Des einen Freud‘ kann des anderen Klogriff sein

Schaubudensommer rund um die Scheune vom 12. bis 22. Juli 2018

Schaubudensommer18

Am schönsten ist es ja immer um Mitternacht. Da kommt der Herr Direktor, wie Helmut Raeder als Künstlerischer Leiter des Internationalen Sommerfestivals für Theater, Vergnügen und Musik allenthalben genannt wird, zur Platzmusik unter der Hochbühne des Schaubudensommers und bittet zur Mitternachtsüberraschung. Dann gesellt sich – dem Direktor und der Musik folgend – ein Zug fröhlicher Menschen vom Festplatz hinzu und es geht – irgendwo hin. Manchmal ist das ein kleiner Zug durchs Viertel, manchmal führt einen die Musik (bei unserem Besuch die Kapelle Romantika) aber auch gleich nach nebenan, wo dann der Platz vor dem Parkhaus Sporthalle Dreikönigsschule zur Bühne wird.

Da lang!Sehr praktisch: es gibt eine Treppe, so dass man wie in einem Amphitheater sitzt und den sich bietenden Spektakeln zusehen kann. Das eine gehört zur geplanten Show, das andere lieferte eher spontan (und vor so großem Publikum sicher nicht gewollt) die Polizei mit einer sehr genauen Personen- und Fahrraduntersuchung.  Unterhaltsamer freilich war der Radfahrer, der sich mit seinem Schild „da lang“ den Weg durchs Feierpublikum bahnte.

Alle klatschen, viele nicht nur aus Höflichkeit, sondern aus Erfahrung: sie hatten Aaron Dewitz bereits in seiner Show in einem der Zelte gesehen. Dazu vielleicht für die Nicht-Dresdner oder anderen Noch-nie-beim-Schaubudensommer-Gewesenen (gibt’s die?) die kurze Erklärung, was das denn eigentlich ist: Schaubudensommer. Es ist ein Festival für Kleinkunst und Theater in all seinen Formen. Früher sagte man: Gaukler sind in der Stadt! und warnte die Kinder – heute sind die Schausteller immer noch unterwegs und da – die meisten für drei, vier Tage, dann wechselt das Programm.

Die Warnungen allerdings sind Empfehlungen gewichen, Mundpropaganda ist gefragt wie sonst nichts: wo warst Du? Und, lohnt es sich? Oder war’s der berühmte Griff ins Klo? Jaja, den gibt es auch, denn die Geschmäcker sind bekanntlich verschieden. Des einen Freud‘ kann natürlich des anderen Klogriff sein, weswegen man am besten nicht irgendwen fragt, sondern einen Freund. Oder eine Freundin.

Aaron DewitzAaron Dewitz wurde uns gleich mehrfach empfohlen, und das zu Recht. Der Mann hat einen ganz feinen Humor, so einen, der nie auf Kosten anderer funktioniert. Und er kann was (studiert hat er sein Fach, Zusatzausbildungen genossen und ist dann bei einem der härtesten Praxistest für Clowns gelandet, dem Cirque du Soleil. Dort unterrichtete er und war mit auf Tournee). Seine Show beginnt er, bevor man denkt, dass sie losgeht. Es kommen also noch Leute rein, werden von den (wie in jedem Jahr: sehr sehr netten und freundlichen) Einlassmenschen auf freie Plätze im eigentlich schon vollen Zelt geleitet. Nun, wo Aaron Dewitz Dresden wieder verlassen hat, kann man’s ja verraten: wer vorne sitzt, wird mit etwas Glück Teil der Show. Wer sein iPhone zückt, auch. Das ist dann schon sehr wirkgewaltig, wenn der Aaron D. das kostbare Mobiltelefon mit eingebauter Kamera dem staunenden Gast abnimmt und selbst mal Fotos macht. Und wenn er dann ausholt, um das wertvolle Teil dem Besitzer zurück zu werfen, zuckt nicht nur der…

Aaron Dewitz JonglageAber natürlich passiert nichts. Aaron Dewitz gehört schließlich zu den Guten. Er macht sich einen Spaß, jongliert mit drei, fünf, sieben Bällen, weiß die gute Laune zu nutzen und wirft so einen Jonglier-Kegel beherzt und schnell ins Publikum – das sich natürlich duckt und erschrickt – nur um sich gleich drauf scheckig zu lachen, weil das Ding am Band hing und wie ein Bumerang zurück zum Werfer kam. Dazu das grimassierte Gesicht des Künstlers: köstlich! Es geht Schlag auf Schlag weiter, mit Musik (zwei Flöten, nasengetrieben) und Zauberei (da gebietet es der Ehrenkodex, selbst hinterher nichts zu verraten).

SchaubudensommerBeseelt verlassen wir das Zelt, vor dem bereits wieder eine Schlange ansteht. Wir gehen in die wohlverdiente Pause, schauen uns  auf dem Gelände um. Für die drei Euro gibt es einiges zu sehen: Der Himmel über der Scheune ist wie immer ein Hingucker, gestaltet (auch wie immer…) vom Künstlerduo Cesar und Muriel. Dazu Musik aus vergangenen Tagen, mal mit Schwung und mal mit Seelenschmerz, aber immer von der Kapella Romantika – auch sie gehört zum Inventar des Schaubudensommers. Natürlich gibt es ordentlich zu trinken und zu essen, wir löschten die Schärfe eines veritablen Chorizo-Burgers mit nichts (soll man ja sein lassen), tranken aber hinterher recht vergnügt unseren Scheune-Lieblings-Weißwein Colombelle.

DADODie nächste Show im Salon de Husch war erfreulicherweise die Fortsetzung des zuvor Gesehenen mit ähnlichen Mitteln. Vor Beginn stand ein Buckliger vor dem Eingang, den Kopf deutlich unter den Schultern nach vorne aus der Anzugjacke rausguckend. Er konnte lächeln, auch lachen. Und böse gucken, auch sehr sehr böse. Und fürs Poesiealbum (also Instagram…) posieren. Drinnen sah’s nicht anders aus: DADO bot ein Wechselspiel der Mimik, eine nahezu bezaubernde Illusion mit einem verschwindenden Kind, lustige Fingerpuppenspielereien und erstaunliche Jonglierballakrobatik im Mund. Dazu gab’s immer – frisch vom Tablet – flotte Musik, ganz zum Schluss allerdings auch live vom Dudelsackballon auf dem Kopf.

Julia RaabDie rund 30minütigen Shows beginnen in den Zelten um 19.30 Uhr, die letzte startet um 23.30 Uhr. Da es in manchen Buden zur vollen Stunde losgeht, kann man inklusive Päuschen und Anstellen (bei den gefragten Darbietungen durchaus 20 Minuten und mehr) drei Vorstellungen am Abend schaffen. Unsere leidvoll-fröhliche Erfahrung: zwei davon entsprechen meist unserem Geschmack, die dritte ist oft – naja. Also waren wir selbst sehr gespannt, was uns bei Julia Raab erwarten würde. Es war, wie wir dann hinterher von der Webseite der Theaterpädagogin erfahren sollten, „übelst geil! Ich bin begeistert.“ (Annika, Zuschauerin, 2017) bzw. „wie ein Jim Jarmusch-Film – berührend und nachgehend“ (Sylke, Zuschauerin, 2017). Meine Sitznachbarin Sylke, Zuschauerin 2018, konnte diese Meinung nicht teilen, und der neben ihr sitzende Uli, Zuschauer, 2018, befand, einfach noch nicht reif zu sein für die Taschenphilosophie („Sie stehen für Minderheiten, Armut, Flucht und Heimatlosigkeit, aber auch für trendige Designs und praktische Aufbewahrung“ meint die Künstlerin). Aber man soll die Hoffnung ja nie aufgeben.

Schaubudensommer

Das Internationale Sommerfestival für Theater, Vergnügen und Musik
12. – 22.  Juli 2018, ab 18 Uhr rund um die Scheune (Alaunstraße 36, 01099 Dresden)

Eintritt Festgelände 3 €, Karten für Vorstellungen 5 € (im Dreierpack 12 €)

www.schaubudensommer.de

[Besucht am 13. Juli 2018]

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