Geschichtslektion und Modeschau

Doppelausstellung "Macht und Mode" im Dresdner Residenzschloss. Ein Instawalk

Harnisch von Herzog Heinrich dem Frommen (1473–1541)

Nein, das ist nicht ein direkter Vorgänger der Jungs von The First Order, auch wenn die Optik der Star-Wars-Truppe zumindest gut abgeguckt und lediglich ein wenig modernistisch weiterentwickelt zu sein schein. Nein, das ist der Harnisch von Herzog Heinrich dem Frommen (1473–1541), zusammen mit der „Friesenkette“, mit der er 1500 gehenkt werden sollte. Daraus wurde nichts, sein Vater befreite ihn – er trug wohl nicht ganz zu Unrecht den Namen Albrecht der Beherzte.

Wichtiges muss geschützt werden – RückansichtDie Rittersleut‘ hatten es nicht leicht, damals. Dauernd war Krieg, und den besorgte man noch selbst. Also mussten wichtige Körperteile geschützt werden, auch wenn dadurch das Eigengewicht erheblich zunahm (worunter natürlich am meisten die Pferde litten, die auch in Rüstung steckten und zusätzlich die kleinen dicken Ritter tragen mussten). In der Rückansicht kann man genau sehen, dass vorn mehr Schutz als hinten war. Aus Gründen.

Macht und ModeSeit April 2017 stehen im Renaissanceflügel des Residenzschlosses zusätzliche 1.113 m² Ausstellungsfläche zur Verfügung. Zwei neue Dauerausstellungen der Rüstkammer kann man dort sehen: „Auf dem Weg zur Kurfürstenmacht“ im Ostflügel und „Kurfürstliche Garderobe“ im Nordflügel des ersten Obergeschosses. Die Sammlung, die aus dem Besitz der sächsischen Herzöge und Kurfürsten hervorgegangen ist, zählt zu den kostbarsten Prunkwaffen- und Kostümsammlungen der Welt und ist mit rund 13.000 Einzelstücken zugleich eine der größten.

Alles eine Frage der PerspektiveAm 4. Dezember fand dort ein Instawalk statt – Leute, die mit ihren Fotos Instagram bestücken, bekamen eine Führung und durften nach Lust und Laune fotografieren. Hashtags der Stunde waren #MachtundMode #skdmuseum #instawalkDD – aber so beharrlich wie ich kaum bzw. selten Hashtags einsetze, so fleißig geben andere Dutzende ein. Aber #egal. Außerdem fiel ich einem Instawalker unangenehm auf, weil ich mit einer richtigen Kamera fotografierte und nicht mit dem Smartphone. Er stand kurz vor der Ohnmacht und verfiel dann in selbige, als ich bekundete, für ein Blog zu schreiben und mich nicht mit dem lahmen Internet in den Schlosssräumen zu quälen. Ja, nix verstanden habe ich. #oldman #nodigitalnative #immerlockerbleiben.

Das erste Kurschwert der WettinerWer nicht so fit in sächsischer Geschichte ist, bekommt hier eine grundlegende Portion Wissen vermittelt. Man kann das alles lesen, die Texte sind prinzipiell verständlich (und deutsch wie englisch, falls der Onkel von überm großen Teich mal zu Besuch kommt). Die Einschränkung prinzipiell musste freilich sein, weil die Geschichte mit all den Streitbaren, Weisen, Beständigen, Großmütigen, Frommen etc. für Ungeübte ganz schön verwirrend sein kann. Wobei: tolle Beinamen hatten sie, die Wettiner! Wer sich nichts merken will: es gibt keine Abfrage beim Verlassen der Ausstellung, man kann sich also unbedenklich auch nur so an den Objekten erfreuen. Das erste Kurschwert der Wettiner beispielsweise sieht doch auch ohne das ganze Drumherum ansehnlichst aus!

Kugel und Splitter vom HarnischDas sind nicht drei Haselnüsse für Aschenbrödel, sondern die Pistolenkugel (vorne), mit der Kurfürst Moritz von Sachsen in der Schlacht bei Sievershausen am 9. Juli 1553 getroffen und tödlich verletzt wurde. Da hatte der der 32jährige Moritz auch nicht wirklich was davon, dass er gesiegt hatte. Hinter der Kugel erkennt man zwei Splitter vom Feldharnisch – das dazu passende Loch ist nicht ausgestellt, aber (mit Harnisch drumherum) im Dom zu Freiberg zu bewundern.

MoritzdenkmalDie Übergabe des Kurschwerts von Moritz an seinen jüngeren Bruder August hat so, wie wir das auf dem Moritzdenkmal an der Brühlschen Terrasse sehen, ganz sicher nicht stattgefunden. Das 1555 von Hans Walther erschaffene Moritzmonument ist das älteste erhaltene Denkmal Dresdens. Das Original in der Ausstellung hat schon mal den Vorteil, dass man die beiden Ehefrauen sieht, die draußen am Hasenberg sich gschamert hinter Säulen verstecken. Hinter Moritz steht der Tod, das Stundenglas in der Hand. Die beiden Gemahlinnen sind übrigens in der Darstellung sehr passend gekleidet: Agnes von Hessen trägt Witwentracht und Anna von Dänemark modische Hofkleidung.

MännermodeDoch auch die Männer wussten sich elegant und sexy zu kleiden. Die seidengestickte Oberhose des Herzogs August von Sachsen ist kurz und irgendwie auffallend körperbetont. Falsche Rückschlüsse sollten die Betrachter*innen jedoch nicht ziehen. „Reine Mode ohne Funktion…“ kommentierte unser wissender Ausstellungserklärer. Die Schlitze im Beinkleid sind nicht etwa Folgen des Alters der Ausstellungsstücke: Nein, so konnte man zeigen, dass unter dem prächtigen Tuch noch mehr prächtige Seide war. Dass die kostbaren Gewänder erhalten sind, ist ja schon beeindruckend. Aber wenn man dann ein Stück auf einem Bild von Lucas Cranach d.J. zu sehen ist, dann ist das schon besonders faszinierend (Kurfürst August von Sachsen, datiert 1565).

Landschaftskleid Kurfürst Johann Georg I. von Sachsen Landschaftskleid Kurfürst Johann Georg I. von SachsenEin echter Hingucker ist das Landschaftskleid Kurfürst Johann Georg I. von Sachsen aus dem Jahr 1611. Ein riesiger ärmelloser Umhang, der flach ausgebreitet wie ein runder Teppich aussieht. Der kostbare Mantel war ein Weihnachtsgeschenk der Kurfürstenwitwe Sophie zum Regierungsantritt ihres Sohnes. Wertvoll, geschmackvoll, voller Sinnbildlichkeit – der Mantel zeigt die Elblandschaft um Dresden und Meißen, teils mit eindrucksvollen Details aus dem Alltag. Ackerbau, Fischerboote, das Residenzschloss – und der Herrscher mittendrin. Der Seidensticker des Mantels hat sich große Mühe gegeben und die Details fast fotografisch exakt rausgearbeitet. Ein tolles Weihnachtsgeschenk für Sohnemann!

„Insgesamt 27 Herrscherkostüme geben einen Einblick in die Haute Couture aus der Zeit zwischen 1550 und 1650.  in neuem Glanz erstrahlt. Um die empfindlichen Stoffe vor zu viel Licht zu schützen, werden sie nun wechselnd gezeigt. Sechs vollständige Gewandensembles, elf Anzüge mit Wams und Hose, sechs Obergewänder und vier Damenkleider: In der internationalen Museumslandschaft gibt es kaum Vergleichbares aus diesem Zeitraum.“ (Text zur Ausstellung, von der Webseite gemopst).

Macht und Mode
Residenzschloss
www.skd.museum

Öffnungszeiten:
täglich 10—18 Uhr, Dienstag geschlossen

Öffnungszeiten an den Feiertagen

24.12.2017: 10-14 Uhr geöffnet
25. & 26.12.2017: 10-18 Uhr geöffnet
31.12.2017: 10-18 Uhr geöffnet
1.1.2018: 12-18 Uhr geöffnet

Eintrittspreise:
regulär 12 €, ermäßigt 9 €, unter 17 frei, ab 10 Pers. 11 €, Audioguide frei

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