Decollagiert und auf den Punkt

Kochsternstunden 2018: Besuch im Stresa

KSS18 stresa

Manchmal kann es ja auch ganz gut sein, nicht mit dem großen Freundeskreis der Kochsternstunden-Genießer unterwegs zu sein – denn so unterhaltsam die offenen Tische auch sind: sie dominieren dann natürlich an dem Abend das Restaurant (oder wenigstens den Teil, in dem man an langer Tafel sitzt). Dieses Mal also ein Besuch im Stresa als lonesome Cowboy, mit Buch als Begleiter und Unterhalter zwischen den Gängen. Volles Haus war’s an diesem Mittwoch, aber eben der ganz normale Mix: die kleine Familienfeier mit drei Paaren aus drei Generationen, die beiden befreundeten Paare, die einfach nur mal so ausgingen, das verliebte Pärchen, das es sich mal gut gehen lassen wollte: das Stresa, das im Februar vor fünf Jahren eröffnet hatte, scheint im Viertel angekommen.

Verwundern tut’s nicht, denn es stimmt rundum alles: der Service (an diesem Abend im höher gelegenen Gastraum Romy Müller) trifft genau den richtigen Punkt zwischen Lässigkeit und Verbindlichkeit, erklärt Speisen wie Getränke, kümmert sich um die Gäste. Im unteren Teil des Stresa war Sascha Blaesing ebenso locker unterwegs – wohl dem Restaurant, das in diesen Zeiten auf so ein Stammpersonal zurückgreifen kann. Wobei der Service ja nur die halbe Miete ist, denn wir sind ja wegen des Essens da! Das Kochsternstunden-Menü gibt es zwischen drei und sechs Gängen (45 € /55 € / 65 € / 75 €), die dazu angebotene Weinbegleitung kostet pauschal 6 €/Glas. Das Menü gibt es übrigens (nicht nur auf Nachfrage, es ist so ausgedruckt auf der Karte) auch in einer vegetarischen Variante, nahe dran an der Fisch&Fleisch-Version: vorbildlich!

Vorab schickt die Küche schon mal einen Gruß, mit hausgemachtem Brot (sehr knusprig außen, sehr fluffig innen), einer Praline mit lecker Sößchen und Paprikabutter. Wer hier unvernünftig is(s)t, schafft den Rest nicht! Denn die Portionen sind zwar der mehrgängigen Folge angepasst, aber immer noch nicht winzig. Immer noch ein wenig von dieser Influenza geschwächt, bat ich um immer kleiner werdende Portionen – was dann auch klappte. Eingerahmt wird das Menü von zwei Gängen mit direktem Bezug zu den Köchen, und beide haben ein bekanntes Gericht decollagiert und in die Einzelteile zerlegt arrangiert. Beide haben übrigens auch mit dem Deppenapostroph gespielt, aber das verzeihen wir dem Speisekartenschreiber mal 😉 .

Die Vorspeise also war ein Rindfleischsalat, den der Olli neben- statt durcheinander servieren ließ. Auf jeden Fall gibt das ein schöne(re)s Bild, und die Bestandteile einzeln zu kosten ist vor allem beim köstlichen Carpaccio und dem frischen Crème fraîche Törtchen ein großes Vergnügen. Wem das zu wenig an den Rindfleischsalat von der Omi erinnert, muss eben neu collagieren und sich einen Löffel bauen, wie wir das bei Verena und ihrer Löffelbande gelernt haben. Ähnlich war’s dann ganz zum Schuss bei Dessert, das der Souschef Felix zu verantworten hatte: seine Zitronentarte war in Crème, leicht geflämmtes Baiser und schön saures Sorbet zerlegt, ein wenig was auf den Keks gab es auch.

Zum Lieblingsgang geriet, vielleicht auch wegen der winterlichen Temperaturen draußen, die Rotkohlessenz. Ein Süppchen, das die Seele wärmte! Auch hier gab es Zeichen von Decollage, aber die samtene und sehr geschmacksintensive Suppe fügte alles aufs Feinste zusammen, was zuvor einzeln in der Schale auf die Suppe wartete. Die Jakobsmuschel, die als Beilage zu Rotkohl eher nicht Standard ist, machte sich erstaunlich gut! Dass die Küche mit zarten Dingen wir Jakobsmuschel oder Skrei umzugehen weiß, merkte man dann beim Fischgang, bei dem ein veritables Stück des Winterkabeljau auf dem köstlichen schwarzen Venere Reis thronte. Auf den Punkt gegart, Risotto wie Fisch. Ebenfalls perfekt und in der Kombi zwar nicht neu, aber immer wieder ein Vergnügen in Sachen unterschiedliche Texturen und Geschmäcker: Zweierlei von einem Tier, in diesem Fall ein rosa gebratenes Stück vom Rücken und ein wenig vom geschmorten Bäckchen, beides vom sächsischen Wiesenkalb (und auf eigenen Wunsch so klein portioniert – wer also mehr mag: läuft!)

Bei der Weinbegleitung muss sich das Stresa nicht verstecken, es gab eine passende und bunte Mischung aus Bekanntem und weniger Gängigem. Wer die Sekte (traditionelle Flaschengärung, versteht sich) von Vaux nicht kennt: unbedingt probieren! Der GV ist eine Sünde wert…

Speisefolge

  • Vorspeise: Olli‘s Rindfleischsalat (Carpaccio von der kurzgebeizten Milchkuh / Creme fraiche / Bunte Bete / Paprika)
  • Suppe: Rotkohlessenz (Jakobsmuschel / Apfel / Senfschaum)
  • Zwischengang: Gebratenes Filet vom „Catch of the day“ (dieses Mal: Skrei, Tomaten-Langustensud / Venererisotto / Safranaioli / wilder Brokkoli)
  • Hauptgericht: Rosa Rücken und geschmortes Bäckchen vom sächsischen Wiesenkalb (karamellisierte Ofenkarotten / mit Morcheln gefüllte Polenta / Kerbel-Sellerie-Püree)
  • Käse: Geflämmte Praline vom Ziegenfrischkäse (Tannenhonig / Oliventapenade / Tomatenmarmelade) – haben wir ausgelassen!
  • Dessert: Felix‘s Zitronentarte (Creme / Baiser / Sorbet / Reduktion)

Weinbegleitung

  • Aperitif: Petit VAUX – Sekt Brut / Sektmanufaktur Schloss VAUX, Rheingau
  • Zur Vorspeise: Grüner Veltliner – Sekt Brut / Sektmanufaktur Schloss VAUX, Rheingau
  • Zur Suppe: Spätburgunder Rosé – trocken / Weingut Carl Erhardt, Rheingau
  • Zum Zwischengang: Weißburgunder Falkenstein Reserve – trocken / Weingut Dürnberg, Weinviertel, Österreich
  • Zur Hauptspeise: Matura Rotweincuvée QbA – trocken / Weingut Studier, Pfalz
  • Zum Käse: Riesling „S“ Auslese – edelsüß / Weingut Tim Strasser, Sachsen – kein Käsegang für uns, also auch kein Tim-Wein…
  • Zum Dessert: Saler – Roter Dessertwein – süß / Weingut Spalek, Mähren, Tschechien

Restaurant Stresa
Augsburger Straße 85
01277 Dresden

Tel. +49 351 / 65615730
www.restaurant-stresa.de

Öffnungszeiten:
Di–Do: 18–23 Uhr | Fr+Sa 17–23.30 Uhr | So Brunch 10–14 Uhr

[Besucht am 28. Februar 2018 | Übersicht der hier besprochenen Restaurants in Dresden und Umgebung]


Hinweis:

Die STIPvisiten sind Partner der Kochsternstunden.

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