Windmühlen, Käse und grüne Häuser

Zaanse Schans: Wohnen und arbeiten und mit Touristen klarkommen

Mühlen in Zaanse Schans

Auf dem Weg vom Bahnhof von Zaandijk (12 Minuten von Amsterdam Sloterdijk) zum Museumsdorf Zaanse Schans riecht es gut. Nach… Schokolade? Ja, genau, denken wir – und stehen vor einem Laden mit dem wunderbaren Namen smells like chocolate. Der liegt direkt neben der großen Schokoladenfabrik und kommt wie gerufen, denn eine kleine Stärkung am Anfang einer Tour ist immer höchst motivierend, und wenn der Geruch like chocolate ist, kann man sicher nicht meckern am frühen Nachmittag. Wir also rein in den Laden, der wie ein Kolonialwarenladen in den 50er und frühen 60er Jahren anmutet. Falsch: Es handelt sich um ein authentisches Haus aus dem 17. Jahrhundert, eins der ältesten von Zaandijk. Es gibt schon mal einen kleinen Vorgeschmack auf das Museumsdorf, das jenseits der Zaan unser Ziel ist.

smells like chocolateAber noch sind wir ja im Schoko-Laden. Hinter der Theke steht Kinito Van-Dunem, der ursprünglich aus Angola kommt und mal Gästeführer war – Amsterdam, Rotterdam und eben auch Zaanse Schans. Zusammen mit Ingmar Niezen – einer „echten Zaanse“ und Foodstylistin betreibt er nun den Laden, in dem sich alles um Schokolade dreht. Man kann Souvenirs kaufen, aber man kann auch probieren: köstliche heiße Schokolade (3 €) und durchaus passend dazu einen Cookie (2,50 €) oder Brownie (3,50 €). Oder eben beides…

JulianabrugÜber die Julianabrug geht’s dann zum Museumsdorf. Die Brücke mit ihren markanten geschwungenen Lichtmasten ist ein schönes Beispiel dafür, wie niederländische Verkehrsplaner so ticken: Autos haben je eine (gar nicht so arg breite) Fahrspur, deutlich abgetrennt gibt es einen breiten, ebenfalls zweispurigen Radweg und daneben einen Fußgängerweg – der ist, auch keine Seltenheit, relativ schmal. Fuß- und Radweg sind in den 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts an die ursprünglich 1936 eingeweihte Brücke entstanden.

Die Mühlen von Zaanse Schans

Von der Brücke über die Zaans hat man schon mal einen beeindruckenden Blick auf das auch Altes Holland genannte Zaanse Schans mit seinen  wie an einer Perlenkette aufgereihten Mühlen. Die acht Mühlen können Holz sägen, Kreide oder auch Gewürze mahlen und Öl pressen. Ursprünglich standen sie nicht hier, sondern an anderen Orten der Gegend, wo sie weichen mussten, weil irgendwas neu gebaut und sie im Wege standen. Oder weil sie – trotz des energiefreundlichen Antriebs – nicht mehr gebraucht wurden. Sie kamen nach und nach nach Zaanse Schans, das 1972 offiziell eröffnet wurde – ursprünglich, um die alten Holzgebäude zu erhalten, die in dem Dorf stehen und ganz normal bewohnt sind. Mittlerweile ist es eine regelrechte Touristenattraktion, mit all den Nachteilen (vor allem an Wochenenden, wenn busweise Reisegruppen einfallen). Unter der Woche und gar etwas außerhalb der Saison geht’s aber und macht großen Spaß.

Albert HeijnDer Eintritt ins Gelände ist frei, die Mühlen und Museen kosten (man kann einzeln zahlen oder sich eine Zaanse-Schans-Karte holen). Die dritte Kategorie sind Läden, in die man für umme reinkommt – und sie gegebenenfalls mit deutlich weniger Geld als beim Reingehen verlässt, weil man drinnen was gekauft hat. Das geht beispielsweise ganz gut im Kaufmannsladen von Albert Heijn gleich am Anfang des Dorfs. Albert Hein ist der niederländische Tante-Emma-Laden – also 1887, als der gerade 21jährige Albert Heijn den 12 m2 kleinen Lebensmittelladen von seinem Vater Jan Heijn in der Kerkbuurt in Oostzaan übernahm. Heute ist daraus die größte niederländische Kette von Supermärkten geworden. Der Laden in Zaanse Schans vermittelt einen Eindruck, wie das damals alles gewesen sein könnte. Es ist nicht der Originalladen, sondern ein Haus aus Zaandam, ein typisches Beispiel für den einfachen Zaan-Holzbau aus dem 19. Jahrhundert. Das Interieur wurde auf Auktionen und bei Geschäftsaufgaben zusammengesucht – und ergibt unterm Strich dann doch ein ziemlich authentisches Bild.

Zaanse SchansGrün grün grün sind alle meine Häuser – die traditionelle Farbe. Je dunkler, desto reicher waren die Leute, konnten sie sich doch mehr Farbe leisten. Die Alternative zu grün war (und ist) schwarz – da war das Holz dann geteert… Auf dem Weg durchs Dorf sehen wir beide Varianten. Vorbei geht’s an Häusern, deren Bewohner sich offensichtlich mit dem Freilichtdorfbesucherrummel arrangiert haben und feine Vasen aus Delfter Porzellan in die Fenster stellen, die Vorgärten schnieke halten oder wild-romantisch zuwachsen lassen. Eine hoch gewölbte Holzbrücke führt über einen Graben – wahrscheinlich haben sie den Bogen so hoch gemacht, damit die Schwäne aufrechten Halses drunter durch können, denn für Schiffe oder selbst kleine Schuten ist auf den Gräben, die die feuchten Wiesen entwässern, kein Platz. Oder doch? Gut 100 Meter weiter gibt es nämlich (am Weg mit dem Wunderbaren Namen De Kwakels / Quacksalber) eine Schiffswerft, eigentlich aber nur den Schuppen der Schiffswerft Brouwer aus Zaandam vom Ende des 19. Jahrhunderts. Hier werden die Schuten, die auf der Zaanse Schans eingesetzt werden, repariert. Gleich nebenan sitzt die Küferei Tiemstra, deren Spezialität Fässer für „nassen Inhalt“ waren – vom Hering bis zum Bier.

HolzschuhmacherMit viel Glück kann man die Klompenmakerij, in der die traditionellen Holzschuhe in vielen Varianten hergestellt werden, zwischen zwei schnatternden Reisegruppen besichtigen (Eintritt frei, man kann Souvenirs kaufen). Den Spruch am Eingang („Voeten vegen, Klompen uit“) lassen wir uns wegen der schönen Sprache genüsslich auf der Zuge zergehen, um dann gleich drinnen eine Menge zu lernen. Zum Beispiel, dass es Clogs für den Alltag und solche für Sonn- und Feiertags gab – aber auch, dass sie regional so unterschiedlich waren, dass man auf großen Märkten den Leuten nur auf die Füße gucken musste, um zu sehen, wo sie herkamen. In den überdimensionalen Klompen vor dem Haus stehen Touristen, so etwas würde sich kein Eingeborener antun. Und in dem hyperüberdimensionierten Holzschuhpaar sitzen nur die, die immer schon mal gern das Cabriofeeling spüren wollten…

Henri WilligDie Catharina Hoeve sind der Nachbau eines Bauernhofs in Oostzaan.  Gleich nach dem Eingang sieht man Heinrich und seine Tiere, oder, wie der Niederländer sagt: Henri en zijn dieren. Henri könnte Henri Willig sein, denn zu dessen 1974 gegründetem Käseimperium gehört der Bauernhof (es gibt noch zwei weitere Show-Bauernhöfe). Der wahre Henri sitzt da natürlich nicht an der Kuh, die aber auch nicht echt ist: It’s showtime – aber nett! Die meisten Besucher nutzen den didaktischen Teil mit Ziege, Schaf, Kuh und Federvieh sowieso nur für ein ländliches Selfie und streben zielsicher in den größten Teil des Hofes: auf zur Verkostung! Fleißige Meisjes in traditioneller Tracht (ich sag nur: Frau Antje!) raspeln hauchdünne Probierscheiben von den diversen Käsesorten auf die Probierteller, die von den heuschreckenartig agierenden Touris gleich genascht werden. Die Meisjes lachen, sind freundlich, geben zwischendurch Auskunft – und ja: kaufen kann man den Käse auch vor Ort. Unsere Austrittsgebühr lag bei rund 40 Euro: läuft! (Und der geräucherte Ziegenkäse schmeckt immer noch…)

Beim Verlassen der Käsescheune gelangt man gleich auf den Kalverringdijk am Ostufer der Zaan. Hier kann man Mühlengeschichte und -geschichten studieren ((Eintrittspreise in den Mühlen mit Besichtigung 4,50 €/2,00 €)! Die Sägemühle De Gekroonde Poelenburg von 1869 aus Koog aan de Zaan, die 1904 schon mal umziehen musste und seit 1963 in Zaanse Schans steht, macht den Anfang. Es folgt Verfmoeen De Kat – die einzige Windmühle, die schon immer hier am Kalverringdijk stand. Und die einzige noch vorhandene Windmühle, die Pigmente für die traditionelle Farbenproduktion aus Rohstoffen herstellt. Sie wurde 1782 gebaut, nachdem ein Feuer die Vorgängermühle zerstört hatte. So, wie sie sich heute zeigt, gibt es die Mühle allerdings erst seit Mai 1960, als der obere hintere Teil der Farbmühle De Duinjager mit De Kat zur Verbundwindmühle zusammengefügt wurde.

MühlenOffenbar gibt es keine Mühle ohne Geschichte – so wie sie ja auch alle Namen haben: De Zoeker ist eine sehr alte Ölmühle, wurde 1672 in Zaandijk gebaut. Im Laufe ihres Mühlenlebens wurde sie zu einer Farbmühle umgebaut, dann zurück zur Ölgewinnung und schließlich für die Verarbeitung von Kakaomüll genutzt. ALs es damit zu Ende ging, schien’s das gewesen zu sein – aber nein: 1958 wurde de Zoeker wieder Ölmühle in Zaandijk – um dann zehn Jahre später auf spektakuläre Weise nach Zaanse Schans in einer eineinhalbtägigen Aktion verlegt zu werden. Der 18 Tonnen schwere Oberwagen wurde komplett bewegt, die Mühle wurde über die Oberleitungen einer Eisenbahn gehoben und per Boot ans östliche Ufer der Zaan geschwommen. Da kann man die Geschichte der Sägemühle „Het Jonge Schaap“ schneller erzählen: Der Galerieholländer wurde ursprünglich 1680 gebaut und 1942 abgerissen. Was man jetzt sieht, ist zwischen 2005 und 2007 nach Originalplänen wieder aufgebaut – und zwar so, dass dort richtig gearbeitet wird: man kann dort Holz kaufen (haben wir nicht getan, wir hatten ja schon Käse im Gepäck…).

ÜberfahrtAn der Ölmühle De Bonte Hen am nördlichsten Ende der Zaanse Schans – eine um 1693 erbaute achteckige Windmühle mit einer Galerie und einer drehbaren Kappe – gibt es die fantastische Einrichtung einer von über 70 Freiwilligen betriebenen Personenfähre. Kostet fast nichts (1 Euro) und ist mehr als nur eine Überfahrt: die Freiwilligen der Stichting Voetveer Zaandijk wissen gut Bescheid und geben Tipps (1. Mai bis 30. September, 10 bis 17 Uhr ). Die Überfahrt dauert etwa fünf Minuten, was eindeutig zu kurz ist, um all das zu hören, was man wissen sollte. Geschweige denn, alle Fotos zu machen, die zu machen sich lohnen.

Oud ZaandijkWährend der Überfahrt hatten uns die beiden Fährleute das alte Arbeiterviertel hinter der Kirche empfohlen – ein kleines Viertel mit Holzhäusern und kleinen Gärten, das nach den Plänen der Stadt abgerissen werden sollte. Der Dominee-Garten und die Umgebung müssen in der Tat schlimm ausgesehen haben – aber seit 1977 regte sich der Unmut der Anwohner: sie wollten nicht, dass die Gegend verschandelt, taten sich zusammen und gründeten 1979 die Stichting Domineestuin. Das Ziel: Die Häuser zu sanieren und neue zu errichten – die aber im alten Stil. Zugeständnis an die Jetztzeit: die Häuser sind größer, haben Gärten. Beim Durchschlendern (allein, ganz ohne die vielen Touristen der Zaanse Schans) kann man die Ruhe genießen, das völlige Fehlen auch nur eines Hauchs von Disneyland hocherfreut zur Kenntnis nehmen und den Zeitungsboten grüßen, der das Abendblatt bringt.

Karte des Spaziergangs

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