„Die unbeschwerte Leichtigkeit der Bodenseeregion“

Der 1881 gegründete Winzerverein Hagnau ist die erste Winzergenossenschaft Badens – und heute die größte

Hagnau

Für einen katholischen Pfarrer hatte Heinrich Hansjakob einen eher aufregenden Lebenswandel: zweimal saß er im Gefängnis (1870 wegen aufrührerischer Reden, 1872 wegen Beamtenbeleidigung), vier Kinder soll er (mindestens…) gezeugt haben. Setzt man so einem Mann ein Denkmal? Auf jeden Fall – denn der Rebell im Priesterrock (Titel der Biografie von Manfred Hillenbrands) hat schließlich die durch Mehltau, harte Winter und bösartige Weinhändler darbenden Hagnauer Winzer vorm Untergang gerettet: am 20. Oktober 1881 gründete er den Winzerverein Hagnau – die erste Winzergenossenschaft Badens – „als Bollwerk gegen die Willkür der Weinhändler“ (Webseitentext), die den Traubenpreis permanent nach unten drückten.

Hansjakob-DenkmalDas Modell hat sich bewährt, die Winzer von Hagnau können offensichtlich gar nicht dankbar genug sein: mit rund 52 Winzerfamilien und einer 166 Hektar großen Rebfläche sind sie heute der größte genossenschaftliche Weinbaubetrieb am Bodensee. Und weil Größe allein ja nicht zählt: ein lecker Weinchen machen sie auch! Die persönliche Vorliebe des Autors für Weißherbst begann in den Achtziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts in Hagnau beim Winzerverein – und hält immer noch an, weil die Hagnauer es verstehen, ihrem Weißherbschd aus der Lage Burgstall das richtige Maß an herzhafter Würze und frischer Frucht (Erdbeeren! Kirschen!) mitzugeben.

Dabei ist der Weißherbst oder der Spätburgunder, aus dem auch der sommerliche Rosé zu hundert Prozent entsteht, gar nicht allein die typische Rebsorte – der andernorts oft (manchmal sogar zu Recht) als belanglos verrufene Müller-Thurgau spielt als typischer Bodensee-Wein eine wesentliche Rolle. Und die Traube zeigt am See, was in ihr steckt (vorausgesetzt, die Winzer spielen mit).

Weinberge über HagnauDer Müller-Thurgau ist eine deutsche Rebenneuzüchtung, entstanden mit Hilfe eines Schweizer Professors: Hermann Müller aus dem schweizerischen Thurgau gelang 1882 an der königlichen Lehranstalt in Geisenheim die Kreuzung zwischen Riesling und der Gutedelrebe Madeleine Royal. Dass der Herr Professor selbst glaubte, das Kind sei aus einem erfolgreichen Techtelmechtel zwischen Riesling und Silvaner entstanden, wirft zwar ein merkwürdiges Licht auf die wissenschaftliche Akkuratesse und Dokumentation – aber wer weiß schon genau, wie gemütlich es weiland in Geisenheim beim Kreuzen zuging…

Für die Hagnauer (und viele andere Winzer am Bodensee) ist der Müller jedenfalls die weiße See-Traube schlechthin. Sie liebt tiefgründige und nicht zu trockene Böden (hat man am Bodensee!) und reift relativ früh (passt zum Seeklima!). „Müller Thurgau ist der klassische Seewein und verkörpert die unbeschwerte Leichtigkeit der Bodenseeregion“, steht auf einem der vielen Erklärschilder entlang des vier Kilometer langen Hagnauer Obst- und Weinwanderwegs, der oberhalb des Dorfes durch liebreizende Landschaft führt – mit Obst und Wein dicht beieinander und vielen tollen Blicken gen See.

Bodensee bei HagnauAch, dieser See! Man möchte, nachdem die Zwangslektüre in der Schule lang genug zurück liegt, zu den Gedichten der Droste greifen, die am Ende ihres Lebens nahebei in Meersburg lebte und dichtete. Ein Müller-Thurgau, fruchtig-filigran und duftig, mit dezenter Würze und zartem bekömmlichen Säurespiel, war ihr freilich nicht vergönnt: Sie starb zu früh dafür (1848).

Zurück ins Hier und Heute. Einen Müller-Thurgau, der oft auch als Kind des Bodensees bezeichnet wird, direkt am See zu trinken (also quasi in seinem natürlichen Habitat) ist immer ein Vergnügen. Wenn es dann noch einer ist, der beim internationalen bioweinpreis eine Goldmedaille errungen hat, dann mit um so größeren Vergnügen. Wir treffen den Winzer Thomas Pfisterer, dessen Wein seit 2016 Demeter-zertifiziert ist, im Weinberg vor seinem Auhof. Auch Pfisterer ist Mitglied im Winzerverein – den Sonderweg mit dem biologischen Anbau ging er auch auf Wunsch des Winzervereins.

Bio-WeinObst- und Weinbau betreibt Pfisterer, eine Edelbrennerei hat er und für Touristen das Gästehaus Auhof: der typische Bodensee-Mix. Im Biowein-Anbau stehen 8 ha – und wenn er in den ersten drei Jahren auch noch gehadert habe, mittlerweile ist er überzeugt: „Ich könnte nicht wieder zurück in den konventionellen Anbau!“ Es gibt vergleichsweise mehr Arbeit, aber keineswegs im gleichen Maße mehr Geld für seinen Wein – aber die Arbeit im Einklang mit der Natur bereite ihm doch sehr viel Freude. Ertragsmäßig liegt er nach sieben Jahren da, wo er vor der Umstellung war – am Anfang waren es 30 bis 50 Prozent weniger. „Aber es gab Unterstützung der Genossenschaft!“ Für Tobias Keck, Geschäftsführer vom Winzerverein Hagnau, ist genau das eine der Stärken des Winzervereins: man könne Dinge ausprobieren und die gewünschten Versuche in der Anfangsphase auch finanziell unterstützen.

Winzerverein Hagnau EG
Strandbadstraße 7
D-88709 Hagnau

Tel: +49 75 32 / 10 30
www.hagnauer.de

[Besucht am 4. Mai 2018 | Bilder mit Herbstlaub von einem Besuch am 27. September 2013]


Hinweis:

Der Besuch fand statt im Rahmen einer Pressereise auf Einladung vom Weininstitut Württemberg GmbH und der Badischer Wein GmbH im Vorfeld der Baden Württemberg Classics am 26. und 27. Mai 2018 in Dresden.

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