Somm: Ein Buch über Sommeliers in Deutschland

Silvio Nitzsche

Dass Freude und Spaß oft so schwergewichtig daher kommen müssen! Das 2.118 Gramm fette Buch mit seinen 378 Seiten im A-4-Format ist nichts für eine Lektüre ohne Tisch. Es sei denn, man ist es gewöhnt, zehn Weingläser (gefüllte, natürlich) gleichzeitig vor sich hin zu tragen. Das aber machen nicht einmal die Somms!

Die wer? Die Somms? Kenn ich nicht! Kenn ich doch: Das sind Sommeliers beiderlei Geschlechts (wir lernen: Sommelier, der und Sommelière, die – das sind die Langformen fürs kurze Somm). Und Somm ist der Titel eines Buchs, das Silvio Nitzsche von der Dresdner WeinKulturBar jetzt auf der ProWein – der wichtigsten Wein- und Spirituosenmesse der Welt – vorgestellt hat. Es ist, sagt er, das erste Buch weltweit über Sommeliers, mit Portraits von 74 Kolleginnen und Kollegen von ihm, drei Vorworten und einem Nachwort – die Anerkennung und der Respekt der Anderen an dieses „Geschenk an die Branche“, wie Silvio Nitzsche das Buch nennt, ist groß. Da wir nicht zur Vorstellung auf der ProWein sind, haben wir uns vorab mit Silvio Nitzsche in seiner WeinKulturBar in Dresden unterhalten.

Frage: Wie bist Du auf die Idee gekommen, so ein Buch zu machen?

Silvio Nitzsche

Silvio Nitzsche: Die Idee kam mir 2015 in der Weinbergkirche bei einem Konzert. Wir hörten uns Vivaldi an, die Vier Jahreszeiten. Ich dachte: wo ich doch so gerne fotografiere – man müsste mal was anderes fotografieren als immer nur die eigenen Kinder. Und ich dachte: ein Buch über meinen Berufsstand, ein Buch über Sommeliers – das gibt’s noch nicht. Dabei wirken wir doch sehr prägend und bereiten – wenn wir alles richtig machen! – den Gästen viel Freude. So dass sich manchmal ein Gast noch nach 20 Jahren an einen tollen Abend erinnert! Um es kurz zu machen: am Ende des (im übrigen sehr tollen!) Konzerts stand das Konzept im Kopf!

Das Konzept des Buchs hat mehrere Ebenen. Die Grundidee: die Somms stellen sich selbst vor, anhand von 45 Fragen, die Silvio Nitzsche vorgegeben hat. Und der Herr Nitzsche macht die Fotos dazu, denn er wollte ja immer schon mal auf der ProWein ganz viel Zeit in was anderes stecken als in Gespräche bei einem der über 6.500 Aussteller aus mehr als 60 Nationen (Zahlen von 2017).

Frage: Sind alle Fotos von Dir?

Silvio Nitzsche: Ich habe nicht genau gezählt, aber geschätzt sind 90 Prozent der Fotos von mir. Ich habe auf der ProWein und auf der Mainzer Weinbörse fotografiert, drei Bilder sind in Berlin entstanden. Da ich aber nicht alle Somms, die ins Buch sollten, erwischt habe, gibt es auch einige Aufnahmen von anderen Fotografen. Bei meinen Bildern habe ich dann übrigens nicht immer das schönste Foto rausgesucht, sondern das, was den oder die Somm am besten reflektiert.

Axel BieslerTolle Portraits sind dabei, einige sind richtig genial. Gerhard Retter zum Beispiel gefällt mir. Ich meine jetzt das Foto, ich habe den Betreiber der „Fischerklause“ am Lütjensee und der „Cordobar“ in Berlin noch nicht kennen gelernt – aber das geilste Bild ist in meinen Augen das von Axel Biesler, der auf Seite 23 mit untypisch angestrengtem Gesicht (ich kenne ihn…) versucht, einer Flasche den Korken zu entziehen – und auf 27 ganz entspannt guckt. Wenn man genau hinschaut, ist da der Korken aber auch noch drin, wahrscheinlich ist dieses Bild sogar vor dem anderen entstanden. Zwischen diesen Seiten könnte man die Antworten von Axel „DIEWEIN“ Biesler lesen, wenn er denn nur leserlich geschrieben hätte. Ich werde mir mal einen guten Wein aufziehen und es am Ende der Flasche nochmal versuchen…

Oh ja, man muss sich nur drauf einlassen, dann geht’s. Wenn auch langsam und mühsam – aber auch guten Wein soll man ja genießen und nicht stürzen wie einen Doppelkorn.

Frage: Warum sind die Antworten auf die 45 Fragen des Fragebogens fast alle handschriftlich?

Silvio Nitzsche

Silvio Nitzsche: Das war so gewünscht, ich wollte das so! Die Handschrift ist doch etwas sehr Individuelles – und es mussten ja auch nicht alle 45 Fragen beantwortet werden. Wenigstens zehn sollten es sein. Die Ergebnisse waren dann ja auch sehr unterschiedlich von der Ausgestaltung – Thomas Sommer beispielsweise hat die Antworten in Flaschenform gebracht, Stéphane Thuriot hat um eine sehr luftige Flasche drumherum geantwortet und Hendrik Canis hat sie quasi miteinander verwoben. Ich denke: Die Antworten plus die Handschrift plus das Foto ergeben das Gesamtbild!

Eingangs erwähnte ich ja die mehreren Ebenen des Buchs. Über Fotos und Texte haben wir schon gesprochen – aber es gibt ja noch eine dritte Ebene. Das Buch erscheint im Eigenverlag, zumindest steht im Impressum lediglich Silvio Nitzsche als Urheberrechtsinhaber. Andererseits gibt es eine ISBN, was ja auf möglichen Buchhandelsverkauf schließen lässt.

Frage: Wie hoch ist denn die Auflage – und wie kommt man an das Buch ran?

Silvio Nitzsche

Silvio Nitzsche: Die Erstauflage beträgt 2.000 Exemplare. Entstanden ist das Buch in Zusammenarbeit mit Schlumberger, die ja auch unser Weinbar-Projekt Weinpinte von Anfang an so großzügig unterstützen. Also haben wir einige Seiten Werbung von Schlumberger zwischen den Portraits. Warum? Deswegen: Die Idee war, das Buch jedem Absolventen (und natürlich auch jeder Absolventin!) der Sommelierschulen in Koblenz, Berlin, Heidelberg und München zur bestandenen Prüfung zu schenken. Es soll den Nachwuchs motivieren! Wenn man liest, was für großartige Kollegen es gibt, dann kann man denen nacheifern, diesen wunderschönen Beruf zu ergreifen!

Natürlich haben sich im Vorfeld schon einige über die Werbung ein wenig echauffiert – ich hatte sie beim ersten Durchblättern nicht einmal bemerkt. Sie ist zwar farbig und hebt sich dadurch ab vom Buch, das schwarz-weiß (und allenfalls als Variante noch grau) gehalten ist. Aber da es jeweils Doppelseiten zwischen den Beiträgen sind, haben sie mich beim zweiten – genaueren – Lesedurchgang auch nicht gestört. Schon der großartige Kurt Tucholsky hatte seinem Verleger Ernst Rowohlt 1932 geschrieben: Macht unsere Bücher billiger! Billiger als geschenkt geht nicht, und dafür sind ein paar themenbezogene Anzeigen doch gut zu ertragen.

Silvio Nitzsche: SOMM
Eigenportraits der bemerkenswertesten Weinkellner, Mundschenke, Sommeliers Deutschlands.
378 Seiten, Eigenverlag

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