Menü mit ungewöhnlichem Pre-Dessert

Silvester-Menü mit Verena Leister in der Kochschule der Cantina

Verena Leister in Cantina

Eine kleine Liebeserklärung darf sein zum Jahresbeginn. Es soll ja ein gutes Jahr werden! Sie geht an Verena Leister, die zwar kein eigenes Restaurant bekocht, aber hier und da in Dresden immer mal wieder anzutreffen ist. Zum Beispiel hat sie seit dem Sommer uns immer wieder mal in der Weinzentrale mit Köstlichkeiten überrascht – aber so richtig austoben kann man sich in der Großküche der Weinbar (geschätzte 7,5 m2) natürlich nicht. Aber Verena Leister kocht ja auch andernorts – zum Beispiel in der Cantina, bzw. genauer in den Räumen der Kochschule, die unter dem Titel „Kulinarische Ermittlungen“ spannende Spurensuche verspricht. Dort erlebten wir sie jetzt am Silvesterabend – und die kulinarische Silvester-Ermittlung war ein Gedicht.

Uns hatte ja die Idee gefallen, den Abend eher entspannt anzugehen. Die Räumlichkeiten sind dafür prima geeignet: Im einen wartet die gedeckte Tafel auf etwa 20 Gäste, hinterm großen Durchbruch befindet sich die Küche – aber keineswegs nur die Köchin. Die besten Parties finden bekanntermaßen in der Küche statt – also gab’s hier immer auch ein wenig Trubel, neugierige Fragen (der Gäste) und freundliche Antworten (der Köchin) mischten sich mit allgemeinem Gelache. Es gibt Familienfeste, bei denen es strenger zugeht. Aber da kocht ja auch kein Profi…

Stichwort Profi: Verena Leister wird ja medial gerne immer noch als Hobbyköchin bezeichnet. Was daran richtig ist: sie hat den Beruf der Köchin nicht erlernt (sie ist Hotelfachfrau und hat in einem Dresdner Hotel gelernt), sondern bringt sich die Dinge selbst bei, aber nicht zuletzt seit ihrer Teilnahme an der Sat.1-Show „The Taste“ läuft das Koch-Business bei ihr doch eher professionell, mit Kochkursen, den Abenden in der Weinzentrale, bei Abenden mit ehemaligen Taste-Wettstreitern als Löffelbande bundesweit on tour (aber demnächst mit 18 Löffelgängen auch in der Cantina) oder der Teilnahme mit eigenem Pop-Up-Restaurant bei den Kochsternstunden, die im Februar stattfinden.

Gleich zum Auftakt des Menüs (99 € inkl. Wasser und Begrüßungsdrink) merkte man die Vorliebe der Köchin für starke aussagekräftige Geschmacksnuancen. So gab es zu einem sehr umamigen  Parmesanschaumsüppchen eine pikante Risottopraline La Vera (das Pikante kam vom mild geräucherten Paprikapulver). Der Hammer beim nächsten Gang war der Erdnusscracker, aber nur bevor man Avocado-Mangotatar mit ein wenig vom Limettenschmand verrührte und naschte. Kleiner Kontrast, immer noch im gleichen Gang: die Rote Linsencreme und ein Kokossud Asia. Das alles in einem Gang Avocado-Mangotatar | Rote Linsencreme | Limettenschmand | Kokossud *Asia* | Erdnusscracker war schon ein feines Geschmackspotpourri. Zu trinken gab’s natürlich auch was dazu (Weinbegleitung vom Cantina-Chef Herbert Schmidt ausgesucht: 30 €): zum Parmesansüppchen einen 2016 Pinot Bianco vom Alois Lageder aus Südtirol, der trotz nullkommanull Gramm Restzucker einen fruchtigen Begleiter abgab. Frucht und Mineralität brachte auch der Kiedricher Riesling von Robert Weil (ein 2015 Riesling VDP Ortswein) mit – ein einfacher Weil, aber zu diesem Gang durchaus passend (und für einige am Tisch die Erstbegegnung mit einem VDP-Wein und damit der mögliche Einstieg in die großen Weine des VDP).

Der dritte Gang war wahrscheinlich der mit der größten Vorbereitungszeit. So ein Pulpo ist ja ein gut Ding, und derlei will Weile haben. Also wurde er am Vortag bereits gekocht, mit einem Weinkorken, der das Fleisch (so geht die Mär) zart machen soll. Wahrscheinlich war der Korken von einem zu guten Wein, denn der Pulpo war sehr sehr durch, was ihm ein wenig von der Knackigkeit nahm und ein bissl von der Mehligkeit verlieh – ein wenig mehr Biss hätte da gut getan. Da wir gerade auf extrem hohen Niveau nörgeln, noch ein Hinweis zur Farbigkeit (und Konsistenz-Kombi), die in den beiden aufeinander folgenden Gängen zum Verwechseln ähnlich geriet. Aber davon abgesehen war auch Pulpo | Chorizobutter | Erbsen-Basilikumcreme | Kürbiscroûton wieder ein bezauberndes Spiel mit den Geschmacksknospen. Unser Wein dazu: einer der besten Rosés, und einer, den es leider so nicht mehr geben wird: Hammel Punk rosé. Ein Gemeinschaftsprodukt der beiden Winzertypen Christoph Hammel und Marco Giovanni Zanetti (aka WinePunk), ein Rosé mit ungeheurem Trinkfluss.

Der Hauptgang Reh | Wirsingstrudel | Cranberrychutney | Champignons | Selleriecreme hat, wie wir als neugierige Beobachter in der Küche erfuhren, wieder deutlich mehr Vorbereitungszeit gekostet als man es am Abend merken konnte (da lief’s vergleichsweise zügig, auch wenn das Mitternachts-Überraschungsdreierlei erst im neuen Jahr serviert wurde, was freilich überhaupt nicht schlimm war. Wer will Silvester schon pünktlich heim?). Nein: das Tier wollte ordentlich pariert werden. Und das dauert. Macht sich dann aber auf dem Teller bemerkbar, weil nichts fizzelt in den Zähnen! Das Reh, nur kurz angebraten und dann ein wenig im Ofen warm gekuschelt, kam dann butterzart auf den Teller, garniert mit (wieder) geschmacksintensiven Gemüsen und dem kleinen Cranberry-Kontrapunkt. Dazu gab’s einen fabelhaften Roten aus der Maremma: Mandrone di Losa, Poliziano Maremma Toskana, 2008. Zu 80 Prozent ist da Cabernet Sauvignon drin, 18 Monate im Barrique gereift – und das merkt man. Das Holz kommt leicht durch, insgesamt ein wunderbar weicher Wein. Und der 2008er ist jetzt perfekt (wenn man ihn denn noch bekommt)!

Tjaaaa – und dann: Showtime. Die Köchin wechselte zwar nicht die Schürze gegen das Mikrofon (weil sie keine trug), aber den Standort: raus aus der Küche und dem kulinarischen Ermittlungsraum, rein in die Cantina, wo ein E-Piano und eine kleine Anlage bereit standen. Ans Piano setzte sich Anna Leister, die (eine Stunde jüngere) Zwillingsschwester von Verena Leister. Und dann gab’s Mucke: Time After Time (im Original von Cindy Lauper), I Am What I Am (Gloria Gaynor) und Alles rot (Silly). Beeindruckend schön – und Spaß hatten die beiden Zwillinge auch noch dabei, so soll’s sein. (Beim FlavourBlast, ihrem Popup-Restaurant zu den Kochsternstunden, sind die Gesangseinlagen auch vorgesehen. Mit Band!)

Nach diesem ungewöhnlichen Pre-Dessert folgte das erste von zwei richtigen: Zitronentarte | Eierlikörparfait | Amaranthcrunch. Das war so, pardon, zum Wegschlabbern – weil die größere Aufmerksamkeit einerseits der Nachbesprechung des musikalischen Intermezzos und zweitens dem Wein galt, einer Riesling Auslese Hattenheimer Wisselbrunnen 2010, Schloss Reinhartshausen. Da entdeckten wir nämlich ein zweites sehr köstliches Obstdessert – mit Äpfeln, Pfirsichen und ein paar Exoten. und nur 8% Alkoholgehalt…

Und dann war das Jahr 2017 zu Ende. Cava für alle, Wunderkerzen statt Böller.

Der erste 2018 gegessene Gang war passenderweise ein Dessert, nannte sich Käse mal anders und brachte eine Praline, Ziegenkäseeis, Pfefferkirsche und Krokant auf den Teller. Nicht so schwer wie ein Käseteller, aber dennoch pikant. Grahams Six Grapes, eine Portwein Reserve. Nahezu pünktlich zur Mitternacht in London genossen wir dann in der Küche das Überraschungsdreierlei | Heiß – Kalt – Prickeln. Oder in der Auflösung: Pizza mit Sauerkraut und Blutwurst | Gurke mit Gin | Proseccotrauben. Klingt alkoholischer als es tatsächlich war – was aber nicht schlecht sein muss nach so einem Abend…

Kulinarische Ermittlungen
im Cantina Restaurant und Weinhandel
Wittenberger Str. 76
01309 Dresden

Tel. +49 351 6561 5555
www.kulinarische-ermittlungen.de
www.verenaleister.de

Besucht am 31. Dezember 2017 | Übersicht der hier besprochenen Restaurants in Dresden und Umgebung]

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