Hammer Hummer

Kochsternstunden 2019: Heck-Art in Chemnitz

KSS Heck-Art

Meide den Hummer und meide den Nerz, dann ist das Leben ein Scherz! lautete irgendwann früher® die karnevalistische Abwandlung des eigentlich doch schon genug frohsinnigen Liedes „Trink trink Brüderlein trink“. Da fragt man sich doch: warum? Also ohne Nerz geht schon in Ordnung, aber ohne Hummer? Nicht in Chemnitz, nicht im Heck-Art: dort gibt es – bereits seit 1997! – alljährlich nach den fetten Tagen der Weihnacht zum Jahresanfang das große Hummeressen – in diesem Jahr erstmals im Rahmen des Menüwettbewerbs Kochsternstunden.

Das Menü gibt es zu einem sehr soliden Preis: 99 Euro inklusive Weinbegleitung (die mit 20 Euro im Preis kalkuliert ist – so viel zahlt man andernorts allein für den Begrüßungschampagner!) – und die Küche geizt nicht mit Hummer, der außer beim Dessert in jedem Gang eine geschmacklich tragende Rolle spielt. Dass es nicht langweilig wird, liegt an zwei Dingen: erstens wird Hummer nie langweilig! Obendrein weiß Küchenchef Tennessee Junghaenel sehr gezielt mit Kräutern und Aromen umzugehen, er setzt sie offenbar immer wieder gezielt punktuell ein, so dass beim Essen Geschmacksvarianten aufblitzen – spannend!

Das Heck-Art ist im Geburtshaus von Fritz Heckert untergebracht. Der Mitbegründer des Spartakusbundes und der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) würde, lebte er denn noch, allerdings nicht schlecht staunen: 1974 wurde das Haus um einige hundert Meter versetzt an seinen neuen Platz an der Mühlenstraße. Seitdem ist es Teil der Chemnitzer Kunstszene (ganz oben) und beherbergt das Restaurant mit fine dining im ersten Stock und ungezwungenem Essen an gescheuerten Tischen im Erdgeschoss. Den Hummer in vier plus ein Gängen serviert das Team um Gastgeber Gernot Roßner natürlich oben – an chic eingedeckten Tischen.

Los ging’s (nach einem Glas Champagne Deutz Rosé, man gönnt sich doch sonst auch alles!) mit einem Hummercarpaccio – das nicht einfach so flach auf dem Teller lag, sondern in einem fein gewürfelten Kartoffelring, der mit geräuchertem Paprika und eben diversen Kräutern optisch wie geschmacklich aufgehübscht war. Der Safransud kam separat im kleinen Kännchen, er könne, meinte unsere sehr nette Bedienung, manchem zu scharf sein. Uns nicht, aber die Geschmäcker sind ja verschieden! Fünf von fünf Essern am Tisch reckten den Daumen hoch: toller Gang! Wie auch der zweite, den man klassisch als verkappten Suppengang umschreiben könnte. Orecchiette sind in ihrer apulischen Heimat eigentlich sehr kleine Nudeln (das Wort bedeutet ja, einmal ins Deutsche übersetzt, Öhrchen) – aber im Heck-Art haben sie die Öhrchen so großzügig bemessen, dass sie die wiederum sehr geschmackintensive Hummer-Bisque aufnehmen konnte (und nötigenfalls auch Teile vom Hummer). Zu den beiden Gängen war ein 2017 Contacto Alvarinho Vinho Verde Anselmo Mendes vorgesehen – und ich dachte mir vorher so: Vinho Verde, ob das nicht ein zu leichter Hüpfer ist? Pustekuchen: Contacto bedeutet ja, dass der abgepresste Saft noch rund zwölf Stunden auf den Schalen liegt und durch diese Maischegärung eine wunderbare Wupptizität bekommt – pardon: eine verführerische Aromatik und ungewöhnliche Dichte. Ein Maul voll Wein, und das passte dann doch ganz hervorragend!

Vor dem Hauptgang ein Sorbet, um Leib und Seele zu erfrischen: das kennt man ja. Aber wenn das Sorbet als Olivenölsorbet angekündigt wird, dann kommt schon Spannung auf. Wie geht denn das? Keine Ahnung, so rein küchentechnisch. Aber was da im Weinglas kam, roch vor allem erst einmal beeindruckend. Jaja, wir wissen schon, warum wir den Wein nicht aus Suppentellern schlürfen! Was da roch, war vornehmlich die Mischung aus erdiger Roter Bete und typischem Trüffel, eine sehr angenehme Mischung. Zusammen mit dem fruchtigen Olivenölsorbet war das dann im Mund ein tolle Geschmackserfahrung. Nicht leicht, aber soo schwer ist ein Hummermenü ja auch nicht, also passte es!

Vom Hauptgang hatten wir schon (Danke an den Fotografenkollegen, der das Motiv brauchte und dann ganz schnell weiter musste!) nach der Kochsternstunden-Pressekonferenz in Chemnitz genascht: Halber glacierter Hummer, Babyspinat und Risotto Milanese entlockte uns damals den Kurzkommentar „Hammer Hummer!“, und eigentlich bringt’s das immer noch ganz gut auf den Punkt. Es wäre nur etwas unfair dem Spinat und dem Risotto gegenüber, denn die spielen ja als Sparringpartner eine wichtige Rolle bei diesem Gang. Der Spinat war knackig wie Salat, und immer wieder kamen da die eingangs schon erwähnten Aromavarianten zum Vorschein (mal schmeckte es wie Orange, mal einfach nur nach Salz – nie langweilig!). Das Risotto ohne Rindermark angemacht, also nicht ganz so klassisch alla milanese, hatte exakt den richtigen Punkt zwischen Knackigkeit und Schmelz, Safran macht bekanntlich nicht nur den Kuchen gel, sondern auch guten Reis, Wein bringt Säure rein: perfekt. Ausreichend Hummer versteckte sich auch zwischen Risotto und Spinat, also alles prima. Zwei Weine als Pairing zu diesem Gang belebten die Diskussion am Tisch: den 2014 Riesling „Terra Montosa“ vom Weingut Breuer aus dem Rheingau oder lieber den 2015 Chardonnay Lafôret von der Domaine Joseph Drouhin? Der „Terra Montosa“ von der „steilen/gebirgigen Erde“ kommt von den zweitbesten Partien der Cru-Steillagen in Rüdesheim (Berg Roseneck, Berg Schlossberg und Berg Rottland) und Rauenthal (Nonnenberg) und ist ein spannender Zweitwein, der wunderbar mineralisch ist. Aber auch für Chardonnay gab’s gute Argumente – allen voran das, dass wir uns genau den im Kopf vorab ausgesucht hatten, ohne ihn zu kennen. Aber Hummer und Chardonnay von der Domaine Drouhin, das klingt doch gut? War’s auch, und erstaunlicherweise tranken wir beide Gläser leer, ohne einen eindeutigen Sieger zu küren. Wie auch, wenn sie beide Schmelz haben und mineralische Säure können?

Zum Dessert verließen wir dann endgültig den Atlantik und zogen aufs Land: Apfeltarte, Zitronencréme, Karamelleis, Fleur de Sel und dazu ein Tokaji Aszu 3 Putton waren der abschließende Beweis, dass es am Ende des Abends eben doch nicht immer Hummer sein muss 😉

Das Menü

  • Hummercarpaccio, Kartoffel, geräucherte Paprika und Safransud
  • Orecchiette mit Hummer, filetierten Tomaten, Lauch in leichter Bisque
  • Olivenölsorbet auf getrüffeltem Rote Bete Tatar
  • Halber glacierter Hummer, Babyspinat und Risotto Milanese
  • Apfeltarte, Zitronencréme, Karamelleis, Fleur de Sel

Die Weine

  • Champagne Deutz Rosé
  • 2016 Contacto Alvarinho Vinho Verde Anselmo Mendes
  • 2014 Riesling „Terra Montosa“ Weingut Breuer
  • 2015/16 Chardonnay Lafôret Doamine Joseph Drouhin
  • Tokaji Aszu 3 Putton

Der Preis

5-Gänge-Menü 79 € (inkl. Weinbegleitung 99,00 €)

Heck-Art
Mühlenstraße 2
09111 Chemnitz

Tel. +49 371 6946818
www.restaurant-heck-art.de

Öffnungszeiten: Di – Sa 11 – 23 Uhr; Küche bis 22 Uhr

[Besucht am 20. Februar 2019 | Übersicht der hier besprochenen Restaurants in Dresden und Umgebung]

Hinweis: Die STIPvisiten sind Partner der Kochsternstunden.

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