Auf den Spuren von Omas Geschmack

Die Gemischte Bude mit Lieblingsessen 2.0 bei den Kochsternstunden

Gemischte Bude

Die Oma hat Schuld. Meistens. Denn bei ihr hat man Sachen gegessen, an die man sich besonders gerne erinnert. Gibt’s jemand, der nicht so ein Lieblingsessen hat? Gibt’s jemand, der mehr als eins hat? Die Winzer der Gemischten Bude, Sachsens einzigem lockeren Verbund von befreundeten Winzern, haben mehr als eins, wie sie jetzt im Rahmen der Kochsternstunden verraten. Lieblingsessen 2.0 heißt die Serie von acht Abenden, bei denen es in den Räumen von Gräfe’s Wein & fein jeweils einen Lieblingsgang des Winzers und einen seiner dazu passenden Weine gibt. Kommt Ihnen bekannt vor? Na klar, es heißt ja auch deshalb Lieblingsessen 2.0, weil es im vergangenen Jahr am gleichen Ort im gleichen Rahmen schon mal eine Erinnerungsrunde gab…

Sechs Mitglieder hat die Gemischte Bude – die Winzer von kastler-friedland, Stefan Bönsch, Haus Steinbach, Fourré und Andreas R. Kretschko sowie Matthias Gräfe und Nicolle Kirsten, die mit Gräfes Wein & fein erstens auch eigenen Wein mit und von befreundeten Winzern anbieten und zweitens die Lieblingsspeisen in der Küche zaubern. Diese Küche hat ja in den vergangenen Jahren eine rasante Entwicklung genommen: was 2013 begann und von uns als kochfreies Restaurant (2014) oder als Manchmal-Restaurant (2015) bezeichnet wurde, ist mittlerweile eine anerkannte Adresse in Radebeul. In der Küche gibt Nicolle Kirsten die Linie vor – und so waren die an diesem Samstag bei unserem Besuch anwesenden Winzer Enrico Friedland, Stefan Bönsch und Andreas Kretschko selbst sehr gespannt, wie die Interpretation ihrer Lieblingsessen ausfallen würde.

Wem der Einstieg schwäbisch vorkam (es gab Spinatmaultaschen in der Wurzelgemüse-Brühe), irrte nicht: kastler-friedland nennen sich zwar „säschische Elbtalwinzer aus Leidenschaft“, aber Bernd Kastler ist ein geborener Schwabe und hat selbstredend die dortige Küche im Kopf – auch wenn er schon seit 2002 mitten im Weinberg „Radebeuler Johannisberg“ lebt, den Carl Pfeiffer, einer der Wiederbegründer des Elbtalweinbaus im beginnenden 20. Jahrhundert, angelegt hat. Am Samstag stellte sein Partner Enrico Friedland Wein und Weingut vor: Wein aus 4 ha machen die Winzer jedes Jahr, zu 80 Prozent aus Steillagen in Radebeul. Ihr kastler-friedland 2016 Müller-Thurgau stammt vom Goldenen Wagen (hier wachsen Reben von Friedland) und vom Johannisberg (Reben von Kastler). „Ach ja: Und Spinat mochten wir beide als Kinder!“ konnte Enrico Friedland gerade noch sagen, da kam’s Essen auch schon – und besser hätte der Einstieg nicht sein können, denn die würzigen Maultaschen mit ihrem Sud harmonierten prächtig mit dem Müller (der ja gerne verkannt wird: man kann aus der Rebe schon was machen – wenn man es kann!).

Kohlroulade hatte sich Stefan Bönsch gewünscht, „weil die Oma die immer so toll gemacht hat!“ Er bekam sie aber „mal so & mal so“ serviert, nämlich einmal traditionell mit Fleisch gefüllt und einmal in einer vegetarischen Variante. Bei der Oma gab’s (natürlich…) nur die traditionelle Variante – und gar keinen Wein für den kleinen Stefan dazu. Dazu musste er erst groß werden und selbst welchen machen. Mittlerweile besitzt er 1,3 Hektar links und rechts der Elbe, manchmal sind es sehr kleine Weinbergslagen. Wenn man (was Bösch manchmal tut) die Weine getrennt ausbaut, können da wunderbar unterschiedliche Weine bei herauskommen. Und weil es ja die Kohlroulade mal so und mal so gab, schenkte Bönsch an diesem Abend auch Riesling mal so und mal anders aus: der eine aus dem Jahr 2016 aus Niederwartha, der andere (noch nicht fertig und als Fassprobe) aus dem Jahr 2017 und aus einer Radebeuler Lage. Zweimal Riesling, zwei komplett unterschiedliche Weine – für uns Gäste erstaunlich, aber der Winzer wird schon gewusst haben, was er da mitbringt: der 16er passte besser zur vegetarischen Variante, der 17er mehr zur traditionellen.

Den Wein von Lutz Gerhardt (Haus Steinbach) stellte Andreas Kretschko vor: 1,2 ha bewirtschaftet er, direkt hinterm Haus. Und da gibt es einen ganz kleinen Kreislauf, denn den überwiegenden Teil des Weines verkauft er auch dort – bei Veranstaltungen, in der Besenwirtschaft. „Der Lutz ist unser Exot!“, meinte Kretschko – und „der Lutz“ hätte sicher nicht widersprochen, denn als Ex-ITler ist er ein Quereinsteiger, allerdings einer „mit dem gleichen Anspruch wie wir alle in der Gemischten Bude: Wir wollen weg von der Ellenbogengeselschaft, hin zur Freundschaft. Wir helfen uns gegenseitig und haben viel Spaß gemeinsam!“ Zum Beispiel mit dem Haus Steinbach 2016 Kerner, zu dem es einen knackigen Island Kabeljau im Safran-Weißwein-Fond gab. Safran und Chili waren die i-Tüpfelchen im Fond – fabelhaft!

Eine Herausforderung, so meinte Nicolle Kirsten, sei der Wunsch von Frédéric Fourré gewesen: Coq aux Ecrevisses, also Huhn und Flusskrebs. Die eigentliche Herausforderung war wohl, einen Nicolle-Liebling einzuschummeln: der französische Klassiker wurde nämlich geschmacklich erheblich aufgewertet durch einen Grünkohlsalat. Roher Grünkohl, massiert und gestreichelt (da wird’s schon wieder französisch 😉 ) mit selbst gebackenem Sauerteigbrot und Boskop waren schon teutonische Elemente in diesem französischen Gang. Aber: Fourré lebt ja auch in Sachsen und macht hier auf 2,5 ha seinen Wein. Wir hatten Fourré 2016 „Tu les mérites“, eine Cuvée aus Grauburgunder, weiß gekeltertem Spätburgunder, Scheurebe und Riesling mit einem überzeugenden Süße-Säure-Spiel. Am liebsten hätten wir uns gleich noch einmal belohnt mit einem Schluck…

Der Herr Kretschko liebt am liebsten ein Lieblingsessen, wenn richtig Fleisch drin vorkommt. Also gab’s Rinderfilet mit Kürbis-Kartoffelnocken und dazu etwas Seltenes: Andreas R. Kretschko 2016 Spätburgunder. Eigentlich bilden die Weißen nämlich den Schwerpunkt der Kretschko-Weine. Aber von seinem 1 ha (alles Steillage) gab es 2016 auch genug Spätburgunder. In einem 300-Liter-Fass aus sächsischer Eiche hat er den Wein ausgebaut – und freute sich nun wie ein Kind, den auch endlich mal selber trinken zu können. „Ich hätte ihn nicht verkaufen sollen!“ sagte er mehr zu sich als zum Tischnachbarn. Nachvollziehbar – aber wie wären wir dann in den Genuss gekommen? Kretschko schreibt ja immer drei Begriffe auf die Etiketten, die er mit dem Wein assoziiert. Zartbitter, Kirsch, Mokka lesen wir und finden vor allem die Zartbitter-Komponente in der Schokoladen-Sauce zum auf den Punkt gegarten Filet wieder. Während wir noch schwelgen und Sauce wie Rotwein nachbekommen, hören wir den Winzer neu assoziieren: Mokka, Tabak, Leder. Nein, da meinte er den Wein und nicht das Steak!

Zum Dessert gab’s dann noch einmal was von der Oma. Nicolles Lieblingsquarkkuchen & Schokolade beruht auf einem alten Familienrezept. Der Wein dazu beruht auf einer alten Freundschaft – den Wein & Fein 2016 Riesling „Süß & Lecker“ hat Arno Schembs in Worms für die Radebeuler gemacht. Ein süffiges Zeuch, aber das legt der Name ja schon nahe.

Gräfe‘s Wein & Fein
Hauptstraße 19
01445 Radebeul

Tel. +49 351 / 8365540
www.graefes-weinundfein.de

Öffnungszeiten Kochsternstunden-Menü:
Di – Do auf Vorbestellung ab 6 Personen
02. und 03. Februar | 16. und 17. Februar | 02. und 03. März | 09. und 10. März 2018 – jeweils ab 18.30 Uhr
Bitte auf jeden Fall vorher reservieren.

[Besucht am 3. Februar 2018 | Übersicht der hier besprochenen Restaurants in Dresden und Umgebung]

 

Hinweis:
Die STIPvisiten sind Partner der Kochsternstunden.

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