Vielfalt der Craftbiere in der Jopenkerk

Jopenkerk

Eine Brauerei mit Gaststätte in einer Kirche? Klingt befremdlich, ist aber so: In Haarlem, der 150.000-Einwohner-Stadt keine 20 Kilometer westlich von Amsterdam, wurde die Jacobskerk Ende 2010 zur Jopenkerk. Seitdem ist sie täglich gut besucht.

Man mag sich den Aufschrei ja gar nicht vorstellen, den eine Brauerei in einem Kirchgebäude hierzulande mit sich brächte – aber in den Niederlanden trafen wir häufiger auf Kirchen, in denen man sich aus anderen denn aus religiösen Gründen traf – und selbst in aktiven Kirchen (wenn ich die mal so nennen darf) gab es unter der Woche beispielsweise eingerichtete Cafés für die Besucher.

Die Jopenkerk steht mitten in der Stadt und ist auf wundersame Weise ein Zeichen für die Wiederbelebung des Bierbrauens in Haarlem. Die Stadt war nämlich früher® einmal eine Hochburg niederländischen Bierbrauens. Getrunken haben die Leute ja offensichtlich schon immer – wer gesund bleiben wollte, trank (oft selbst gebrautes) Bier. In Haarlem gab es seit dem 14. Jahrhundert gewerblich hergestelltes Bier. Gebraut wurde mit dem (damals offensichtlich sehr sauberen) Wasser des Flüsschens Spaarne, der quer durch Haarlem fließt. Die 112 Liter fassenden Bierfässer, die damals üblich waren, hießen Jopen – daher also der Name der Brauerei und der Kirche! Die Haarlemer müssen echte Schluckspechte gewesen sein – um 1648 wurden in Haarlem 450.000 Fässer Bier gebraut, was einer Menge von 67.500.000 Litern Bier entspricht. 1648, wir erinnern uns, ging es Europa nicht gerade gut – der 30jährige Krieg wurde gerade erst beendet. Über 50 Brauereien gab’s damals in Haarlem, das Bier wurde natürlich nicht alles selbst getrunken (bei – 16.000 Einwohnern im Jahr 1564 kaum machbar), sondern auch exportiert.

Haarlemer Bier – eine Erfolgsgeschichte? Ja, bis der Staat kam und dachte: wo gesoffen wird, kann man gut kassieren. Im 18. Jahrhundert mussten die Brauer immer höhere Steuern zahlen, um brauen zu dürfen – mit der Folge, dass das Bier zu teuer wurde und Brauereien dicht machten, eine nach der anderen. Die letzte Brauerei Haarlems, Het Scheepje am Houtmarkt, machte im Jahr 1916 seine Türen zu. Aus die Maus, Hopfen und Malz verloren. Bis im Jahr 1995 das 750jährige Stadtjubiläum in Haarlem gefeiert werden sollte und sich Leute im Vorfeld fanden, die dachten: jetzt zum Feiern mal wieder unser eigenes Bier trinken – wär‘ das nichts? Doch, das wäre was: 1992 wurde die Stichting Haarlems Biergenootschap (Stiftung Haarlemer Bier-Genossenschaft) gegründet, die Suche in den Archiven der Stadt förderten zwei Braurezepte aus den Jahren 1407 und 1501 zutage. Ein Stadtarchäologe und eine Historikerin bestätigten die Echtheit der Rezepte, die Universität von Leuven braute das Bier. Wissenschaft weit außerhalb des Elfenbeinturms: herrlich!

Rechtzeitig zum Jubiläum wird dann vom Hoppen (Hopfen) aus dem Jahr 1501 für die Festlichkeiten 1.500 Liter Bier gebraut. Das muss gut gelaufen sein, denn am Ende des Jubiläumsjahres wurde auch das Koyt aus dem Jahre 1407 nachgebraut – wie das Hoppen aber nicht in Haarlem. Und so ging’s immer weiter, bis dann die Jakobskirche gekauft und zur Brauerei mit angeschlossener Gastronomie umgebaut wurde. Und da sitzen wir nun vor der üppigen Karte und wissen doch recht schnell, was wir wollen: Steak tartaar (Tatar auf Brioche mit Trüffelmayonaise, 3,50 €) und Friet van Friethoes (Fritten vom angeblich besten Frittenladen Haarlems, dem Friethoes, 3,90 €). Dazu ließen wir uns was von der Bedienung empfehlen, einmal hopfig, einmal würzig bis mystisch – mit anderen Worten die beiden Originale Hoppen und Koyt. Im Hoppen sind dreierlei Kornsorten und zweierlei Hopfen, und im Koyt – ach, das kann man nicht nacherzählen, weil’s ja keiner glaubt. Also schreibe ich’s von der Webseite ab: „Jopen Koyt wird mit Grut (einer mittelalterlichen Bierwürze) gebraut, wobei der Geschmack stark von nach den Regeln alter Riten gepflücktem Gagel geprägt wird. Ein Mythos besagt, dass Gagel eine stark halluzinierende Wirkung haben kann. Um diese Wirkung zu vermeiden, sollte damals der Gagel von nackten Hexen bei Vollmond gepflückt werden.“ Wie die Jopen-Brauer an den Gagel kommen und welche Beziehungen sie zu Hexen unter besonderer Berücksichtigung von Vollmondnächten haben, ist nicht überliefert. Aber das Bier ist heel lekker!

Natürlich mussten wir auch das dritte jemals von den Jopen-Brauern gemachte Bier probieren: Adriaan wit, ein Weißbier, das neben Weizen und Hafer auch Kräuter enthält und dadurch frisch-fruchtig schmeckt. Benannt ist das Bier nach der Haarlemer Getreide-Windmühle De Adriaan, in der früher Getreide für die Haarlemer Brauereien gemahlen wurde. Jopen hatte den Wiederaufbau der 1932 durch ein Feuer zerstörten Mühle 1997 mit dem Verkauf dieses Weißbiers gesponsert. Außerdem ist aus der Reihe natürlich mussten wir auch… über ein Bier zu reden, dass wir im Prinzip doch aus Leipzig und Goslar kennen: die Gose. Gibt es – in Haarlem! – beispielsweise als Apri-Gose (Leipziger Gose mit Aprikose, natürlich) oder als Jopen Coastal Gose (Leipziger Gose mit keltischem Seesalz und Seetang, entstanden in einer Zusammenarbeit mit der italienischen Craftbeer-Brauerei del Ducato. Letztere schmeckte wie Gose, aber schon arg salzig und nach Koriander. Interessant, aber nicht unser Liebling. Also gab’s danach noch ein Mooie Nel IPA

Kirchen zu Hopfengärten –  das scheint zu funktionieren: am 11. November 2015 (dem Namenstag von St. Maarten, dem Schutzheiligen der Haarlemer Brauereinnung) kopierte Jopen in der Hoofdvaartkerk, der ältesten Kirche in Haarlemmermeer, sich selbst und eröffnete die Jopenkerk Hoofddorp mit Brennerei, Grand Café und Restaurant.

Jopenkerk Haarlem
Gedempte Voldersgracht 2
2011 WD Haarlem

Tel. 023 – 533 41 14
www.jopenkerk.nl/haarlem
www.jopenbier.nl/de/

[Besucht am 27. August 2018]

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