Eine beinahe schottische Weinprobe

Uli Allendorf lässt seinen Riesling im immer wieder anderen anderen Licht erscheinen

Uli Allendorf in colour

Hinters Licht will er uns führen, beziehungsweise streng genommen vors Licht. Uli Allendorf, Chef in einem (mit rund 75 ha) der größten familiengeführten Weinbaubetriebe des Rheingaus, macht sich einen Spaß mit seinen Gästen, und das schon seit über 15 Jahren. Dabei ist es egal, ob das Kenner (m/w/d) sind oder Laien: vor der Lichtwand in der Allendorf.Wein.Erlebnis.Welt. (das schreibt man so, mit all den Punkten) sind alle gleich.

Allendorf, das muss man wissen, ist einerseits Mitglied im honorigen VDP und somit Garant für allerbeste Weine. Andererseits legt man bei der Familie Allendorf auch eine gehörige Portion Humor an den Tag. Save Water, Drink Riesling – der Spruch und der Wein dazu sind made by Allendorf. Der wassersparende Riesling ist ein Marketingerfolg: 2012 begann es mit 3.000 Flaschen, heute sind es 300.000 Flaschen…

Die Erlebniswelt ist mit dem Innovationspreis der Europäischen Union ausgezeichnet worden. 2003 war das. In dem Jahr entstand in der 1971 erbauten Abfüllhalle die Mischung aus Verkauf, Weiterbildung und Lichterzauber. Im Aromaweinberg können die Gäste die wichtigsten Weinaromen und die Böden der verschiedenen Lagen entdecken: leichte Erde (Winkeler Jesuitengarten), dunklen Lehmboden (Winkeler Hasensprung), Humus (Geisenheimer Mäuerchen), steinigen Quarzit (Rüdesheimer Berg Roseneck) und grau-blauer Schiefer (Assmannshäuser Höllenberg) – alles da.

Der Hammer aber ist die Betrachtung des Weines unter verschiedenen Lichtstimmungen. Die Probe funktioniert prinzipiell mit jedem Wein – wir hatten entweder alkoholfreien Wein oder den statt Wasser, also einen trockenen Riesling. Uli Allendorf lud ein zur Viererweinprobe mit schottischem Akzent: „Wir wechseln dabei nicht die Gläser und auch nicht deren Inhalt!“, erklärte er und schenkte einen großen Schluck ein („wir müssen ja mehrfach aus dem Glas probieren!“).

Weine von Allendorf in colour„Was ist denn Wein?“, fragt Uli Allendorf – vergorener Most aus frischen Trauben? Oder der Moment, in dem wir die Flüssigkeit riechen, sie schmecken, sie fühlen? Nun wird’s deutlich lauter: „Leidenschaft und Lust!“, exklamiert Uli Allendorf. Leichter trockener Riesling, Save Water, Drink Riesling: ein Wein der Spaß machen soll, das ist im Glas. Nun schaltet Allendorf um auf rotes Licht. Und siehe da, auch der Wein im Glas verändert die Farbe, er schimmert jetzt gelblich – oder wie die Weinkenner mit Marketinghintergrund sagen würden: er funkelt golden. Wie ein Blanc de Noir vielleicht, wie ein weiß gekelteter Spätburgunder. Da dürfte er ja nach HimbeereHeidelbeereJohannisbeereBrombeereKirsche schmecken. Weißweine dürfen das nicht, auch wenn die Rieslingaromatik das hergibt, wie die Forscher der nahe gelegenen Winzerschmiede in Geisenheim wissenschaftlich belegen können. „Wenn wir einen Weißwein sehen, schaltet sich der Antiblamagefilter bei uns ein, und dann schmeckt der Wein auf keinen Fall nach HimbeereHeidelbeereJohannisbeereBrombeereKirsche. Aber nun, wo der Wein so anders aussieht – fast wie ein Blanc de Noir vom Spätburgunder? Da schmeckt er fruchtiger, aromatischer – ja, fast ein wenig wie HimbeereHeidelbeereJohannisbeereBrombeereKirsche – wobei Kirsche wirklich nur ein wänziges Bisschen zu schmecken ist und nur, wenn es einer einem vorsagt. Wie das eben so ist im zweiten Semester Weinphilosophie.

Und was passiert, wenn wir den Raum grün machen? Der Wein sieht dünn aus. Unreif, grün halt. Willste nicht haben (also als Wein, gerne aber vielleicht als Test, ob’s auch bei leicht übergewichtigen Menschen passiert: werden die auch dünn? Nein, leider nicht). Und was ist mit blau? OK, das ist keine Farbe, sondern ein Zustand. Der Wein wirkt wässrig, klar. Sieht aus wie Wasser oder Vodka, schmeckt aber nicht so. Er wirkt leichter, vielleicht sogar läppsch, scheint weniger Aromen zu haben.

Blau möchte man keinen Weintrinker enden lassen, also kommt noch ein wenig gelb ins Spiel. Und siehe da: plötzlich ist da wieder der Ursprungswein im Glas. Sieht gesund aus und eröffnet uns ein bekanntes Aromenspektrum, mit Pfirsich, Aprikose, Mango, Ananas, die Säure perfekt eingebunden. Wir haben unseren leichten fruchtigen Wein wieder!

Uli AllendorfVerrückte Lektion. Und noch verrückter: der Kopf spielt auch mit, wenn der Wein das Glas verlassen und schon im Mund ist. Wie schön, wenn der Farbwechsel mit gelbem Licht endet! Und, war das nun Zauberei? Nein, meint Allendorf: Wein sei ein großes Kunstwerk, bei dem man sich auch die Details ansehen müsse. „Alles, was Sie geschmeckt haben, ist tatsächlich drin. Ich habe nur den Blickwinkel verändert, ihn auf die Details gelenkt.“ Da wird’s dann schon fast wirklich philosophisch, wenn die Schlussfolgerung ist: man solle die Details erkennen, aber eben auch mal einige Schritte zurücktreten und die Gesamtschau zulassen. Das Rote sei drin, das Blaue und das Grüne seien drin, aber alles zusammen sei ein ganz anderer Punkt. Wichtig sei das Verständnis für die Details, aber wichtig sei eben auch, das Ganze anzuschauen.

Im Keller gibt’s auch Licht: blau liegt es über den Stahltanks, rot über den Holzfässern. An der Kreuzung, an der nun auch andere Weine (es gibt ja beileibe nicht nur den Spaßwein!) verkostet werden, sorgt gelblich-weißes Licht für größtmögliche Neutralität. Das Geheimnis, sich Weinen (egal, ob den einfachen oder den großen) zu nähern, ist bekanntlich keins. Man muss sie einfach probieren, probieren und immer wieder probieren.

Bei Allendorf im WeinkellerDer Keller ist schon achtmal umgebaut, so alle zwei, drei Jahre einmal – er spiegelt die Ideen wider, die gerade das aktuelle Weinmachen im Weingut Allendorf bestimmen. „Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft treffen sich hier!“, sagt Uli Allendorf. Die Vergangenheit geht zurück bis zum 24fachen Urgroßvater, der hier 1292 die Pfalz bei Kaub als Zollstation betrieben hat. Die Allendorfs sind allgegenwärtig in der Gegend, und gemäß dem Motto „für arme Eltern kannste nichts, aber für arme Schwiegereltern schon“ gab’s auch durchaus korrekte Heiraten. Aber die napoleonische Realteilung sorgte dafür, dass der Betrieb klein blieb. 1955 hatte sein Vater den Betrieb mit 1,5 ha übernommen (zur Erinnerung: jetzt sind’s ca. 75 ha).

Jeder eigene große Wein von den großen Gewächsen hat seinen eigenen Keller, eine eigene Ausbauweise um unterschiedliche Qualitäten und Herkünfte schmeckbar zu machen. Als Winzer sei man ein anderer Landwirt als ein Ackerbauer: der Winzer läuft im Jahr 25mal um den Rebstock herum, er arbeitet mit der Pflanze – und das über Jahrzehnte hinweg.

Die kleine Weinreise im Keller beginnt mit einem 2018 Winkler Riesling, ein VDP-Ortswein mit Schmalz und Körper und Volumen. Der Wein wächst um das Weingut, den Georgshof, herum. im Bereich der Lage Hasensprung hat’s tiefgründige Böden mit viel Wasser und Lehm – was sogar im trockenen Jahr 2018 reichte. „Das Wasser wird unser Hauptproblem!“, meint Allendorf moit Blick auf den wenigen Regen seit 2018. Der Wein ist spontan vergoren und in großen Holzfässern ausgebaut. „Man schmeckt es nicht, aber es unterstützt den Wein!“ Der große Bruder, das Große Gewächs vom Hasensprung; ist das Vorbild für diesen Wein – der ist in kleinen Holzfässern mit Holz aus eigenem Wald gereift.

Ein 2017 Rüdesheimer Berg von der Parzelle Ley ist neu im Programm. „Wir haben diese Steillage erst 2017 übernommen“, berichtet Uli Allendorf. 2,5 ha haben sie sich geleistet: „das muss man sich leisten wollen und auch können, auch wegen der Manpower, die man dazu braucht“, sagt Allendorf. Es ist eine VDP Erste Lage, die Summer der vier großen Lagen vom Rüdesheimer Berg. Der Wein ist spontan vergoren. Dafür haben die Winzer zwei Wochen vor der Ernte zwei Stöcke geerntet – und um wilde Hefe vom Weinberg zu bekommen, haben sie die Trauben im Weinberg ausgepresst und den Ballon im Weinberg gären lassen. „Ein wunderbares Erlebnis!“, kommentiert Uli Allendorf und nimmt einen Schluck: die Mühe hat sich mehr als gelohnt.

Der Winkeler Jesuitengarten ist eine kleine feine Lage zwischen der alten und neuen Bundesstraße am Rhein. Von den 21 ha haben die Allendorfs mehr als die Hälfte. Ein nur 1,5 ha kleines Stück kam 2015 hinzu, also sie die Gastronomie vom Brentanohaus pachteten – von dort kommt der Goethewein, weil der ja dort auch zu Besuch war und den Wein (anderer Jahrgang, na klar) liebte. „Wir verstehen die Lage, wir wissen damit umzugehen“, sagt Allendoirf und weist ganz nebenbei darauf hin, dass Terroir mehr ist als nur der Boden: der Winzer ist klarer und wichtiger Teil des Terroirs.

Weingut Fritz Allendorf – Georgshof
Kirchstrasse 69
65375 Oestrich-Winkel

Tel. +49 6723 91850
www.allendorf.de

Öffnungszeiten Weingut:
Mo–Fr: 8 – 12 Uhr und 13 – 18 Uhr
samstags von 10 – 16 Uhr, sonntags geschlossen

[Besucht am 19. Juli 2019]


Hinweis:
Die Recherchen zu den Rheingau-Berichten wurden von der Rheingauer Weinwerbung, dem Rheingau Musik Festival, der Rheingau-Taunus Kultur- und Tourismus GmbH sowie der Stiftung Kloster Eberbach im Rahmen einer Pressereise unterstützt.

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