Großes Lob an Oma Paula – und Marcus Langer…

Neu auf dem Weißen Hirsch: bean&beluga-Zweitrestaurant Hirsch32

Hirsch32

Etwas über zehn Jahre mussten ins Land ziehen, bis sich oben auf dem Weißen Hirsch endlich ein richtiges Zweitrestaurant zusätzlich zum (von Anfang an!) mit einem Michelin-Stern ausgezeichneten und entsprechend hohen Einstufungen versehenen Gourmetrestaurant bean&beluga etabliert: Hirsch32 heißt es und ersetzt die Weinbar, die in den ersten zehn Jahren vor allem mit Sonderveranstaltungen (aber eben auch nur mit denen) sich einen guten Ruf gemacht hat.

Damit setzt Stefan Hermann, dem eine finanzielle Schieflage im vergangenen Jahr die Feierlichkeiten zum Zehnjährigen ein wenig verhagelt hat, das richtige Zeichen: es geht weiter!

Und wie! Das Konzept ist ganz einfach: Es gibt ein à la carte Angebot mit schwäbischen Klassikern, die der aus Schwaben stammende Spitzenkoch Stefan Hermann schon immer gerne zubereitet hat – nur eben meistens für sich, quasi zum Ausgleich. Ergänzt wird dieses Angebot durch saisonal wechselnde bodenständige regionale Gerichte – wie man das heutzutage so macht, aber gut.

Der eigentliche Clou des Hirsch32 versteckt sich allerdings hinter dem Wort „Speisenreise“. Dahinter verbirgt sich ein Überraschungsmenü mit entweder vier Gängen (27 €) oder sechs Gängen (34 €). Wir nahmen die große Reise und erhielten (zur eigenen Überraschung, weil wir es vorher nicht wussten) ein Gourmet-Menü mit Abstrichen im Chi-Chi, aber keinen in der Qualität der Zutaten oder der Zubereitung/des Geschmacks.

Was bedeutet fehlendes Chi-Chi? Ganz einfach: es gibt keine Reihe von Grüßen aus der Küche – dafür bringt Linda Dreßler, die uns den Abend über bediente und mit ihrer freundlich-kompetenten Art nahtlos an die Tradition toller Servicekräfte auf dem Hirsch anschließt, gutes Brot und Butter. Was will man mehr?

Ok, ich weiß: sechs gnadenlos tolle Gänge! Voilá: Es ging los mit Nordsee Krabben – gepickeltes Gemüse – Meerrettich. Das ist in seiner Schlichtheit eigentlich kaum zu überbieten – in seiner Köstlichkeit aber auch nur schwer. Als Ostfriese sind mir Krabben ja eh lieber als Hummer, so wegen Kindheitserinnerungen und so – aber eben nicht die in böser Mayonnaise ertränkten, sondern die, die nach sich selbst schmecken. Also diese hier. Und der Salat dazu (der im Titel des Gangs nicht mal erwähnt wird) überzeugte vor allem durch das unaufdringliche und zurückhaltende, aber stets präsente Dressing.

Es folgte eine kalte Suppe: Rote Beete – Joghurt Kaltschale mit Croutons. Der unspektakulärste Gang des Abends, vielleicht auch, weil es so frisch war, dass wir nach dem Apero (mit hauseigenem Sekt der Villa Sorgenfrei/Wackerbarth, Riesling brut und als Rosé) die Terrasse verlassen hatten und in den leicht umgemodelten Raum des Hirsch32 umgezogen waren. Dort erwarten uns petrolfarbene Wände und eine große (lediglich vor einem Fenster zum Hinterhof) aufgesetzte Holztür. Ein ehemaliger Durchbruch wurde zugemauert – der Raum wirkt dadurch geschlossener – und irgendwie gemütlich.

Der dritte Gang eignet sich ganz gut, um eine weitere Facette des Unterschieds zwischen Gourmetrestaurant bean&beluga und Zweitrestaurant Hirsch32 zu beleuchten. Es gab Fisch: Rotbarbe – Safranrisotto – grüner Spargel. So oder so ähnlich könnte es auch im Gourmetrestaurant auf der Karte stehen – aber dort ist es eben das Mittelstück des Fischs, im Bistro das daneben. Vom gleichen Fisch, vom gleichen Koch mit der gleichen Sorgfalt zubereitet und nicht ganz so aufwändig auf dem Teller platziert – dafür aber deutlich günstiger: es lebe der kleine Unterschied. Marcus Langer, seit 2016 Küchenchef im bean&beluga und bei unserem Besuch nur für den Hirsch32 zuständig (weil’s Gourmetrestaurant am Dienstag geschlossen ist), zauberte uns ein schlotziges Safran-Risotto mit feiner Hummerbisque und (natürlich) einer perfekt auf den Punkt gegarten Rotbarbe.

Hin und wieder kommt der Chef aus der Küche in der ersten Etage des Hauses und bringt das Essen mit runter an den Gast. Beispielsweise unsere Nummer vier, die nicht zum 6-Gänge-Menü gehörte, sondern ein eingeschobener Gruß aus der Küche und vom Patron Stefan Hermann war: Omas Fleischküchle – Kartoffelgurkensalat – Senf ist eins der Gerichte von der Schwaben-Karte. Großes Lob an Oma Paula, nach deren Rezept hier gearbeitet wird, für die Fleischküchle: sehr zart, sehr saftig (und obendrein kräuter-würzig).

Zurück zur Speisereise und den Hauptgang Zicklein – junger Lauch – Parmesankrokette. Vom Zicklein gab es Dreierlei: knusprig-würzigen Bauch, superzarte Zunge und perfekten Leberknödel. Was für ein fabelhaftes Beispiel einer Nose-to-Tail-Küche! Zum Dreierlei vom Zicklein gab es Zweierlei vom Lauch in unterschiedlichen Texturen, die ersten Pfifferlinge des Sommers und für einen Hauch Umami kleine pikante Parmesankroketten.

Von den beiden Desserts Rohmilchkäse – Früchtebrot – Chutney und Erdbeeren – weiße Schokolade – Pistazie konnte die Käseauswahl nicht so recht überzeugen – das haben wir andernorts schon deutlich gereifter und schmackhafter erlebt. Aber die süße Versöhnung folgte ja schnell…

Die Weinkarte ist übersichtlich, aber gut durchdacht – wir wurden zu jedem Gang fündig (bzw. ließen Linda Dreßler für uns fündig werden, das Essen kam ja als Überraschungsmenü). Die Auswahl zeigte: der Schwerpunkt der Weine ist regional sächsisch und württembergisch, mit kleinen lohnenswerten Ausreißern. Zum Nachtrinken:

  • 2016 Blanc für bean&beluga, Anette Closheim, Nahe
  • 2015 Kerner, Schloss Wackerbarth, Sachsen
  • 2016 Sauvignon Blanc, Weingut Aldinger, Württemberg
  • 2015 Chardonnay, Martin Schwarz, Sachsen
  • 2015 Gündelbacher Wachtkopf, Lemberger, Weingut Sonnenhof, Württemberg
  • 2015 Godramsteiner Münzberg, Riesling Auslese, Weingut Emil Bauer & Söhne, Pfalz

Hirsch32
Bautzner Landstraße 32
01324 Dresden

geschlossen

T. +49 351 44008800
hirsch-32.de

Öffnungszeiten:
Di bis Fr: 15 bis 22 Uhr, Sa: 11 bis 22 Uhr
Mo, So & Feiertage geschlossen

[Besucht am 19. Juni 2018 | Übersicht der hier besprochenen Restaurants in Dresden und Umgebung]

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