste Eindruck: Die ersten Menükarten im Netz ließen auf gehobene Küche, aber nicht unbedingt auf Sterneniveau schließen. Die ersten Freunde, die dort waren und berichteten, sahen’s ähnlich. Von denen erfuhren wir dann, dass man auf keinen Fall so hingehen sollte, sondern sich möglichst vorher so einen Gutschein organisieren solle, die aus dem 5-Gänge-Menü für (zum Kaufzeitpunkt) 77,50 Euro eins für 54,50 Euro machte, Begrüßungsdrink sogar inklusive.

Ein wenig verwundert kaufte ich so ein Doppelticket und dachte mir: wieso macht man sowas? Ob sich das lohnt, für den Wirt? Und für uns? Die Antwort für uns: Naja, egal. Wir bekamen „das Überraschungsmenü“, wie MM uns zur Begrüßung am Platz freundlich mitteilte, das eine Variation des häufiger mal wechselnden Menüs ist und einige Komponenten von der Karte enthielt, die günstiger waren als die a-la-Carte-Varianten des Menüs. Ist das schon Beschiss, weil es deutlich von den Groupon-Muster-Menü-Bestandteilen (Wildlachs, Hummer, Rinderfilet) abwich? Uns war’s egal, denn wir hätten eigentlich alles von der Karte haben mögen, weil es gut klang – und es muss ja wirklich nicht immer das Teuerste sein.

Los ging’s schon mal richtig richtig gut – mit Brot, das schmeckte. Und das im natürlichen Habitat von Butter, Öl und gutem Salz! Herrlich. Den Auftakt zum Menü, das flott hintereinander serviert wurde, bildete ein 3erlei vom Kalbstafelspitz (à-la-carte-Preis 22 €). Mousse, Sülze und so eine Art Vitello-Scheibchen schmeckten ganz angenehm, aber ob ich dafür einzeln (und vielleicht etwas größer portioniert) 22 Euro hätte ausgeben wollen? Als die Teller eingesetzt wurden, nippten wir noch an unserem Begrüßungsblubberle – und mein Gegenüber fragte: Was glaubst Du, was wir hier für einen Wein zu bekommen? Wir hatten nämlich zum Überraschungsmenü auch die Überraschungsweinbegleitung dazu bestellt, muss man wissen. Ich so: Ich denke mal, ein Burgunder würde passen, weiß oder grau. Riesling würde ich nicht nehmen!“ Wir bekamen den Riesling. Aber, Überraschung: er ging sogar (Glas 4 €).

Die Kalbsconsommé mit Crêpesroulade (8 €) ist ein schlichtes Süppchen, das wir zwar gerne auslöffelten, uns aber dabei fragten, wieso der Mann mal einen Stern und – ausweislich der dort als Wandschmuck hängenden Urkunden vergangener Jahre – allerlei andere Fs, Hauben, Kochlöffel und Pfannen bekommen hat. Auch bei der Lachsforelle an Rote-Bete-Risotto und Meerrettich (steht so nicht auf der Karte) war der frisch geriebene Meerrettich schon fast das Sensationellste, gefolgt von ganz ordentlichem Risotto und getoppt (nur in der Reihung auf dem Teller!) von einem durchschnittlichen Stück Fisch. Zum Fisch gab’s übrigens einen Chardonnay (Glas für 5,50 €).

Bayerische Ochsenbacken in Rotweinsauce geschmort & Selleriemousseline (als normaler Hauptgang groß/klein 20/15 €) sind ja ein Gericht, mit dem man in der kalten Jahreszeit nichts falsch machen kann. Gutbürgerliche Hausmannskost, bei dem wir auch nichts zu meckern hatten – aber eben auch nicht besondere Aha-Effekte und Geschmackswunder erlebten. Und uns war’s auch egal, dass die Ochsen hinter den Backen mal Bayern waren… Und genau diese Kategorie einer ordentlichen Landgasthausküche stellten wir auch beim Dessert (12 €) fest.

Zu Hause angekommen gab es dann noch ein Nachdessert in Form der Lektüre eines alten Beitrags aus dem Jahr 2013 in der Süddeutschen Zeitung, dessen erster Absatz damals ein gutes Resümee heute ist: „Was fehlt, ist eine Prise Aufregung: Das Restaurant Maiwerts in Eurasburg hat sich noch nicht entschieden, ob es Gourmetrestaurant sein will oder nur ein sehr gutes Ausflugslokal. Für ersteres ist es zu unkreativ, für letzteres zu teuer.“ Danke, Kollegen!

Maiwerts in der Villa Herzog
Kurparkstr. 6a
01324 Dresden

Tel. +49 351 3141699
www.maiwerts.de

[Besucht am 18. November 2017 | Übersicht der hier besprochenen Restaurants in Dresden und Umgebung]

Update 6. Januar 2018: Dieter Maiwert hat mir einen Leserbrief geschrieben, den ich unten als Kommentar eingefügt habe.

Update 20. Juni 2018: Das Restaurant schließt (mein Bericht im falstaff)

2 Kommentare

  1. Eine E-Mail mit dem Betreff „Leserbrief“ erreichte mich, hier ist er:

    Sehr geehrter Herr van Stipriaan.
    „Alles streng subjektiv“ ist wohl als Warnhinweis zu verstehen, trotz schlechter Recherche, Geschmack und/oder Laune schreiben zu können was man will – und das (fast) ohne Konsequenzen befürchten zu müssen. Idealer Weise sollten journalistische Publikationen getragen sein von Transparenz, die sich auf Erfahrungen und Weltwissen beziehen. Auch anderen zum Munde schreiben, lässt die journalistische Sorgfaltspflicht vermissen. Für einen ernstzunehmenden „Test“ ist ein einziger Besuch und „Hören-Sagen“ genauso wenig sinnvoll, wie der von Ihnen dafür in Anspruch genommene Gutschein. Deckungsgleich Ihrer Lebenserfahrung ist es sicherlich, dass ein um fast die Hälfte rabattiertes 5Gang-Überraschungsmenü eines Gutscheinanbieters, inklusive eines Welcome-Drinks, nicht mit den normalen Offerten vergleichbar sein muss. Es verhält sich ähnlich mit dem Unterschied zwischen der Maßschneiderei und der Maßkonfektion: Beide sind nicht von der Stange, letztere, die deutlich günstigere, kann aber im Schritt schon mal zwicken, das kennen Sie ja!
    Als „Restaurantkritiker“ und „Szenenkenner“ haben Sie zur Kenntnis genommen, dass mein Restaurant in allen relevanten Restaurantführer 2018 – mit Ausnahme des Michelin-Sterns – nahezu die gleichen Bewertungen erhielt, wie in den Jahren davor. („Gusto“-6,5 Pfannen, „Aral-Schlemmeratlas“-3 Kochlöffel, „Feinschmecker“-1,5 F, „Varta“-Tipp Küche, „Gault Millau“-1 Haube, „Der Große Restaurant Guide“-3,5 Hauben). Trotzdem fragen Sie sich in Ihrer Rezension, wieso ich in der Vergangenheit diese Auszeichnungen bekam und machen den Leser Glauben, dass ich nicht nur keine aktuellen vorweisen könne sondern auch keine mehr verdiente. Ebenso fragen Sie sich, wie ich mich „positionieren“ werde: Nach den Beurteilungen der Restaurantführer zum viertbesten in Dresden – auch wenn es Ihnen missfallen mag. Bleiben Sie anstatt zu Schreiben beim Fotografieren: dort können Sie mittels Zoomeinsatz wenigstens den Anschein erwecken, als wären Sie nah dran gewesen.
    „Alles streng subjektiv“ eben!

    In kulinarischer Verbundenheit,
    Dieter Maiwert

  2. Endlich, endlich, endlich, möchte man rufen. Endlich kriegt dieser subjektiv urteilende Nebenerwerbskritiker in his Falten-face. Da isst sich der Stipriaan, van mitsamt seiner äußerst charmanten Lebensgefährtin seit Jahren tapfer durch die kulinarischen outbacks, nicht für Geld, nur für das kleine bisschen vergänglicher Dankbarkeit der Leser, denen er dienen will. Schreibt „subjektiv“ über seine Wertungen, weil anders als subjektiv nicht geschmeckt werden kann. Und dann stößt er auf Maiwert, den Fels in der buttrigen Brandung, an dem der Kritikus zerschellen soll. Denn Maiwert, der am viertbesten kocht, also knapp neben den Podestplätzen, im kalten Schatten, Maiwert weiß, was schlechte Laune ist. Schlechte Laune kennt er gut, er sieht sie täglich, wenn er sich in den blank polierten Saucieren spiegelt. Und schlechten Geschmack, den kennt er auch, den hat er auch, der mischt sich bei ihm im Mundgefühl aus Weltwissen und Lebenserfahrung, als bitterer Sud eines offenbar an sächsischen Hängen freudlos Gewordenen. Mann, möchte man rufen, Mann, Maiwert, zieh Dir die Stirn glatt und schau mit dankbaren Blick auf diesen milden lieben genussgeneigten van Stipriaan, der nie verreißt.

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